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Total Cost of Ownership (TCO) – Beschaffung mit Methode

Globale Lieferketten, Rohstoffpreis- und Währungsschwankungen sowie zunehmende Risiken machen das Kostenmanagement der Beschaffung anspruchsvoller. Das Total-Cost-of-Ownership-Modell eignet sich, um diesen Herausforderungen strukturiert und methodengestützt zu begegnen.
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Total Cost of Ownership (TCO) ist ein innovativer Ansatz, der das Kostenmanagement in der Beschaffung revolutionieren kann. Unter TCO wird in diesem Kontext ein Konzept zur vollständigen Erfassung der Kosten verstanden, die in der Supply Chain der Beschaffung entstehen. Primäres Ziel dabei ist, alternative Bezugsquellen miteinander zu vergleichen, anhand einer bezüglich Kosten möglichst vollständigen Berechnung.

So sollte beispielsweise die Aussage getroffen werden können, was die Beschaffung bei Lieferant A in China und was die Beschaffung beim tschechischen Lieferanten B in der Heimatwährung CHF kostet.

Die Vorteile

TCO ermöglicht eine gesamtunternehmerische Perspektive, statt den Fokus einseitig auf die Senkung des Einstandspreises und der Materialkostenveränderungen zu legen. Hierzu braucht der TCO-Ansatz die Unterstützung des Topmanagements und eine cross-funktionale Beteiligung, um auf breite Akzeptanz zu stossen. Gelingt dies, können viele versteckte Kosten der Beschaffung reduziert und die Chancen des Global Sourcing voll ausgeschöpft werden. Die praktische Anwendung der TCO-Methode zeigt mehrere Vorteile beim Management globaler Lieferantenbeziehungen wie Transparenz und eine verbesserte Entscheidungsgrundlage im Lieferantenmanagement.

Lieferantenauswahl mit Gesamtkosten

Die Auswahl der kostengünstigsten Lieferanten erfolgt nicht nur durch den Vergleich der Angebotspreise, sondern anhand sämtlicher relevanter Kosten und Risiken. Die Ermittlung der TCO fördert den Dialog zwischen den beteiligten Funktionen (z. B. Einkauf, Logistik, F&E, Controlling) über die relevanten Kostentreiber. Dieser Erfahrungsaustausch erhöht das Bewusstsein für die Kosten­effekte der Beschaffungsanforderungen und die daraus resultierenden Einkaufsentscheidungen.

Lieferantenbewertung und -entwicklung mit identifizierten Kostentreibern

Eine TCO-Methode ermöglicht Nachkalkulationen, um getroffene Lieferantenentscheide nachzuverfolgen. Anhand der TCO-Analysen werden Ursachen- / Wirkungsketten transparent und Optimierungspotenziale können mit Lieferanten gemeinsam identifiziert werden. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Kostentreibern und Risiken erleichtert die Definition klarer Zielkosten und Risikomassnahmen mit Lieferanten.

Verhandlungen mit transparenten Kosten

Mit einer transparenten Kostendarstellung können Beschaffungsverantwortliche ihre Verhandlungen mit Lieferanten effizient führen. TCO bietet eine Art «Open book»-Methode, die ein direktes Benchmarking auf Ebene Kostentreiber zulässt. Quantifizierbare Risiken können zudem im Vertragswerk berücksichtigt werden.

Individualisierbares Modell

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor zum Einsatz von TCO in der Beschaffung ist die Entwicklung eines unternehmensspezifischen TCO-Modells. Dies kann in einem dreiteiligen Prozessablauf erfolgen, mit einem Briefing und drei Workshops (siehe Abbildung 1).

Im Briefing definiert das Projektteam die Zielsetzung und den Anwendungsbereich des TCO-Modells im Unternehmen. In
einem ersten Workshop identifiziert es die Beurteilungskriterien des TCO-Modells. Hierzu muss unter anderem eine Systemabgrenzung erstellt werden. So ist die Frage zu klären, welche Aspekte in die TCO-Berechnung mit einbezogen werden. Typische Diskussionspunkte hierbei sind, ob Prozesskosten (z. B. Wareneingangskontrolle), Kapitalkosten (z. B. Kosten des Lagerbestands) oder Risikokosten (z. B. Währungsschwankungen) berücksichtigt oder ausgeklammert werden sollen. Im zweiten Workshop definiert das Team die ermittelten Beurteilungskriterien als Kostenelemente, um sie monetär zu bewerten und die TCO quantitativ zu bestimmen. Die Kosten pro Beschaffungsobjekt oder -projekt können somit berechnet werden. Die monetär bewertbaren Beurteilungskriterien werden dabei in Formeln überführt.

Die Summe der festgelegten monetären Beurteilungskriterien ergibt die TCO, wobei festgelegt werden muss, auf welche Einheit die Berechnung bezogen werden soll (z. B. Kosten pro Stück, Kosten pro Losgrösse, Kosten pro Beschaffungsprojekt). Im dritten Workshop erfolgt die Einführung des TCO-Modells anhand eines repräsentativen beziehungsweise aktuellen Beschaffungsprojektes. Hierzu können unterschiedliche Szenarien bezüglich Mengen, Preisen, Kostenentwicklungen oder Risikoeinschätzungen definiert und deren Gesamtkostenwirkungen ausgewertet werden.

