Finanzen & Vorsorge

Krankenversicherungen: Anspruch und Leistung (Teil 2 von 5)

Wenn Mitarbeiter auf unbestimmte Zeit ausfallen

Erliegt ein Mitarbeitender einer chronischen Krankheit, ist das nicht nur für ihn sehr belastend, sondern auch für den Arbeitgeber. Die Folgen reichen für beide Seiten weit. Daher ist eine umfassende Prävention sinnvoll. Viele Versicherer bieten Unterstützung.
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Ein kleines und mittleres Unternehmen kann schnell einmal ins Schleudern geraten, wenn ein Mitarbeitender erkrankt und arbeitsunfähig wird. Ein paar Tage kann der Betrieb den Ausfall meist irgendwie überbrücken, werden jedoch ein paar Wochen daraus, wird es schwierig für das Unternehmen. Dann können Aufträge unter Umständen nicht mehr termingerecht erledigt oder neue Aufträge aufgrund mangelnder Ressourcen erst gar nicht angenommen werden.

Problem chronische Krankheit

Der schlimmste Fall jedoch ist ein Arbeitsausfall aufgrund einer chronischen Erkrankung. Genau diese Fälle häufen sich aber seit einigen Jahren und werden aller Voraussicht nach in Zukunft weiter zunehmen. Für die Schweiz stellen chronische, nicht übertragbare Krankheiten ein zentrales Problem dar: Gemäss einer Er-hebung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verursachen sie bereits heute knapp 90 Prozent der Krankheitslast, Tendenz steigend. Insgesamt werden 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz gegenwärtig wegen Rheuma, Diabetes, Krebs oder einer anderen chronischen Erkrankung behandelt.

Immer häufiger sind aber auch psychische Erkrankungen die Ursache für einen dauerhaften Arbeitsausfall. Für die Betroffenen beginnt mit der Diagnose eines chronischen Leidens häufig eine gesundheitliche, seelische und finanzielle Abwärtsspirale. Doch auch für den Arbeitgeber stellen dauerhaft kranke Mitarbeiter eine finanzielle Belastung dar, zahlen doch die meisten KMU die Lohnfortzahlung für ihre arbeitsunfähigen Mitarbeitenden in den ersten Wochen aus eigener Tasche.

Das Krankentaggeld

Theoretisch steht es zwar jedem Unternehmen frei, eine kollektive Krankentaggeldversicherung abzuschliessen, die bereits in den ersten Tagen der Arbeitsunfähigkeit einspringt, allerdings sind die Prämien für eine solche Deckung recht üppig, sodass die meisten Firmen die Lohnfortzahlung für die ersten zwei, drei oder vier Wochen selbst tragen.  Denn der Arbeitgeber ist von Gesetzes wegen verpflichtet, seinem Mitarbeitenden bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Lohn weiter zu zahlen.

Sofern das Arbeitsverhältnis länger als drei Monate besteht, muss er den Lohn im ersten Jahr für drei Wochen ausrichten und nachher für eine «angemessen lange Zeit», die kantonal unterschiedlich definiert wird. Auf dem Arbeitsmarkt ist jedoch üblich, maximal 720 Tage bis zum spätesten Einsetzen allfälliger Leistungen der IV zu entrichten.

Gegen dieses finanzielle Risiko der Lohnfortzahlung kann oder, falls ein entsprechender Gesamtarbeitsvertrag vorliegt, muss der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung mit einer Krankenkasse oder einer Versicherungsgesellschaft abschliessen. Ein solcher Vertrag unterliegt dem Versicherungsvertragsrecht, sodass Umfang und Leistung weitgehend autonom zwischen den Vertragsparteien festgelegt werden können.

Dementsprechend unterschiedlich sind die Leistungskataloge und die Prämiengestaltung der Anbieter. Ein Vergleich der verschiedenen Angebote im Bereich der kollektiven Krankentaggeldversicherung und ein Wechsel zu einem anderen Versicherer kann sich durchaus lohnen. Allerdings sollte ein Wechsel nicht unbedacht geschehen, da die Versicherer auch Vorbehalte geltend machen können, beispielsweise wenn in einem Betrieb in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele Ausfälle aufgetreten sind oder das Unternehmen einer Branche mit hohen Risiken angehört, wie der Baubranche oder dem Gastgewerbe.

