Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Administrative Last bleibt ein Dauerbrenner

Der aktuelle Bürokratiemonitor bestätigt: Viele Unternehmen erleben eine hohe administrative Belastung. Verbesserungsmöglichkeiten liegen auch bei den Unternehmen selbst.
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Ein geeigneter regulatorischer Rahmen ist wichtige Grundvoraussetzung für eine gut funktionierende, florierende Marktwirtschaft. Das ist ein zentraler Befund der Regional- und Institutionenökonomie. Gleichzeitig verursachen Regulierungen gewisse, mehr oder weniger unumgängliche Kosten. Ein wesentlicher Anteil dieser Aufwendungen fällt in Unternehmen in Form von direkten oder indirekten Kosten als administrative Belastung an. Der Bürokratiemonitor schätzt diese Kosten zulasten der Unternehmen auf total über sechs Milliarden Franken pro Jahr.

Der Bürokratiemonitor

Der Bürokratiemonitor ist eine alle vier Jahre durchgeführte Studie, die im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) durchgeführt wird. Anfang März wurde die jüngste Erhebung publiziert. Von den etwas mehr als 1500 Unternehmen, die an der schriftlichen Befragung teilgenommen haben, sind mit knapp 1400 Unternehmen die meisten KMU. Ziemlich genau 60 Prozent aller Unternehmen geben im Erhebungszeitraum von 2022 an, die administrative Belastung als hoch oder eher hoch zu emp­finden. Dieser subjektiv geprägte Wert ist gegenüber den letzten beiden Befragungen aus den Jahren 2018 und 2014 erfreulicherweise statistisch signifikant gesunken. Damals wurden noch Werte von 68 respektive 66 Prozent ausgewiesen. Trotzdem, die subjektiv empfundene Wahrnehmung zur Entwicklung der administrativen Belastung über die Zeit ist insgesamt nicht besser geworden. Nur vier Prozent der Befragten haben hier eine positive Meinung und finden, die administrative Belastung weiche zurück. Hingegen geben (zufälligerweise wieder) 60 Prozent an, die administrative Belastung habe in den letzten vier Jahren weiter zugenommen. 

Kleinere Unternehmen scheinen weniger belastet

Der Bürokratiemonitor schlüsselt die wahrgenommene administrative Belastung nach Unternehmensgrössen auf. Auf den ersten Blick vielleicht entgegen der intuitiven Vermutung zeigt sich: Gros­se Unternehmen beschreiben die administrative Belastung am häufigsten als hoch oder eher hoch. Die 97 in der Befragung erfassten Grossunternehmen geben zu 76 Prozent eine hohe oder eher hohe Belastung an. Dagegen haben Mikrounternehmen mit drei bis neun Mitarbeitenden «nur» zu 58 Prozent diese Wahrnehmung. Zwar immer noch über die Hälfte, aber es ist der beste Wert bei den kleinsten Unternehmen ausgewiesen. Dazwischen zeigt sich ein fliessender Übergang. Je grösser eine Unternehmung, desto öfter besteht die Wahrnehmung einer hohen administrativen Belastung.

In einer eigenen Untersuchung an der Hochschule Luzern haben wir diesen Zusammenhang im Grundsatz ebenfalls so festgestellt, allerdings mit einer weiteren Nuance. In bestimmten Regulierungsbereichen nimmt die Intensität der Belastung mit der Unternehmensgrösse nicht bis zu den Grössten hin zu, sondern verläuft bogenförmig. Das heisst, es gibt eine Spitze der empfundenen Belastung bei mittleren Unternehmensgrössen, je nach Regulierungsbereich irgendwo zwischen 10 und 99 Mitarbeitenden. Fest­zustellen ist dies namentlich für die Regulierungsbereiche Steuern, Statistik, ­öffentliches Beschaffungswesen sowie Gesundheit und Arbeitssicherheit.

Mittlere KMU im Übergangsbereich

Unsere qualitativen Untersuchungen mittels mündlicher Interviews offenbaren, dass die kleinsten Unternehmen die ­administrative Belastung in bestimmten Themen eher umgehen können oder als weniger komplex bewerten als andere. Eine statistische Umfrage zum Beispiel kann die Geschäftsführerin einer Firma mit unter zehn Mitarbeitenden noch ganz gut «aus dem Kopf» ausfüllen. Die Steuererklärung ist komplett an den Treuhänder delegiert und bleibt überschaubar. Öffentliche Ausschreibungen schaut man in Mikrounternehmen oft gar nicht erst an, womit natürlich auch keine entsprechende administrative Belastung empfunden wird. 

