Finanzen & Vorsorge

Betriebliches Rechnungswesen

Vollkostenrechnung in einem Bürobetrieb

Die tatsächlichen Kosten-Stundensätze werden oftmals unterschätzt. Gerade in Klein- und mittleren Unternehmen ist eine genaue Kenntnis derselben jedoch wesentlich für das langfristige Überleben. Der Beitrag zeigt Ansätze zur Ermittlung des Kosten-Stundenansatzes sowie weitere Möglichkeiten zur Verwendung von intern erhobenen Kennzahlen.
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Um eine Leistung bezüglich ihrer Kosten angemessen abbilden zu können, müssen eine Reihe Faktoren berücksichtigt werden. Wenn Offerten erstellt oder Nachkalkulationen, Umsatz- und Rentabilitätsvorschauen durchgeführt werden sollen, respektive ein Unternehmer sich einen genauen Überblick über die eigenen Betriebskosten verschaffen will, benötigt ein Dienstleistungsunternehmen brauchbare Daten hinsichtlich seiner Kosten.

Kostengrösse Personal

Ein wesentliches Element stellen dabei verlässliche Kosten-Stundenansätze dar, da bei Dienstleistungsunternehmen, zu denen auch Ingenieur- und Architekturbüros zählen, den Hauptteil der entstehenden Projektkosten die Personalkosten ausmachen. Sie stellen deshalb in kleinen und mittleren Unternehmen die wichtigste betriebswirtschaftliche Kalkulationskennziffer und Kostengrösse dar. Im Folgenden werden neben unterschiedlich detaillierten Ansätzen zur Ermittlung des Kosten-Stundenansatzes noch weitere Möglichkeiten zur Verwendung von intern erhobenen Kennzahlen aufgezeigt. Bei alledem muss man sich jedoch bewusst sein, dass der Kosten-Stundenansatz letztendlich ein kalkulatorischer Ansatz bleibt, der der Realität niemals genau entsprechen wird. Eine jährliche Neuberechnung im Rahmen erneuter Erhebungen bietet sich aufgrund sich ständig ändernder Faktoren an.

Für die Ermittlung des Kosten-Stundenansatzes kann – falls vorhanden – auf im eigenen Betrieb bereits vorhandene Kennzahlenerhebungen zurückgegriffen werden. Doch leider verfügen heute immer noch viele Unternehmen über keine verwertbaren Auswertungen. Denn solange es dem Unternehmen gut geht, werden Kennzahlen zur eigenen Kostenstruktur eher als zweitrangig betrachtet.

In diesem Zusammenhang werden nachfolgend zwei wichtige Kennzahlen aufgezeigt, die bei der Ermittlung der Kosten-Stundensätze hilfreich sind.

Der Gemeinkostenfaktor

Die Gesamtkosten eines Produkts oder einer Dienstleistung setzen sich aus denjenigen Kosten zusammen, die einem Produkt oder einer Dienstleistung direkt zugerechnet werden können (Einzelkosten), und all jenen in einem Betrieb anfallenden Kosten, die einem Produkt oder einer Dienstleistung nicht unmittelbar zugeteilt werden können (Gemeinkosten). Unter Letzterem fallen auch Lohnkosten an. Bei einem Ingenieur- oder Architekturbüro beispielsweise sind es die Löhne und Gehälter für den Overhead.

Weiter zählen die Kosten für Miete, Energieversorgung, Heizung, Versicherungen, Beiträge zu Verbänden, gewinnunabhängige Steuern, Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen usw. zu den Gemeinkosten, wobei ein Teil der Energiekosten und Kosten für Verbrauchsmaterial auch als unechte Gemeinkosten betrachtet werden könnten. Kosten also, bei denen ein direkter Bezug zum Kostenträger hergestellt werden kann. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit macht dies jedoch wenig Sinn. Der prozentuale Anteil dieser Kosten an den Gesamtkosten spielt bei den Architektur- und Ingenieurbüros und den meisten anderen Dienstleistungsbetrieben eine eher untergeordnete Rolle.

