Finanzen & Vorsorge

Mergers & Acquisitions

Welche Rolle der Verwaltungsrat spielt

Die Übernahme eines anderen Unternehmens oder Geschäftsbereichs stellt Verwaltungsrat wie Geschäftsleitung vor Herausforderungen. Auch wenn der Verwaltungsrat selbst nicht in die operativen Details involviert ist, muss er sicherstellen, dass er alle wesentlichen Chancen und Risiken im Blick hat und der Sorgfaltspflicht nachkommt.
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Die folgende Abhandlung basiert auf  der praktischen Erfahrung des Autors (vier Fusionen, sieben Firmenkäufe, zwei Firmenverkäufe, ein Asset-Deal) und richtet sich primär an Verwaltungsräte, welche zum ersten Mal mit dem Thema Mergers & Acquisitions (M&A) konfrontiert werden. Der Fokus liegt dabei auf nicht kotierten KMU.

Überblick

Aus der Strategie, für welche primär der Verwaltungsrat verantwortlich ist, entsteht die Idee einer Unternehmenstransaktion (Nachfolgeregelung, anorganisches Wachstum, Gebietserweiterung, Produkterweiterung, Diversifikation, Abstossen unrentabler Teile, Carve-out, Opportunität, Konsolidierung, Fokussierung, Know-how et cetera). Während des ganzen M&A-Prozesses soll der Verwaltungsrat (VR) integriert sein, wobei die Tiefe seiner Involvierung gegen Ende des Prozesses tendenziell zunimmt.

In kleineren Unternehmen ist der VR oft sogar im «driving seat». Es empfiehlt sich, dass der VR eine kritische Haltung einnimmt und neben den Chancen auch die Risiken betrachtet. Wird zum Beispiel eine Akquisition durch den CEO getrieben, dann ist dieser oft mit der «rosaroten Brille» unterwegs und möchte den Deal eventuell um fast jeden Preis (weil er zum Beispiel einen zusätzlichen Bonus dafür erhält).

Je nach Komplexität der Transaktion ist zu überlegen, ob externe Spezialisten beigezogen werden sollen. Diese kommen vor allem für die «due diligence», Bewertung und Vertragsgestaltung zum Einsatz. Gefragt sind hier unter anderem Juristen und Treuhänder, allenfalls spezifische Experten (zum Beispiel für Be­urteilung von Software, Patenten, Steuern, Investmentbanker etc.).

Der M&A-Prozess lässt sich grob folgen­dermassen beschreiben, wobei unter anderem die Schritte 2, 3 und 4 auch in anderer Reihenfolge praktiziert werden können:

  1. Suche und Erstbeurteilung / Absichtserklärung (LOI) / Strukturierung (deal search)
  2. Evaluation und sorgfältige Prüfung (due diligence)
  3. Bewertung, Preisbestimmung und -modell / Finanzierung
  4. Vertragsverhandlung und -gestaltung (deal negotiation, contract)
  5. Transaktion (signing, closing)
  6. Integration und Überwachung (post-merger integration and monitoring)

Der Prozess von der Erstbeurteilung bis und mit «closing» dauert im KMU-Umfeld gut und gerne etwa 6 bis 18 Monate, was für den Verwaltungsrat eine intensivere Belastung als üblich bedeutet. Im Folgenden soll auf die einzelnen Schritte eingegangen werden und Checklisten sollen als komprimierte «takeaways» dienen.

Suche und Erstbeurteilung

An ein konkretes Objekt gelangt man auf verschiedene Art und Weise, zum Beispiel im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem «Target», Direktansprache (oft mit dem Ziel einer bilateralen bzw. exklusiven Verhandlung) oder einer (öffentlichen) Auktion, in welcher mehrere potenzielle Interessenten mitbieten werden. Für die Objektsuche im KMU- Umfeld existieren verschiedene Online (zum Beispiel Internetmarktplatz für Unternehmensnachfolgen)- und Offline (zum Beispiel Branchenzeitschrift, Unternehmernetzwerk einer Bank)-Plattformen.

Zudem gibt es zum Beispiel Treuhandbüros, welche sich auf M&A-Transaktionen spezialisiert haben – die Pflege des Netzwerkes (zum Beispiel Konferenzen, Branchenverbände) und die generelle Interessensbekundung im persönlichen Umfeld kann hier hilfreich sein. Wieso auch nicht Social Media verwenden und konkret formulieren («posten»), dass man auf der Suche nach einer Firma zur Übernahme oder Nachfolgeregelung ist?

Ist ein (oder sind mehrere) Objekte gefunden, ist eine Erstbeurteilung durch­zuführen. Passt dies in unsere Strategie? Sind ähnliche Unternehmenskulturen vorhanden? Welchen Ruf hat das Objekt? Passt mir das Gegenüber (Verkäufer, Investor)? Was sagt mein Bauch? Stichwort Synergien: diese sind oft sehr schwer zu beziffern und nach dem Deal zu kontrollieren. Wie wird die Transaktion beurteilt, wenn die Synergien ausgeblendet werden?