Auf Basis dieser Vergleiche wird ein Standard-TCO-Modell für das Unternehmen definiert. Hat das Unternehmen Erfahrungen mit diesem TCO-Modell gesammelt, können bei Bedarf differenzierte TCO-Modelle pro Warengruppe definiert werden. Zum Abschluss der Einführungsphase des TCO-Modells dokumentiert und schult das Projektteam alle involvierten Personen.

Bei der TCO-Berechnung bringt ein IT-Tool Unterstützung, da eine Reihe von Parametern (z. B. verschiedene Währungen und Stundensätze) eingepflegt und in die Berechnungen eingebracht werden müssen. Ein TCO-Tool hilft ebenfalls mit vordefinierten Kostenelementen, Berechnungsformeln und grafischen Auswertungsmöglichkeiten, ein unternehmensspezifisch zugeschnittenes TCO-Modell effizient zu entwickeln. Die Ergebnisse der Berechnungen ermöglichen eine Beurteilung der Relevanz und eine Kategorisierung der Kostenelemente für weitere Anwendungen.

Standardisierten TCO-Ansatz nützen TCO-Analysen wie oben beschrieben, denn individuell zusammenzustellen und manuell zu berechnen ist für Unternehmen mit einem grossen Aufwand verbunden. In einem zweijährigen Forschungsprojekt entwickelte die ETH Zürich deshalb einen standardisierten TCO-Ansatz, der die Gesamtkosten in vier Kostenkategorien gliedert: Einstands-, Prozess-, Investitions- und Risikokosten (vgl. www.globaltco.ethz.ch). Die Zusammensetzung der Gesamtkosten aus den jeweiligen Kostenkategorien ist unternehmensspezifisch und wird pro Warengruppe definiert. Auf dieser Grundlage entstand auch das Trainings-Tool «tco+», in einer Kooperation zwischen der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Soltar AG. Mithilfe des Trainings-Tools können standardisiert Kostenelemente erfasst, strukturiert und ausgewertet werden, um eine effiziente und nachvollziehbare Gesamtkostenbetrachtung zu ermöglichen (siehe dazu auch die beiden Abbildungen 2 und 3).

Die TCO-Implementierung

Unabhängig davon, ob sich Unternehmen für eine individuell erarbeitete Analyse oder einen standardisierten TCO-Ansatz entscheiden, sind bei der Einführung der TCO-Methode einige Erfolgsfaktoren zu beachten.

1. Ermittlung der relevanten TCO

Die TCO-Definition erfolgt spezifisch für das Unternehmen und für jede betrachtete Warengruppe. Grundsätzlich kann die TCO-Methode in Investitions-, Entwicklungs- oder Wertanalyseprojekten angewendet werden. Eine Herausforderung in der Modellierung der TCO ist der Fokus auf die relevanten Kostentreiber und Risiken. Zum einen ist eine vollumfängliche Abbildung sämtlicher Kosten- und Risikoelemente in der Regel mangels Verfügbarkeit entsprechender Kostensätze nicht möglich. Zum anderen sollte die Komplexität auf ein überschaubares Mass begrenzt werden.

2. Cross-funktionale Zusammenarbeit

Um möglichst alle relevanten Elemente der Gesamtkosten und -risiken zu be­rücksichtigen, ist eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit von Einkauf, Logistik, Forschung & Entwicklung (F & E), Controlling, Produktion, Qualitätssicherung und Lieferanten sinnvoll. Wenn alle beteiligten Parteien ihre Kosteneinflüsse und Risiken transparent einbringen, ist eine faktenbasierte Diskussion im Sinne einer gesamthaft optimierten Lösung möglich.

3. Standardisierung mittels Werkzeug

Die kontinuierliche Verwendung der TCO-Methode – gestützt durch ein Tool – führt zu einer Standardisierung des Prozesses. Mit den gewonnenen Erfahrungswerten kann die Berechnung zunehmend effizienter und konsistenter durchgeführt werden. Die Entscheidungsfindung erfolgt damit stets nach dem gleichen Gesamtkostenmodell, und die Auswertungen können einheitlich dargestellt werden.

4. Rasche Erfolgserlebnisse durch Qualität der Ergebnisse

Die Einführung der Total Cost of Ownership-Methode verlangt eine Verhaltensänderung der Beteiligten. Rasche Erfolgserlebnisse sind notwendig, damit die Ergebnisse der TCO-Berechnungen auf breite Akzeptanz stossen. Nur bei signifikanten Einsparungen im TCO-Vergleich werden die Beteiligten bereit sein, die gesamtkostengünstigste Variante – trotz höherem Angebotspreis – zu akzeptieren.

Fazit

Voraussetzung für einen erfolgreichen TCO-Einsatz ist ein pragmatisches Vor­gehen mit Fokus auf die relevanten Kos­tenelemente und die Risiken, die Implementierung von Standards, die crossfunktionale Zusammenarbeit und die Berechnungstools sowie ein Change Management mit raschen Ergebnissen.

Ist das erfüllt, leistet eine TCO-Methode einen signifikanten Beitrag zum nachhaltigen Kostenmanagement im Einkauf.

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