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Logistik

Wie Kosten und Prozesse für Lagerhaltung optimiert werden

Im Kontext des Supply Chain Managements ist die Lagerhaltung in vielen Unternehmen ein erheblicher Kostenfaktor. Anhand von zehn Praktikertipps zeigt der Beitrag, wie externe Lagerhaltung, etwa durch einen strukturierten Ausschreibungsprozess, im Hinblick auf Kosten und Prozesse optimal gestaltet werden kann.
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In einem Geschäftsumfeld, in dem sich immer mehr Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, werden nicht nur die Transporte, sondern auch die Lagerhaltung zunehmend von externen Dienstleistern übernommen. Gerade im Bereich der Lagerung von Fertigwaren sind diese Dienstleister eng mit den operativen Abläufen des Unternehmens verknüpft, da die passgenaue Belieferung der Kunden erheblich von der Leistungsfähigkeit eines Lagerdienstleisters abhängt. 

Worauf es ankommt

Darüber hinaus handelt es sich bei Lagerleistungen in vielen Unternehmen um eine erhebliche Kostenposition, sodass es unabdingbar ist, kostenmässig «auf dem Punkt zu sein». Gleichzeitig ist eine Immobilienverfügbarkeit auf dem Markt nicht immer für alle Anforderungen gegeben, sodass Dienstleister, die Immobilien im Zugriff haben, mit der entsprechenden Sorgfalt behandelt werden müssen.

Benchmarken der aktuellen Preise

Anders als im Transportbereich sind viele Kostensätze eines Lagerbetriebs gut vergleichbar, insbesondere wenn es sich um den sehr häufig vorkommenden Fall der Lagerung von Europaletten handelt. Hier sind die Kosten für den Wareneingang, die Lagerung einer Palette pro Tag oder Monat und die Kosten der Auslagerung Benchmarking-fähig. Gleiches gilt für die Stundensätze für Regiearbeiten. Im Vergleich dazu sind Kostensätze für das Kommissionieren deutlich weniger einfach zu vergleichen, da diese in viel stärkerem Ausmass von Gebindegrössen und Auftragsstrukturen abhängig sind. 

Als Benchmarking-Partner bieten sich Unternehmen aus Kooperationen innerhalb der gleichen Branche oder aber Unternehmen aus anderen Branchen an, da es sich im Rahmen von Lagerdienstleistungen um branchenübergreifende Prozesse handelt. Schliesslich bieten auch Verbände oder Universitäten entsprechende Studien an. Auf Basis des Benchmarks wird re­lativ schnell ersichtlich, ob bereits Best-in-indus­­try-Preise vorhanden sind und eine Ausschreibung möglicherweise sogar zu Kostensteigerungen führen würde, oder ob ein strukturierter Ausschreibungsprozess der Lagerdienstleistungen ein entsprechendes Potenzial bietet.

Prüfung aller Optionen

Die Neuausschreibung der Lagerdienstleistungen ist immer eine gute Gelegenheit, auch alternative Strukturen vor oder im Rahmen der Ausschreibung zu prüfen. Insbesondere in engen Immobilienmärkten mit exklusiven Dienstleisterzugriffen auf die interessantesten Objekte ist es sinnvoll, frühzeitig Alternativen aufzubauen, um in den Verhandlungen mit dem oder den Bestandsdienstleistern über echte Optionen zu verfügen. Bei der strukturierten Erarbeitung von Alternativen sind die folgenden drei Dimensionen zu adressieren, wobei grundsätzlich viele Kombinationen denkbar sind:

  • Zugriff auf Immobilie: Neubau, Kauf oder Anmietung durch das eigene Unternehmen
  • Finanzierung der Immobilie: Durch eigene Mittel oder externen Investor
  • Betrieb der Immobilie: in Eigenbetrieb oder durch einen Dienstleister

Da ein möglicher Neubau einer Immo­bilie lange Vorlaufzeiten erfordert, ist es sinnvoll, Ausschreibungsprozesse früh zu starten, um diese Option bei Bedarf auch realisieren zu können.

Bündelung der Lager und Transporte

Im Regelfall können die Anbieter von Lagerdienstleistungen auch Transporte anbieten. Daher kann es sinnvoll sein, die Ausschreibung der Lagerdienstleistungen mit der Ausschreibung von Transportdienstleistungen zu verknüpfen. Auf diese Weise erhöht sich nicht nur das Ausschreibungsvolumen deutlich, wodurch höhere Rabatte erzielt werden können. Eine gemeinsame Vergabe von Lager- und Transportdienstleistungen an einen Dienstleister hätte auch den Vorteil, dass die operativen Abläufe bei der Auftragssteuerung und beim Ent- und Beladen aus einer Hand realisierten werden, sodass Schnittstellen reduziert und Prozesse effizienter gestaltet werden können Eben­so sind im Schadenfall die Verantwortlichkeiten klar, gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Lager- und Transportdienstleister entfallen.