Direkte Kosten aus Fremdleistungen werden den Gemeinkosten nicht hinzugerechnet, ein kalkulatorischer Unternehmerlohn jedoch schon. Bei den Abschreibungen ist zudem zu entscheiden, wie diese in die Berechnung des Kosten-Stundensatzes einbezogen werden sollen. Denn falls die steuerrechtliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Anlagegegenstandes erheblich von der tatsächlichen Nutzungsdauer abweicht, ist es sinnvoll, mit einer kalkulatorischen Abschreibung zu rechnen.

Die Ermittlung der Gemeinkosten erfolgt auf der Basis von Ist-Kosten. Bei der Ist-Kosten-Erhebung wird von Vergangenheitswerten ausgegangen. Dabei sollten die Ist-Kosten einen ausreichend langen Zeitraum abbilden. Sinnvollerweise wählt man ein Jahr als Bezugszeitraum, so sind saisonbedingte Schwankungen bei den Kosten ausreichend ausgeglichen. Da die Ist-Kosten jedoch aus der Vergangenheit stammen, sollte ein Zuschlag für die Preissteigerung berücksichtigt werden (prognostizierte Teuerung). Der Gemeinkostenfaktor stellt das Verhältnis der Gemeinkosten zu den Bruttolöhnen dar, wobei die Gemeinkosten die Gesamtkosten abzüglich der Bruttolöhne umfassen (siehe Abbildung 1).

Die Produktivität

Unproduktive Stunden ergeben sich auf der gesamten Firmenebene, beispielsweise aus Weiterbildung, Geschäftsführung, Wettbewerben, Akquisition, Offertstellung, Lehrlingsausbildung, persönlichen Freitagen, Krankheit, allgemeinen Büroarbeiten, Führungsaufgaben und so weiter. Auch sinkt mit steigender Komplexität der Tätigkeit der Anteil an verrechenbaren Stunden und damit die individuelle Produktivität. Es fallen mehr Zeiten für Planungs- und Koordinationsaufgaben an. Ausserdem muss für die eigene Fortbildung mehr Zeit investiert werden.

Die Produktivität ergibt sich aus dem Verhältnis der verrechenbaren Stunden zur Soll-Präsenzzeit (siehe Abbildung 2). Über alle Mitarbeiter gerechnet ist etwa für Architektur- oder Ingenieurbüros ein Wert von 75 Prozent anzustreben (Faktor 0,75). Es ist darauf zu achten, dass der Produktivitätsfaktor nicht zu tief wird. Denn dies kann ein Hinweis auf ineffektive Strukturen sein. Nicht verrechenbare Stunden fallen auch an, wo keine Projektstunden verbucht werden können. Alle nicht verrechenbaren Stunden sind den Gemeinkosten zuzuordnen.

Kosten-Stundensatz

Als Kosten-Stundensatz wird jener Ansatz bezeichnet, bei dem die Selbstkosten gedeckt sind. Beim mittleren Kosten-Stundensatz werden die Gesamtkosten durch die verrechenbaren Stunden geteilt (siehe Abbildung 3). Diese Kennzahl ist für die finanzielle Planung des Betriebs wesentlich. Es ist dabei zu beachten, dass bei Änderungen der Bürostruktur sich auch der mittlere Bürokostensatz verändert.

Mittlerer Verrechnungsstundensatz

Mit dem Kosten-Stundensatz werden wie bereits erwähnt lediglich die entstandenen Kosten abgedeckt. Damit ein Unternehmen dauerhaft überleben kann, muss es jedoch auch einen Gewinn erwirtschaften. Rechnen wir nun noch den Unternehmerbedarf (Anteil für Gewinn und Risiko) sowie einen eventuellen Zuschlag für Rabatt (je nach Dienstleister) und Skonto mit ein, erhält man den  Verrechnungsstundensatz. In unserem Beispiel bedeutet ein Zuschlag für Gewinn und Risiko, Rabatt und Skonto von beispielsweise 10 Prozent, dass sich ein mittlerer Verrechnungsstundensatz  von 104,26 × 1,10 = 114,70 CHF ergibt.

