Finanzen & Vorsorge

Vorsorge

Wann arbeitsrechtliche Mitwirkung Vorsorgefragen beeinflusst

Ausgehend von der Frage nach Berührungspunkten zwischen Vorsorgeplanung und der innerbetrieblichen Mitwirkung beleuchtet dieser Beitrag, wann und wie die berufliche Vorsorge unter dem Einfluss solcher Mitwirkungsrechte steht.
PDF Kaufen

Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit der Frage, in welchen Bereichen es Schnittstellen zwischen der innerbetrieblichen Mitwirkung und der Vorsorgeplanung gibt. Deshalb wird in einem ersten Schritt dargelegt, wie der Gesetzgeber die innerbetriebliche Mitwirkung ausgestaltet hat. In einem zweiten Schritt zeigt der Beitrag, unter welchen Umständen derartige Mitwirkungsrechte Entscheide in Bezug auf die berufliche Vorsorge beeinflussen können.

Ausgangslage

Die innerbetriebliche Mitwirkung wird in der Schweiz in erster Linie durch die Arbeitnehmervertretung wahrgenommen. Wenn es keine solche gibt und die Mitarbeitenden deren Bestellung nicht verlangen, erfolgt sie direkt durch die Belegschaft (Art. 4 MitwG). Im Gegensatz zur Tätigkeit von Gewerkschaften, die meist betriebs- und branchenübergreifend ausgerichtet ist, vertreten die Arbeitnehmervertreter die Interessen der Arbeitnehmer eines Betriebes gegenüber der Arbeitgeberin. Die Arbeitnehmervertreter sind selbst Angestellte des betreffenden Betriebes.

Eine Pflicht zur Bestellung einer Arbeitnehmervertretung besteht nicht. Wenn mindestens ein Fünftel der Arbeitnehmenden oder in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten mindestens 100 Personen es fordern, kann eine Abstimmung darüber durchgeführt werden, ob eine Mehrheit der Beschäftigten die Bestellung der Arbeitnehmervertretung wünscht (Art. 5 MitwG). Es ist heute anerkannt, dass diese Abstimmung auch auf Wunsch der Arbeitgeberin durchgeführt werden kann.

Die Mitwirkung im Betrieb kann je nach gesetzlichen Vorgaben unterschiedliche Intensität annehmen. Sie kann in einem reinen Recht auf Information der Arbeitnehmervertretung bestehen. Möglich ist auch ein Konsultationsrecht, also das Recht, selbst Ansichten und Vorschläge zu Leitungsentscheiden einzubringen, welches jedoch noch keinen Anspruch auf Berücksichtigung gibt. Das Mitbestimmungsrecht beinhaltet als intensivste Stufe die Möglichkeit, aktiv Entscheide der Leitung zu beeinflussen, indem die Einwilligung der Arbeitnehmervertretung zwingend verlangt wird. Die wirksamste Art der Mitwirkung der Arbeitnehmervertretung wäre die zwingende Einbindung von Arbeitnehmervertretern in Leitungsorganen der Unternehmung.

Mitwirkungsrechte

Die Wahl, Arbeitsweise und Art der Mitwirkungsrechte sind im Mitwirkungs­gesetz (MitwG) als Rahmengesetz geregelt. Der Arbeitnehmervertretung steht ein Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Information über alle Angelegenheiten zu, die nötig sind, damit die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgaben korrekt ausführen kann (Art. 9 Abs. 1 MitwG). Die Arbeitgeberin muss die Arbeitnehmervertretung zumindest einmal jährlich über die Auswirkungen des Geschäftsgangs auf die Beschäftigung und die Beschäftigten informieren (Art. 9 MitwG). Zudem kommen der Arbeitnehmer­­ver­tretung gestützt auf Art. 10 MitwG in Verbindung mit den Bestimmungen im jeweiligen Gesetz besondere Mitwirkungsrechte zu. So ist beispielsweise beim Betriebsübergang nach Art. 333 OR die Arbeitnehmervertretung zu informieren und zu konsultieren (Art. 333a OR).

Gleiches gilt bei bevorstehender Massenentlassung (Art. 335d, Art. 335f OR). Bei Fragen der Arbeitssicherheit im Sinne des Unfallgesetzes sowie bei Fragen des Arbeitnehmerschutzes im Sinne des Arbeitsgesetzes ist ebenfalls Konsultation vorgesehen. Die Arbeitnehmervertretung und die Arbeitgeberseite arbeiten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zusammen (Art. 11 Abs. 2 MitwG). Die Arbeitnehmervertretung trifft eine Verschwiegenheitspflicht (Art. 14 MitwG). Zu beachten ist, dass Gesamtarbeitsverträge spezifischere Bestimmungen zu innerbetrieblichen Mitwirkungen enthalten können.