Absichtserklärung

Oft lässt sich mit dem Gegenüber nach einer schriftlichen Geheimhaltungserklärung (NDA, non-disclosure agreement) inklusive Nicht-Abwerbeklausel von Mitarbeitern eine Absichtserklärung (LOI, letter of intent) unterzeichnen, in welcher sich die groben Züge des «Deals» zum Beispiel inklusive einer ersten «Schuhnummer» des Preises festhalten lassen. Wenn möglich ist eine Exklusivität für eine gewisse Zeitspanne auszuhandeln. Oft Bestandteil des LOI ist eine Regelung darüber, welche Partei welche Kosten trägt und was die Konsequenzen bei einem Verhandlungsabbruch sind (zum Beispiel Strafzahlung). Ein Zeitplan und der Ablauf der DD (due diligence) sind ebenfalls zu definieren.

Strukturierung

Parallel dazu hat sich der Verwaltungsrat im Klaren zu sein, wie der Deal strukturiert wird. Zum Beispiel in einer Firmengruppe oder Holding: wer übernimmt? Wird ein Asset-Deal bevorzugt (zum Beispiel weil in der gesamten AG zu viele Risiken vorhanden sind oder man bewusst nur gewisse Teile herauslösen möchte) oder werden die Aktien und somit das Unternehmen als Ganzes erworben (100 Prozent des AK, Mehrheit – und welche 50 Prozent +1 oder zwei Drittel?, Mit­arbeiterbeteiligung?)? Weiter sollten die Grundzüge der Finanzierung geklärt werden (eigene freie Mittel, Kapitalerhöhung, Co-Investor, Fremdfinanzierung etc.).

Evaluation und Prüfung

Im Rahmen der Evaluation geht es darum, den Wissensstand abzugleichen und Informationsasymmetrien möglichst zu reduzieren. Lücken zur umfassenden Beurteilung einer möglichen Transaktion sind so gut wie realisierbar zu schliessen. In der sorgfältigen Prüfung (DD, due diligence) sind Risiken zu identifizieren und möglichst zu quantifizieren (allfälliger Einfluss auf den Transaktionspreis) und /oder zu reduzieren. Die Due Diligence liefert unter anderem wichtigen Input für den Bereich Gewährleistungen des Kaufvertrages (zum Beispiel Ausgang / Kosten eines laufenden Rechtsverfahrens auf Gegenpartei abwälzen).

Abbildung 1 soll helfen, die relevanten Punkte zu durchleuchten, und kann als Grobstruktur für einen DD-Bericht dienen (kann /soll beliebig ergänzt werden).

Bewertung

Die Due Diligence liefert wichtigen In­put für die Unternehmensbewertung und schlussendlich die Preisbestimmung. Eine Rolle spielen auch der Transaktionsmarkt sowie der Wirtschaftszyklus – in einer Hausse sind die Preise eher hoch, in der Baisse dafür günstiger. Der momentan herrschende Anlagenotstand (Ne­gativzinsen) treibt die Preise zusätzlich in die Höhe. Immer mehr Anlagekapital fliesst zudem den Private-Equity-Häusern zu, welche in der Folge wiederum nach geeigneten Kaufobjekten Ausschau halten und vermehrt in KMU investieren.

Die Unternehmensbewertung ist ein Kapitel für sich und kann hier nur kurz angesprochen werden. Es existieren verschiedene Modelle zur Wertbestimmung, unter anderem DCF-Methode (discounted cash flow), Multiples (von Umsatz, Ebitda u. a.), Benchmarking mit ähnlichen Unternehmen oder vergleichbaren Transaktionen, Kapitalkosten (WACC, weighted average cost of capital) sowie die adjustierte Buchwertbestimmung.

Im Schweizer KMU-Umfeld kommt oft die «Praktikermethode», oder auch Mittelwertmethode genannt, zum Einsatz, welche unter anderem zur Steuerwert­bestimmung Anwendung findet (2 × Ertragswert + 1 × Substanzwert, 2 × aktuel­les Jahr + 1 × VJ). Für Multiples (welche gerne ­von Private-Equity-Gesellschaften angewendet werden) existieren gut zugängliche Tabellen mit üblichen Branchenwerten.

Preisbestimmung und -modell

In der Praxis zeigt sich, dass für die Bestimmung des Unternehmenswertes am besten mehrere Methoden («football field») mit entsprechenden Bandbreiten kombiniert werden und man dann mit konkreten Vorstellungen (als Käufer so zum Beispiel mit dem Ansatz der tiefsten gemeinsamen Bewertung aller Modelle) in Verhandlungen mit der anderen Partei tritt. Hilfreich ist, wenn man sich für die Verhandlung folgendes Motto verinnerlicht: «wir können /wollen, müssen aber nicht».