Aufgrund der hohen Wechselkosten im Lagerbereich sind die Vertragslaufzeiten hier meistens wesentlich länger als im Transportbereich, in dem es darüber hinaus erforderlich ist, auch kurzfristig auf Marktänderungen zu reagieren. Bei einer gemeinsamen Vergabe von Lager- und Transportdienstleistungen kann dies zum Beispiel über einen länger laufenden Lagervertrag und einen kürzer laufenden Transportvertrag dargestellt werden, für den dann aber eine Verlängerungsoption für das vergebende Unternehmen besteht, sodass erst bei Aus­laufen des Lagerpakets auch die Transportverträge enden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass bei der nächsten Ausschreibung wieder das gesamte Volumen zur Verfügung steht.

Erstellen einer detaillierten Baseline

Zur Bewertung der Angebote entsprechender Dienstleister ist eine Vergleichsgrundlage (die sogenannte Baseline) unumgänglich. Hier­zu werden typischerweise die letzten zwölf Monate vor Beginn der Ausschreibung herangezogen. Für diesen Zeitraum sind dann die Mengengerüste und die ent­standenen Kosten aufzubereiten. Da die Daten in der erforderlichen Form im Controlling häufig nicht vorliegen, ist es in einigen Fällen erforderlich, den Bestandsdienstleister um eine elektronische Auswertung aller abgerechneten Leistungen zu bitten. 

Diese Daten sollten im Anschluss mit den tatsächlichen Rechnungsdaten ab­geglichen werden. Es muss darauf ge­achtet werden, dass alle vom Dienstleister erbrachten Leistungen in der Baseline enthalten sind, also neben den reinen Lagerdienstleistungen wie Ein-/Auslagern, Lagern oder Picken auch Value Added Services wie Displaybau oder Regiearbeiten wie Umpalettieren, Retourenaufarbeitung oder Verpacken. So wird sichergestellt, dass alle von einem Dienstleister zu erbringenden Leistungen auch Teil der Ausschreibung werden. Durch den Einbezug von Value Added Services oder Regiearbeiten erhöht sich auch das Ausschreibungsvolumen teilweise erheblich, sodass die ausgeschriebenen Pakete für alternative Lagerdienstleister interessanter werden.

Akribische Aufarbeitung der Anforderungen

Damit ein alternativer Dienstleister ein glaubwürdiges Angebot abgeben kann, ist es erforderlich, ihn auf den gleichen Informationsstand wie den Bestandsdienstleister zu bringen. Daher sind neben dem quantitativen Mengengerüst auch die qualitativen Anforderungen an die Lagerabläufe akribisch zu beschreiben. Durch diese umfangreiche Beschreibung, die bei der ersten Erstellung einiges an Aufwand erfordert, wird alternativen Dienstleistern signalisiert, dass die Ausschreibung ernst gemeint ist und nicht nur pro forma erfolgt. Den Bestandsdienstleistern wird verdeutlicht, dass mit ernst zu nehmendem Wettbewerb zu rechnen ist. Beispielhaft sind folgende Punkte zu beschreiben:

  • Detaillierte Beschreibung der einzelnen Prozessschritte (Wareneingang, Lagerung, Kommissionierung, Warenausgang et cetera), inkl. anzuwendender Formulare
  • Anforderungen an die Lager-IT, inkl. Statusmeldungen, Reports und bereitzustellender Schnittstellen
  • Prozess der Palettentauschvorgänge
  • Gemeinsame Lagerung mit anderen Produkten inkl. Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsvorgaben
  • Rückverfolgungsthemen und Steuerung von Haltbarkeiten
  • Einzuhaltende Verbrauchsfolgeverfahren (zum Beispiel FIFO – First-In-First-Out)
  • Geschäftszeiten und Deadlines für
  • Auftragsbearbeitungen
  • u. v. m.

Mit dieser akribischen Aufarbeitung wird schon der Grundstein für den abzuschlies­senden Lagerdienstleistungsvertrag gelegt. Ausserdem kann bei zukünftigen Ausschreibungen auf diese Grundlage zurückgegriffen werden.

Hineinversetzen in die Lage des Dienstleisters

Es sollte bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und der Preisblätter auch einmal die Perspektive eines Dienstleisters eingenommen werden. Ein Dienst­leister wird grundsätzlich versuchen, auf ihn zukommende Risiken zu begrenzen oder preisseitig zu berücksich­tigen. Je mehr Risiken ihm genommen werden, desto besser kann seine Preisgestaltung sein. Risiken können sich zum einen aus unpräzisen oder unvollständigen Ablaufbeschreibungen ergeben, die für den Dienstleister einen zusätzlichen Aufwand bedeuten. 

Andererseits können sich aber auch Mengen- und Strukturdaten so verändern, dass für den Dienstleister Nachteile entstehen. Diesen kann über eine entsprechende Preisstruktur entgegengewirkt werden. So kann zum Beispiel
in der Ausschreibung ein pauschaler Satz für einen Pick abgefragt werden, was bei sich ändernden Mengenstruk­turen (zum Beispiel Picks pro Auftragsposition oder pro Auftrag) zu einem Nachteil führen kann. 