Die Grossunternehmen haben andere Strategien. Statistische Umfragen landen dort auf dem Pult der Spezialistin. Auch für die Steuern existiert eine eigene fachkundige Abteilung. Ebenso für öffent­liche Ausschreibungen, die dort Rou­tinesache sind. Es sind dann die mittelgrossen Unternehmen, die sich an der administrativen Belastung am meisten aufreiben: Der Geschäftsführer der 50-köpfigen Firma hat nicht alle Unternehmensdaten im Kopf, aber die statistische Umfrage liegt trotzdem auf seinem Pult. Bei den Steuern ergeben sich plötzlich Spezialfälle. Öffentliche Ausschreibungen sind zu interessant, um sie zu ­ignorieren, aber jedes Mal eine neue ­formulartechnische Herausforderung. So sind die mittleren Unternehmen im schwierigen Übergangsbereich zwischen agiler Kleinheit und einer Grösse, die ­Arbeitsteilung nutzt.

Komplexes Bauwesen

Sowohl beim Bürokratiemonitor wie bei unseren eigenen Untersuchungen zeigt sich der Bereich Bauwesen als der aufwendigste Regulierungsbereich. Das liegt mitunter in der Natur der Sache: Bauten betreffen öffentliche Interessen und oft jene von Dritten über Jahrzehnte hinaus. Gerade wenn es komplex ist, reden verschiedene Behördenstellen mit. Dementsprechend verlaufen Baubewilligungsprozesse ganz unterschiedlich. Es gibt selten die Fälle, wo kleinere Bauvor­haben wegen Pedanterie unverhältnismässig stocken oder wo sich verschiedene Behörden gegenseitig widersprechen und damit ein wachstumswilliges KMU blockiert wird. Es gibt aber auch die Fälle, wo das Problem eigentlich aufseiten der Unternehmung liegt – oder ­genauer gesagt bei ihrer Vertretung. Bei Baubewilligungsprozessen spielt die Qualität der Arbeit der Planerinnen und Architekten als Intermediäre zwischen Bauherrenschaft und Behörden eine zentrale Rolle, die zuweilen mehr oder weniger gelingend umgesetzt wird.

Was KMU tun können

Für einen besseren Umgang mit der administrativen Belastung liegen manche Möglichkeiten in den Händen der Unternehmen selbst, nicht nur im Bauwesen. Der Bereich der Lohnadministration ist ein weiterer, bei dem befragte KMU ­häufig Verbesserungen wünschten. So wird mitunter beklagt, dass wiederholt sehr ähnliche Lohndaten an verschiedene Behörden zu übermitteln seien. Das stimmt an sich, jedoch entsteht hierbei eine wesentlich geringere administrative Belastung für jene Unternehmen, die ihre Lohnbuchhaltungen mit einem von Swissdec zertifizierten, einheitlichen Lohnmeldeverfahren (ELM) führen. Ist dieser Schweizer Lohnstandard in der IT-­Lösung des Unternehmens integriert, dann werden Lohnmeldungen an die unterschiedlichen Behörden praktisch auf Knopfdruck erledigt.

Der Bund und viele Kantone und Gemeinden sind trotz allen Schwierigkeiten gewillt, das Dauerproblem der administrativen Belastung aktiv anzugehen. Viele Hoffnungen und konkrete Lösungsansätze beruhen auf der Digitalisierung. Dies braucht aber «zwei zum Tanzen», und die bestehenden und sich im Ausbau befindlichen E-Government-Plattformen wollen auch genutzt werden. Es lohnt sich gerade für KMU sehr, sich beim Online-Schalter für Unternehmen «Easygov» zu registrieren und diese zu nutzen. 

Die vom Seco gebaute und mit Kantonen und Gemeinden koordinierte Plattform ermöglicht es, eine laufend wachsende ­Palette von Bewilligungs-, Antrags- und Meldeverfahren mit möglichst wenigen Schritten elektronisch abzuwickeln. 

Was kommt als Nächstes? Grosse globale Entwicklungen wie Klimakrise, De-Globalisierung und Digitalisierung dürften den Bedarf weiterer Regulierung eher ansteigen lassen. National- und Ständerat werden in dieser anspruchsvollen Ausgangslage bald über ein Unternehmensentlastungsgesetz (UEG) und über eine Regulierungsbremse debattieren. Wunder sind bei diesen Ansätzen indes nicht zu erwarten, auch, weil demokra­tische Grundprinzipien zu respektieren bleiben. Revolutionäres könnten eher Chatbots mit künstlicher Intelligenz auslösen. Diese dürften zwar vorerst noch keine Bewilligungsentscheide treffen, aber sie könnten wesentlich dazu bei­tragen, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer in komplexen admi­nistrativen Prozessen einfacher orien­tieren können. Wie auch immer, das Thema adminis­trative Belastung dürfte uns noch eine Weile beschäftigen.

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