SNB-Präsident Thomas Jordan hat dieses Jahr mehrfach gesagt, dass die Negativzinsen von heute – 0,75 Prozent – bei Bedarf noch weiter gesenkt werden könnten. Zwar halten sich Notenbanker gerne alle Optionen offen. Diese explizite Erwähnung einer möglichen Verschärfung des Negativzins-Regimes kam dennoch etwas überraschend und sorgte vereinzelt für Stirnrunzeln. Weshalb sollte die SNB die Zinsen noch weiter ins Negative drücken?
Starker Franken
Könnte ein Konjunkturstimulus das Motiv für noch tiefere Zinsen sein? Nicht, wenn man die Kreditvergabe und die Investitionstätigkeit der letzten Jahre in der Schweiz betrachtet. Das Wachstum der Ausleihungen lag stets über dem nominellen BIP-Wachstum. Der Zuwachs der realen Ausrüstungsinvestitionen bewegte sich im Wesentlichen im Einklang mit der globalen Konjunktur. Keine Kreditklemme, kein Investitionsstau also. Einen zusätzlichen Konjunkturstimulus in Form noch tieferer Zinsen braucht es nicht.
Den Aufwertungsdruck auf die Heimwährung zu reduzieren, ist das Hauptargument der SNB für die Negativzinsen. Der Franken ist immer noch hoch bewertet und notiert handelsgewichtet rund 10 Prozent höher als unmittelbar vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015. Nach der damaligen schockartigen Aufwertung hat der Franken bis heute (06.08.2019) jedoch rund 4 Prozent verloren. Auch in diesem Jahr hatte er gegenüber den wichtigsten Währungen zunächst an Wert eingebüsst (–2,4 Prozent von Januar bis April).
Seither hat der Franken aber wieder um fast 5 Prozent zugelegt (siehe Abbildung 1), was unter anderem mit der anhaltenden Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Handelskonflikt, dem Brexit, dem Iran und Ähnlichem zu tun hat. Vor allem aber auch mit den jüngsten Entwicklungen in der Geldpolitik. Es droht deshalb womöglich dennoch «Zinssenkungsgefahr». An deren Ursprung steht die EZB. Um deren Handlungsweise einordnen zu können, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.