Es erklärt der Buchhalter seinem Chef, dem Unternehmer, dass er mit dem Produkt «X» keinen Gewinn mache. Der Unternehmer jedoch, der Nachfrage und seinem Marktgespür folgend, steigert den Absatz dieser Leistung und weist am Ende des Jahres einen erfreulichen Gewinn aus. Wer hat nun Recht, der Buchhalter oder der Unternehmer?
Kalkulieren wir richtig?
Die Kalkulation hatte ursprünglich den Zweck, den kostendeckenden Verkaufspreis zu ermitteln. Die Kosten dienten der Berechnung des anzubietenden Preises und dabei ging es in erster Linie um die «gerechte» Umlegung der Kostenarten über die Kostenstellen auf die Kostenträger. Daraus entstand die Zuschlagskalkulation, deren Aufgabe es war, den Vollkostenpreis festzulegen. Dies ist zwar auch heute noch so, aber die Problemstellung müsste anders formuliert werden. Im Käufermarkt, wie er heutzutage in den meisten Branchen der Normalfall ist, hat der Vollkostenpreis häufig lediglich einen informatorischen Wert. Was unser Verhalten und unsere Strategien bestimmt, ist der Marktpreis. Jedes Produkt sowie jede Dienstleistung haben auf Grund des Nutzens für den Käufer einen Wert, den wir als Marktwert bezeichnen. Es ist der Preis, den die Kundschaft in einem bestimmten Marktsegment für die angebotene Leistung – unter Berücksichtigung zeitlicher, qualitativer, quantitativer und psychologischer Aspekte – zu zahlen bereit ist.
Kalkulation schafft Klarheit
In einer solchen Situation ist es eine erweiterte und erstrangige Aufgabe der Kalkulation, Informationen zur Verfügung zu stellen, mit denen sich die Unternehmerschaft Klarheit über die folgenden Punkte verschaffen kann:
- Können wir zu diesem Marktpreis anbieten? Welche Konsequenzen hat dies?
- Zu welchen Schlussfolgerungen führen diese Erkenntnisse?
- Was muss getan werden, um in diesem Markt zu bestehen? (bezüglich der Sortiments- und Investitionspolitik, der Unternehmensgrösse, der Diversifikationsüberlegungen, der Make-or-buy-Erwägungen, der Standortfragen, der Ausstiegsstrategien und so weiter)
Für solche Überlegungen sind die schwerpunktmässig in der Vollkostenrechnung eingesetzten Instrumente nicht geeignet. Die Betriebswirtschaftslehre (BWL) kennt Alternativen, aber ihr Stellenwert wurde den veränderten Rahmenbedingungen der Praxis, zumindest in Bezug auf die Kleinunternehmen, nicht gebührend angepasst.
Eine Lösung stellt die Deckungsbeitragsrechnung dar. Grundsätzlich geht es darum, dass wir mit einer Leistung beziehungsweise einem Auftrag keinen Gewinn erwirtschaften, sondern einen Deckungsbeitrag generieren. Erst die Summe aller Deckungsbeiträge einer Periode in Gegenüberstellung zu den Gemeinkosten entscheidet über Gewinn und Verlust. Diese Tatsache, die an sich nichts Neues ist, bildet die erweiterte Aufgabe der Kalkulation. Sie soll sicherstellen, dass wir die für unser Unternehmen richtig positionierten Aufträge annehmen und andererseits nicht mit den sogenannten «gewinnbringenden» Produkten Schiffbruch erleiden, weil die tatsächliche Absatzmenge den Annahmen, die der Berechnung der Zuschläge zu Grunde lagen, nicht entspricht.
Die Zuschlagskalkulation, deren Grundlagen bereits in den Anfängen der industriellen Revolution, also vor über 250 Jahren, gelegt wurden, ist auch heute noch – praktisch unverändert – gelehrte und verbreitete Kalkulationsmethode. So ist der meist verbreitete Irrtum der Betriebswirtschaftslehre (BWL) entstanden. Die Frage, warum dem so ist, ist einfach erklärbar: Die Methode ist einleuchtend und einfach. Und der Preis lässt sich durch eine einfache Kopfrechnung ermitteln.
Dem Einkaufspreis beziehungsweise den Herstellkosten werden Zuschläge für Verwaltung und Vertrieb über einen Faktor zugerechnet. Vereinfacht praktiziert wird der Einstandspreis mit einem Faktor multipliziert, die Personalkosten Produktion mit einem anderen Faktor, und durch Addition der beiden erhält man den Selbstkostenpreis, den man nach dem Zuschlag für Gewinn, Skonto und Rabatt auf den Verkaufspreis (Angebotspreis) erhält. Diese Methode hat drei grosse, unüberbrückbare Nachteile:
- Die Zuschläge werden in der Regel von den Berufsverbänden empfohlen. Es sind Durchschnittswerte der Branche, welche die Besonderheiten des eigenen Betriebes, insbesondre dessen Struktur, unberücksichtigt lassen.
- Es fehlt eine Aussage über die Grenzkosten. Diese fehlende Transparenz macht es dem Anbieter unmöglich, seine zulässige Preisuntergrenze zu kennen, um über die Annahme/Ablehnung des Auftrages zu entscheiden. Das Ergebnis ist: Bauchentscheide!
- Unsere Angebotspalette besteht aus mehreren Leistungsbereichen, die unterschiedliche Marktpreise aufweisen. Ergo müssten sich die Zuschläge für jeden Leistungsbereich voneinander unterscheiden. Diesem Umstand wird in der Regel keine systematische Beachtung geschenkt.