Bei einer Dekomposition des Preises pro Pick in einen Preis pro zu pickenden Auftrag, einen Preis pro Auftragsposition und einen Preis pro Mengeneinheit wird dieses Risiko für den Dienstleister deutlich reduziert, sodass insgesamt eine bessere Preisstellung möglich wird.

Detaillierte Validierung der Angebote

Auch wenn die eingegangenen Angebote vordergründig leicht zu vergleichen sind, steckt doch der Teufel im Detail. Es sollte zunächst telefonisch und dann auch im Rahmen der Verhandlungen geprüft werden, ob alle Prozessbeschreibungen von den Dienstleistern vollständig verstanden wurden und alle erfoderlichen Leistungen in den abgegebenen Preisen enthalten sind. Zudem sollten auch in der Vergangenheit auf­getretene Spezialfälle rekonstruiert werden und Dienstleister befragt werden, wie diese abgerechnet werden würden. Diese Übung verhindert Zusatzkosten, die erst nach Abschluss von Verträgen auffallen und in die Abrechnungen integriert werden. 

Den Vertrag vom Ende her überdenken

Da sowohl in der Ausschreibungsphase viel Vorlaufzeit benötigt wird, um wie oben beschrieben einerseits alle Immo­bilien­optionen prüfen zu können und ande­rerseits ein eventueller Dienstleisterwechsel viel Zeit in Anspruch nimmt, sollte sich dieser Zeitbedarf in entsprechend längeren Kündigungsfristen widerspiegeln. Es sollte immer damit gerechnet werden, dass auch ein Bestandsdienstleister eine Kündigung aussprechen kann, sodass bei längeren Kündigungsfristen noch ausreichend Handlungsspiel­raum für alle möglichen Optionen zur Verfügung steht.

Unterstützung von einem Fachanwalt

Ein mehrjähriger Lagerdienstleistungsvertrag, der ein erhebliches Kostenvo­lumen umfasst und von dem die Aus­lieferung der Produkte abhängt, sollte immer unter Einbindung eines Fachanwalts für logistische Rechtsfragen verhandelt werden. Zur Sicherstellung der «Waffengleichheit» sollte professionelle Unterstützung herangezogen werden, da die Verhandlungspartner als Lagerdienst­­leister bestens mit den zu verhandelnden Themen vertraut sind. Speziell Haftungsfragen wie der Umgang mit Ver­zö­ger­ungsschäden, Warenschäden, Vermögensschäden et cetera oder Versi­cherungsfragen werden schnell komplex und für Laien nur noch schwerlich vollständig durchschaubar. 

Planung mit langer Vorlaufzeit

Im Regelfall ist mit der Aufschaltung des neuen Lagerdienstleisters ein Umzug des Lagers verbunden, da die meisten Dienstleister in eigenen Immobilien operieren. Für diesen Umzug sind längere Vorlaufzeiten einzuplanen, die bis zu sechs Monate umfassen können, und zwar aus mehreren Gründen:

  • Um den Lagerbetrieb am neuen Standort operativ starten zu können, ist die  Inbetriebnahme von IT-Schnittstellen erforderlich, um zum Beispiel Avis- und Auftragsdaten an den Dienstleister zu überspielen und um die aus­gelieferten Mengen oder die Lagerbestände an den Auftraggeber zurückzumelden. Für die Erstellung und Abstimmung sowie das umfassende Testen dieser Schnittstellen ist ausreichend Zeit vorzusehen, da bei einem Nichtfunk­tionieren der Schnittstellen die Aus­lieferung und somit die Faktura des Auftraggebers gefährdet sind. Zusätzlich sind im IT-System des Dienstleisters die Stammdaten seiner Artikel anzulegen.
  • Des Weiteren ist es sinnvoll, schon vor dem Echtstart des Lagerbetriebs einen Warenvorrat im neuen Lager aufzubauen und das alte Lager nur noch reduziert mit Fertigwaren aus der Produktion zu versorgen. Auf diese Weise wird das Volumen reduziert, das physisch am Umzugstag vom alten zum neuen Standort transportiert werden muss.
  • Letztendlich ist es für den Auftraggeber essenziell, dass das neue Lager von Tag 1 an vollumfänglich die erforderlichen Prozesse erbringt und mit Fertigwaren adäquat umgeht. Dazu müssen die Lagermitarbeiter am neuen Standort mit dem Umgang ihrer Produkte vertraut gemacht und sensibilisiert werden.

Fazit

Durch einen strukturierten Ausschreibungsprozess der externen Lagerdienstleistungen wird sichergestellt, dass eine häufig signifikante Kostenposition im Unternehmen zu marktgerechten Preisen durchgeführt wird. In diesem Prozess sind qualitative Anforderungen umfassend zu beschreiben und bei alternativen Dienstleistern abzuprüfen, da ein Dienstleisterwechsel, insbesondere bei Fertigwaren, eine «Operation am offenen Herzen» ist, die die Auslieferung von Produkten gefährden kann. Zudem sind hierbei lange Vorlaufzeiten einzuplanen.

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