Eingeschränktes Pensum

Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Krankentaggeldversicherung die Lohnfortzahlung für den erkrankten Mitarbeitenden übernimmt, ist der Arbeitgeber aus der Pflicht zur Lohnfortzahlung entlassen. Damit enden die Probleme jedoch nicht, da er nun vor der Frage steht, ob und wann und wenn ja zu welchem Pensum der Mitarbeitende wieder in den Betrieb einsteigen kann. Kehrt der Mitarbeitende mit einem eingeschränkten Pensum an den Arbeitsplatz zurück, zahlt die Invalidenversicherung normalerweise einen Lohnzuschuss.

Dennoch kann es gerade für ein KMU zu einer starken Belastung werden, wenn der Mitarbeitende, der vorher vielleicht einer der besten Mechaniker war sowie zu 100 Prozent gearbeitet hat, dann nur noch zu 50 Prozent einsatzfähig ist.

In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber unter Umständen sogar gezwungen, eine zweite Arbeitskraft einzustellen, was wiederum einen grossen administrativen Aufwand sowohl für den Prozess der Stellenbesetzung als auch für die Einarbeitung bedeutet. Und auch für den chronisch erkrankten Mitarbeiter, der nur noch zu 50 Prozent einsatzfähig ist, bedeutet die neue Situation eine Belastung. Nicht nur, dass er mit dem Stigma und der Belastung einer chronischen Erkrankung leben muss, zusätzlich muss er auch finanzielle Einbus­sen hinnehmen, da die IV-Rente und sein gemindertes Salär keinesfalls ein früheres Einkommensniveau erreichen.

Eine chronische Erkrankung führt für den Einzelnen zu Einkommenseinbussen und zudem verursachten sie sehr hohe Kosten für das Gesundheitswesen. Gemäss dem nationalen Gesundheitsbericht beliefen sich diese im Jahr 2011 auf mehr als 50 Milliarden Franken. Darin sind die indirekten Kosten nicht eingerechnet, da sie noch nicht genau beziffert werden können. Schätzungen belaufen sich auf weitere 30 bis 40 Milli­arden Franken, welche durch Erwerbsunterbrüche, Frühpensionierungen und auch durch die informelle Pflege durch Angehörige bedingt sind.

Besonders hohe Kosten entstehen dabei durch psychische Erkrankungen, da diese im Vergleich zu physischen Krankheiten tendenziell jüngere Personen betreffen und daher die Erwerbstätigkeit über einen längeren Zeitraum beeinträchtigen. Bereits heute wird die Hälfte aller Invalidenfälle aufgrund von psychischen Erkrankungen wie Burnouts oder Depressionen gesprochen. Aus Arbeitgebersicht sind solche Erkrankungen besonders problematisch, da sie oft monatelang andauern und es selten absehbar ist, ob der betroffene Mitarbeiter wieder voll einsatzfähig an den Arbeitsplatz zurückkehren kann und wie hoch dann die Gefahr eines erneuten Rückfalls ist.

Besser vorbeugen

Viele chronisch Kranke scheuen sich davor, dem Arbeitgeber ihre Krankheit offenzulegen, weil sie fürchten, auf einer schwarzen Liste zu landen sowie den Arbeitsplatz zu verlieren. Daher beissen viele Arbeitnehmer so lange wie möglich die Zähne zusammen. Aus medizinischer Sicht ist das aber meist der falsche Weg, da viele chronische Leiden besser in den Griff zu bekommen sind, je früher sie erkannt und therapiert werden. Und auch aus betrieblicher Sicht ist das der falsche Weg.

Denn wenn der Arbeitgeber frühzeitig in die Problematik involviert wird, kann auch er bessere Lösungen für den Mitarbeiter und für den Betrieb suchen, zum Beispiel mithilfe der Versicherungsgesellschaft, die das Krankentaggeld ausrichtet. Heutzutage bieten viele Versicherer den Arbeit­gebern im Rahmen eines Case- oder Care-Managements eine Hilfestellung. Sie coachen beispielsweise die erkrankten Mitarbeitenden und unterstützen diese bei der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz.

Wie weit diese Service-Dienstleistungen der Versicherer reichen, ist je nach Anbieter unterschiedlich – auch hier lohnt sich ein Vergleich. Ebenso bieten viele Versicherer im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements auch umfassende präventive Unterstützung. Sie beraten und schulen Unternehmensleitung und Mitarbeitende darin, auf frühe Anzeichen einer möglichen Erkrankung zu reagieren, und helfen Unternehmen dabei, ein offenes Betriebsklima zu schaffen, in dem die Gesundheit der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle spielt, Krankheiten nicht stigmatisiert, sondern frühzeitig angesprochen werden und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird – am besten bevor sich ein Leiden zu einer unheilbaren chronischen Erkrankung auswächst.

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