Mitwirkungsrechte bei Pensionskassenanschluss

Gemäss Art. 10 Absatz d MitwG hat die Arbeitnehmervertretung besondere Mitwirkungsrechte, wenn es um einen Anschluss an eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge und die Auflösung eines Anschlussvertrages geht. Art. 11 BVG präzisiert diese Bestimmung. Der Arbeitgeber muss eine in das Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung errichten oder sich einer solchen anschliessen.

Verfügt der Arbeitgeber nicht bereits über eine Vorsorgeeinrichtung, so wählt er eine solche im Einverständnis mit seinem Personal oder der allfälligen Arbeitnehmervertretung (Art. 11 Abs. 2 BVG). Zudem hat die Auflösung oder der Wiederanschluss an eine neue Pensionskasse mit dem Einverständnis der Arbeitnehmervertretung oder, wenn es keine solche gibt, des Personals zu erfolgen (Art. 11 Abs. 3bis BVG). Daraus ergibt sich, dass beim Anschluss, der Kündigung des Anschlusses und beim Wiederanschluss die Mitwirkung der innerbetrieblichen Arbeitnehmervertretung in der Form der Mitbestimmung vorgesehen ist.

Die Arbeitnehmervertretung im Betrieb ist somit über die genannten Vorgänge zu informieren. Es genügt jedoch nicht, dass sie dazu bloss ihre Meinung abgeben darf und allenfalls eine diesbezügliche An­hörung stattfindet. Vielmehr hat die von der Arbeitnehmerschaft gewählte Arbeitnehmervertretung in dieser Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht. Eine bloss stillschweigende Zustimmung genügt nicht. Ohne ausdrückliches Einverständnis der Arbeitnehmervertretung dürfte ein Anschluss an eine Pensionskasse gar nicht stattfinden. Dies wird durch Art. 11 Abs. 3ter BVG verdeutlicht, welcher vorsieht, dass ein neutrales Schiedsgericht entscheidet, wenn zwischen Arbeitge­berin und Arbeitnehmervertretung in den genannten Punkten keine Einigung zustande kommt. Gestützt auf das Gesetz stünde der Arbeitnehmervertretung damit ein regelrechtes Vetorecht zu, was in der Praxis oft vergessen wird.

Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, ob und welche Konsequenzen eine Nichtbeachtung dieser Vorschriften hat. Denkbar wären Schadenersatzansprüche der Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeberin, falls bei der Auswahl der Pensionskasse oder deren Verlassen den Arbeitnehmern ein Schaden entstünde und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen ein direkter Zusammenhang zwischen Nichtbeachtung der Vorgaben und der Arbeitgeberin gegeben wäre.

Auch wenn die Pflicht zur Konsultation die Arbeitgeberin trifft, ist der Vorsorgeeinrichtung zu empfehlen, sich die Ein­haltung der Mitwirkungspflichten bestätigen zu lassen oder den Anschluss von der Zustimmung der Arbeitnehmervertretung abhängig zu machen. Zu beachten ist auch, dass sich bei Einleitung eines Schiedsverfahrens wegen Nichteinigung oder wegen Weigerung der Arbeitgeberin am Einbezug der Arbeitnehmervertretung der Neuanschluss verzögern kann.

Die beschriebene Art der Vertretung ist zu unterscheiden von der Vertretung der Arbeitnehmerschaft im obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung. Damit die Interessen sämtlicher Beteiligter bei der Entscheidfindung innerhalb der Vor-sorge­einrichtung vertreten sind, sieht Art. 51 BVG vor, dass im obersten Organ der Vorsorgeeinrichtung Vertreter der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite paritätisch vertreten sind.

Die Vorsorgeeinrichtung muss diese paritätische Vertretung sicherstellen. Sie hat auch darauf zu achten, dass innerhalb der Entsandten der Arbeitnehmerseite sämtliche Arbeitnehmerkategorien vertreten sind (Art. 51 lit. b BVG). Diese Arbeit­nehmer werden oft auch Arbeitnehmer­vertreter genannt. Oft sind auch auf Arbeitgeberseite in der Pensionskasse versicherte Arbeitnehmer auf höherer Stufe vertreten, weshalb sich im Alltag keine ständigen Differenzen ergeben.