Finanzierung               

Zu bestimmen ist zudem das Zahlungsmodell, welches oft einen Fixpreis sowie variable Komponenten beinhaltet. Der variable Teil wird üblicherweise erst über die Zeit und ziel- beziehungsweise erfolgsabhängig vergütet («earn-out»). In meiner Praxis habe ich positive Erfahrung mit wie in Abbildung 2 dargestelltem oder ähn­lichem Modell gemacht. Intern ist die Finanzierung sicherzustellen, das heisst, unter anderem auch die Liquidität für die vereinbarten Zahlungstermine muss zur Verfügung stehen. Die Gelder können zum Beispiel über freie Mittel, eine Kapital­erhöhung, Holdingdarlehen oder Fremdkapital (Bankkredit) finanziert werden. Wieso nicht auch eine neue Finanzierungsform wie Crowdlending via Internet-Plattform prüfen? Bei nicht kotierten KMU ist die Finanzierung über einen Aktientausch oder Obligationen eher selten.

Der Transaktionsvertrag

Im Folgenden ist der Transaktionsvertrag zu erstellen. Es empfiehlt sich, wenn möglich, die Vertragserstellung selbst zu übernehmen und nicht der anderen Partei zu überlassen (das ist wie beim Protokollieren: wer schreibt, der führt). Abbildung 3 dient als mögliches Gerüst für die Ausformulierung eines Aktienkaufvertrages.

Parallel zum Transaktionsvertrag sind eventuell weitere Verträge, zum Beispiel mit den Geldgebern (finanzierende Bank, Erhöhung Hypothek, Holding-Darlehen etc.), zu verhandeln und zu unterzeichnen.

Die Transaktion

Haben sich die Parteien auf einen Vertragstext geeinigt, kommt es zur Unterzeichnung des Transaktionsvertrages (signing). Im Vertrag sind die Vollzugshandlungen und -bedingungen festgehalten. Je nach Komplexität der Transaktion kann das «closing» mit dem «signing» (kleine, simple Firma) zusammenfallen oder es können mehrere Monate dazwischenliegen (zum Beispiel bei einer notwendigen Zustimmung der Wettbewerbsbehörde).

Zur Vollzugshandlung gehört oft das so­fortige Abhalten einer ausserordentlichen Generalversammlung (a.o. GV) für zum Beispiel die Bestimmung des neuen Verwaltungsrates und die Entlastung des bisherigen VR. Sollen die Statuten angepasst werden, ist zwingend ein Notar beizuziehen. Der ausserordentlichen Generalversammlung folgt oft eine erste Verwaltungsratssitzung in der neuen Konstel­lation, zum Beispiel um die Zeichnungsberechtigungen zu definieren oder das Geschäftsjahr mit dem der Mutter­gesellschaft zu synchronisieren.

Parallel dazu ist zwingend die Kommunikation sauber vorzubereiten – und zwar die interne (Mitarbeiter) sowie externe (Kunden, eventuell Presse etc.). Solche Transaktionen führen oft zu Unsicherheiten und komischen Gefühlen bei zum Beispiel Mitarbeitern und Kunden. Die Stake­holder mit einer vertrauenswürdigen und positiven «Story» ins Boot zu holen, ist essenziell.

Feste soll man feiern, wie sie fallen, besagt ein Sprichwort. Für einen gelungenen Deal gilt dies ebenfalls. Nach einer Firmenübernahme ist zudem ein spezieller Willkommensanlass und /oder ein kleines Willkommenspräsent für die neuen Kollegen ins Auge zu fassen. Wie bereits erwähnt: Wir müssen die «Neuen» für uns begeistern und gewinnen, nur so stellt sich nachhaltig Erfolg ein. Mit einer positiven Grundstimmung legen wir hoffentlich das Fundament für eine gute und möglichst reibungslose Integration.

Integration und Überwachung

Der erfolgreichen Integration ist mindestens so viel Gewicht zu geben wie der ganzen Transaktionsarbeit zuvor. Es nützt nichts, wenn einem kurz nach der Transaktion die Mitarbeiter davonlaufen oder die Kunden zur Konkurrenz gelockt werden. Es ist speziell auch darauf zu achten, die Stakeholder nicht zu überfordern. Jetzt braucht es gute «soft skills», Taktgefühl, Menschenverstand und Projektleitungserfahrung. Für die einzelnen

Integrationsarbeiten benötigt es klare Verantwortlichkeiten und die Gesamtleitung sollte möglichst weit oben in der operativen Organisation angesiedelt werden. Es empfiehlt sich die Erstellung einer Integrations-Checkliste, welche dem Monitoring und Controlling dienen kann. Der Verwaltungsrat soll sich regelmässig Rechenschaft über den Integrationsprozess geben lassen und nötigenfalls Gegensteuer geben.

M&A-Projekte gehören zu den spannenden Aufgaben eines Verwaltungsrates und definitiv nicht zu den Routinetätigkeiten oder Standardtraktanden. Ob eine Transaktion erfolgreich wird, hängt primär vom Integrationsprozess ab, welcher sehr aufwendig ist und nie unterschätzt werden sollte.

Porträt