Mittlerer Mindestumsatz pro Mitarbeiter

Es kann sich auch die Frage stellen, welcher Mindestumsatz pro Mitarbeiter erzielt werden muss, um eine Kostendeckung zu erreichen. Der Mindestumsatz pro Mitarbeiter ergibt sich, wie das in Abbildung 4 gezeigt wird.

Kosten-Stundensatz auf den Mitarbeiter bezogen

In einem weiteren Beispiel wird aufgezeigt, wie sich der Kosten-Stundensatz auf den einzelnen Mitarbeiter bezogen ermitteln lässt (siehe Abbildung 5). Hierbei wird mit dem Produktivitätsfaktor gerechnet. Den Kosten-Stundensatz über den Produktivitätsfaktor zu ermitteln, hat zum einen den Vorteil, dass die eigene Produktivität mit anderen Büros verglichen werden kann, und zum anderen, dass vereinfachend mit der Soll-Präsenzzeit gerechnet werden kann, was bei Teilzeitarbeitenden einen Vorteil mit sich bringt. Eine abteilungs- oder funktionsbezogene Datenerhebung ist durchaus sinnvoll, falls eine Abteilung oder ein Funktionsbereich einen über dem Durchschnitt liegenden Anteil an unproduktiven Stunden aufweist, zum Beispiel für Kundenbetreuung, Führungsaufgaben etc., oder einen grösseren Anteil an den Gemeinkosten trägt, wie zum Beispiel Mobilitätskosten bei Bauleitern.

Auswirkung einer Auftragsannahme zu den Selbstkosten

Man kann sich auch fragen, was es bedeuten würde, einen Auftrag zu den Selbstkosten zu kalkulieren (Kosten-Stundensatz), erscheint es doch besser, wenigstens die Selbstkosten zu erwirtschaften, als den Auftrag nicht zu erhalten und komplett auf den Cashflow aus dem Auftrag zu verzichten. Beispiel: Ein Auftrag umfasst geschätzte 1800 Stunden. Dann verringert sich der kalkulierte Gewinn bei Auftragsannahme zum Kosten-Stundensatz mit den Zahlen aus dem Beispiel 1. Wie in Abbildung 6 gezeigt, heisst das, dass bei Auftragsannahme (7,8 Prozent der Soll-Jahresarbeitszeit) zu den Selbstkosten sich der kalkulierte Gewinn um 1,1 Prozent verringert (bei 10 Prozent Zuschlag für Gewinn und Risiko). Der Wert im Nenner kann auch tiefer als 1,0 angesetzt werden, sofern ein kalkulierter temporärer Verlust in der Gesamtbetrachtung sinnvoll bleibt.

Bestimmung des maximal möglichen Jahreslohns eines Mitarbeiters

Umgekehrt kann auch der maximal mögliche Bruttolohn eines Mitarbeiters bestimmt werden, wenn der externe Stundenansatz festliegt, zu welchem dessen Leistungen verkauft werden können. Jedoch lässt sich der Lohn nicht einfach rechnerisch ermitteln. Vielmehr stellt er einen Spagat zwischen Angebot und Nachfrage dar. Der umgekehrte Ansatz kann jedoch als Orientierungshilfe dienen (siehe Abbildung 7).

Benchmark

Als Orientierung für Architektur- und Ingenieurbüros kann auf die Erhebungen der Branchenverbände zurückgegriffen werden. Für ein Bauingenieurbüro liegt der durchschnittliche Gesamtkostenfaktor aus Gemeinkostenfaktor und Produktivität bei 2,23, für ein Architekturbüro bei 2,21, bei den Kulturingenieuren bei 2,12 und bei Landschaftsingenieuren bei 2,35. Diese Werte stellen nur ein Momentum dar.

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