Jedoch kann die tatsächliche Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in der Praxis schwierig werden, wenn der Arbeitgeberseite sehr nahe stehende Personen, wie beispielsweise Ehegatten, HR-Verantwortliche in leitender Position, als Vertreter der Arbeitnehmer ins Leitungsorgan entsandt werden oder der Arbeitgeber Instruktionen zur Stimmabgabe erteilt. Komplexe Fragen sollten die Arbeitnehmervertreter unter Beizug von Experten klären.

Auswirkung auf Vorsorgefragen

Wie bereits dargelegt, sieht das Obligationenrecht in Verbindung mit dem Mit­wirkungsgesetz die Mitwirkung der Ar­beitnehmervertretung in verschiedenen Bereichen vor. Gemäss Art. 333a ist die Arbeitnehmervertretung über den Grund des Betriebsübergangs sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu informieren. Wenn die Arbeit­geberin die Arbeitnehmer betreffende Massnahmen beabsichtigt, ist die Arbeitnehmervertretung zu konsultieren. Der Pensionskassenwechsel oder die Veränderung in den Konditionen sind derartige Informationen.

Ist eine Massenentlassung beabsichtigt, besteht für Unternehmen, die mindestens 250 Arbeitnehmer beschäftigen und vorhaben, gestützt auf denselben Führungsentscheid mindestens 30 Arbeitnehmer zu entlassen, die Pflicht, einen Sozialplan zu erarbeiten. Eine derartige Pflicht besteht auch in kleineren Unternehmen, wenn diese Pflicht im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen ist.

Sozialplan

Verhandlungspartner sind die Arbeitnehmervertreter und – nur wenn der Arbeitgeber direkt eine Partei des Gesamt­arbeitsvertrags ist – die Gewerkschaftsangehörigen. Auch kann sich aus der allgemeinen Konsultation bei Massenentlassung der Wille der Beteiligten zur Erstellung eines Sozialplans ergeben (Art. 335d i.V.m. 335f OR). Typischer Inhalt eines Sozialplans ist die Möglichkeit zur vorzeitigen Pensionierung mit allfälliger Mitfinanzierung von Überbrückungsrenten. Auch kann die Übernahme von Renteneinbussen wegen Frühpensionierung durch die Arbeitgeberin Inhalt des Sozialplans sein.

Das Gesetz sieht die Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung bei 58 Jahren vor (Art. 1 Abs. 3 BVG i. V. m. Art. 1i Abs. 1 BVV2). Bei Umstrukturierungen sind überdies noch frühere Altersrücktritte möglich (Art. 1 Abs. 3 BVG i.V.m. Art. 1i Abs. 2 lit. a BVV2). Aus dem Gesetz ergibt sich kein Mindestalter, wobei die Altersgrenze von 55 Jahren als unproblematisch betrachtet wird. Die Altersgrenze wird sich stark nach der finanziellen Situation der Vorsorgeeinrichtung richten. Die Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung kann jedoch nur aufgenommen werden, wenn das Vorsorgereglement selbst die Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung vorsieht (Art. 1b i.V.m. Art. 1i BVV2).

Kosten

Üblicherweise werden die Kosten für die Restrukturierung und die Liquidation der Arbeitgeberin inklusive Sozialplan aus dem Vermögen der Arbeitgeberin getragen. Meistens hat die Liquidation der Arbeitgeberin oder das Verlassen der Vorsorgeeinrichtung durch ganze Arbeitnehmergruppen auch die (Teil-)Liquidation der Vorsorgeeinrichtung zur Folge. Es gibt dann zwei Verteilungspläne, einen aus dem Sozialplan und einen aus der Pen­sionskasse. Unter Umständen sind die Leistungen aus dem Sozialplan vor der Li­quidation zu bevorschussen. Die Vorgehensweise bei (Teil-)Liquidation der Vorsorgeeinrichtung ergibt sich aus einem entsprechenden Reglement, das auch die rechtzeitige und vollständige Information der Versicherten verlangt.

Bei der Planung einer Umstrukturierung ist es deshalb sehr wichtig, dass die Arbeitgeberin bei Konsultation mit der Arbeitnehmervertretung und der Erstellung des Sozialplans eine klar strukturierte Koordination mit der Vorsorgeeinrichtung in Bezug auf Leistung und Information vornimmt und umgekehrt. Der Arbeitnehmerseite muss bewusst sein, dass sie kleinere Sozialplanleistungen zu erwarten hat, wenn gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin und diejenige der Vorsorgeeinrichtung schwach ist.

Kündigungsschutz

Der schweizerische Kündigungsschutz kennt keinen Bestandesschutz. Das Gesetz nennt jedoch Missbrauchstatbestände. Liegen diese vor, ist die Kündigung zwar nach wie vor wirksam, der Arbeitnehmer kann aber Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung verlangen. Art. 336 Abs. 2 lit. b OR bestimmt ausdrücklich, dass eine Kündigung missbräuchlich ist, wenn sie gegen einen gewählten Arbeitnehmervertreter in einer betrieblichen oder dem Betrieb angeschlossenen Einrichtung ausgesprochen wird.

Die Bestimmung schützt somit nicht nur innerbetriebliche Arbeitnehmervertreter, sondern auch solche im Stiftungsrat der Personalvorsorgeeinrichtung. Nicht jede Kündigung gegen einen Arbeitnehmervertreter ist unzulässig, sondern lediglich eine Kündigung ohne begründeten Anlass. Das bedeutet, dass vor allem Kündigungen wegen der Funktion oder der Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter missbräuchlich sind, während beispielsweise Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen zulässig sind. Zu beachten ist, dass teilweise auch Gesamtarbeitsverträge besondere Schutzbestimmungen für Arbeitnehmervertreter unter besonderer Erwähnung der Arbeitnehmervertreter im Leitungsorgan der Vorsorgeeinrichtung aufstellen.

Erst kürzlich hat sich das Bundesgericht zu einer Kündigung eines gewählten Arbeitnehmervertreters in der Vorsorge­einrichtung geäussert. Dem Beschwer­deführer wurde im Zuge einer Reorganisation gekündigt. Die Reorganisation hatte über 100 Kündigungen im Konzern und zirka 50 im Betrieb, in dem der Beschwerdeführer angestellt war, zur Folge. Der anwendbare Gesamtarbeitsvertrag sah für die Kündigung von Arbeitnehmervertretern bei der Vorsorgeeinrichtung ein besonderes Verfahren vor. Zudem hielt er ausdrücklich fest, dass innerbetriebliche Arbeitnehmervertreter oder die Arbeitnehmervertreter im Leitungsorgan der Pensionskasse weder wegen ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmervertreter noch wegen der Tätigkeit in dieser Funktion entlassen oder benachteiligt werden dürfen.

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Kündigung im konkreten Fall nicht missbräuchlich war, weil das durch Gesamtvertrag vorgesehene Verfahren eingehalten worden war. Es bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach gestützt auf Art. 336 Abs. 2 lit. b OR die Kündigung von Arbeitnehmervertretern aus wirtschaftlichen Gründen zulässig ist. Dazu gehört auch die Kündigung zur Abwendung von künftigen finanziellen Problemen im Zuge einer auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführenden Restrukturierung.

Zusammenfassung

Die Zusammenhänge zwischen inner­betrieblicher, arbeitsvertraglicher Mitwirkung und der Vorsorgeeinrichtung sind vielseitig. Die Entscheide der Arbeitgeberin wirken sich im Zuge von Umstrukturierungen direkt auf die Pensionskasse aus. Bei Betriebsübergängen nach Art. 333 OR und Massenentlassungen nach Art. 335d OR verfügen die Arbeitnehmervertreter über Informations- und Konsultationsrechte, welche unter Umständen diesen Entscheid der Arbeitgeber beeinflussen können.

Darüber hinaus verfügen die innerbetrieblichen Arbeitnehmervertreter gestützt auf Art. 11 BVG i.V.m. Art. 10 lit. d MitwG sowohl bei Anschluss an eine Vorsorgeeinrichtung als auch bei Auflösung des Anschlusses über ein Mitentscheidungsrecht. Das Gesetz sieht grundsätzlich bei Nichteinigung die Einleitung  eines Schiedsverfahrens vor. Die Arbeitnehmerseite hat das Recht, Arbeitnehmervertreter ins oberste Stiftungsorgan zu entsenden, damit eine paritätische Vertretung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gegeben ist. Damit ist eine weitere Einflussmöglichkeit gegeben. Nicht zu vergessen ist, dass Arbeitnehmervertreter einen besonderen Kündigungsschutz geniessen. Eine Kündigung wegen der Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter ist missbräuchlich.

Porträt