Finanzen & Vorsorge

Vorsorgen und finanzieren II

Pensionskassenmarkt im Umbruch

Die Fähigkeit, Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden, ist für Unternehmen ein Erfolgsfaktor. Attraktive Vorsorgelösungen können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Doch die Veränderungen im Pensionskassenmarkt stellen KMU vor Herausforderungen.
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Schweizer Unternehmen bewerten das aktuelle Marktumfeld als positiv und sind bezüglich Umsatzentwicklung zuversichtlich. Dank der guten Konjunkturlage und dem wachsenden Vertrauen in die Wirtschaft sind sie bereit, in den Wirtschaftsstandort zu investieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dieser Aufwärtstrend hat dem Arbeitsmarkt einen kräftigen Aufwind verliehen. Die Arbeitslosigkeit ist so tief wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Entsprechend erstaunt es nicht, dass der Fachkräftemangel zu den grössten Herausforderungen zählt und Stellen oft über längere Zeit unbesetzt bleiben.

Attraktivität steigern

Mehr als je zuvor geht es für Arbeitgeber deshalb darum, unterschiedlichste Bedürfnisse der Arbeitnehmenden zu adressieren. Nur so können sie sich im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende als attraktives Unternehmen abheben. Zu einem solchen Differenzierungsmerkmal gehören angepasste Vergütungspakete. Diese sprechen nicht nur potenzielle Mitarbeitende an, sondern verstärken auch die Bindung der bestehenden Belegschaft. Zu einem solchen Paket gehört ein entsprechendes Angebot im Rahmen der beruflichen  Vorsorge. Die Leistungsunterschiede zwischen einzelnen Unternehmen sind erheblich. Die Altersleistungen sind oft mehr als doppelt so hoch als diejenigen eines anderen. Dies hat unterschiedliche Gründe. Schon bei den Beiträgen zeigen sich zwei Welten. Während bei einigen Firmen Vorsorgeleistungen nur ein untergeordneter Bestandteil des Gesamtentlöhnungspakets sind, gehörten bei anderen eine sehr gute berufliche Vorsorge und entsprechend hohe Beitragssätze fest zur Firmenkultur.

Auch bei der Frage, welche Gehaltsbestandteile – Stichwort Bonus – einzubeziehen sind, existieren unterschiedliche Philosophien. Einige Unternehmensverantwortliche vertreten die Auffassung, dass leistungs- und gewinnabhängige Lohnbestandteile bei der Ermittlung des Gesamtlebensstandards berücksichtigt werden müssen. Demnach müsste für einen angemessenen Einkommensersatz nach der Pensionierung ebenfalls die Höhe des Bonus angerechnet werden. Andere sind der Überzeugung, dass leistungsabhängige Entgelte naturgemäss schwanken und folglich nicht von den Mitarbeitenden für ihren Lebensstandard eingeplant und vom Unternehmen versichert werden sollten.

Es spielt jedoch nicht nur eine Rolle, wie viele Mittel vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Pensionskasse zugewandt werden. Die Verzinsung der Alterskapitalien als «dritter Beitragszahler» trägt zur Bildung des Alterskapitals wesentlich bei. Die Unterschiede zwischen den Kassen sind aber erheblich. Vollversiche­r­ungen haben in den letzten Jahren auf dem obligatorischen Altersguthaben den gesetzlich vorgeschrieben Zinssatz gewährt (im Jahr 2018 ein Prozent). Die über­obligatorischen Guthaben wurden mit weniger als einem Prozent verzinst. Demgegenüber bewegten sich die Sätze der teilautonomen Stiftungen mit zwei bis drei Prozent auf einem erheblich höheren Niveau.

Nicht erst seit dem jüngst erfolgten Votum zur Altersvorsorge 2020 steht der für die Berechnung der Altersrenten angewandte Umwandlungssatz im Fokus der öffentlichen Diskussion. Ein Trend zeichnet sich deutlich ab: Die Umwandlungssätze sinken, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.

Teilautonome Stiftungen

Grossfirmen und Arbeitgeber der öffentlichen Hand verfügen über ihre eigenen Pensionskassen. KMU hingegen schlies­sen sich aufgrund ihrer Grösse an Gemeinschafts- und Sammelstiftungen an. Gemäss einer Studie der Hochschule Luzern aus dem Jahre 2015 wählen KMU ihre Vorsorgelösung sehr bewusst aus. Sie schätzen die Wahlfreiheit bezüglich Angebot und Anbieter. Zudem sei das Bedürfnis nach Sicherheit gross. Somit überrascht es nicht, dass rund 60 Prozent aller versicherten Personen in KMU bei Vollversicherern angeschlossen sind.

Dies mag daran liegen, dass sich in der Vergangenheit die Vollversicherungen und teilautonomen Stiftungen bezüglich der gewährten Verzinsungen auf den Altersguthaben, den Prämien für die Risikoleistungen und der Verwaltung kaum voneinander unterschieden. Je nach Aufteilung des Sparguthabens auf Obligatorium und Überobligatorium waren keine wesentlichen Unterschiede bei den Umwandlungssätzen festzustellen. Als weitere mögliche Gründe für die grosse Nachfrage nach Vollversicherungen kommen sowohl eine Angebotssteuerung durch die Marktteilnehmer aber auch eine mangelnde Prüfung von Alternativen infrage.

Die stetig steigende Lebenserwartung, das anhaltende Niedrigzinsumfeld und das enge Anlagekorsett der Vollversicherer haben bereits vor Jahren die Trendwende zugunsten der teilautonomen Stiftungen eingeleitet. Durch den unglücklichen Reformstau in der Altersvorsorge und die zunehmende Belastung durch Solvenzvorschriften ist es für die Versicherungsgesellschaften immer schwerer geworden, das Vollversicherungsangebot aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sind ihre Anlageerträge hinter denen der meisten autonomen Stiftungen zurückgeblieben. Zurückzuführen ist dies auf die Kosten für Garantien, vor allem aber auf die regulatorischen Einschränkungen der Investitionen von Versicherungen.

Angebotsdefizit für KMU?

Insofern kommt der Rückzug der Axa, des zweitgrössten Anbieters unter den Lebensversicherern, aus dem Vollversicherungsmarkt nicht überraschend. Zwar bieten die Swiss Life, Allianz Suisse, Helvetia, Bâloise und Pax weiterhin eine Vollversicherung für die berufliche Vorsorge an. Sie gehen bei der Annahme von Neugeschäften jedoch höchst selektiv vor. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass sie verschiedene Szenarien prüfen, um ihr Geschäft mit der beruflichen Vorsorge weiterhin rentabel gestalten zu können. Es ist aber auch nicht auszuschliessen, dass weitere Versicherer dem Beispiel der Axa folgen.

Kommt es somit zukünftig zu einem Angebotsdefizit bei den Vorsorgelösungen für KMU? In der Tat sind von den einstmals 21 Vollversicherern noch 5 am Markt verblieben. Auf der anderen Seite sind rund 50 teilautonome Sammelstiftungen am Markt tätig. Ihr Marktanteil wächst auf Kosten der Vollversicherer. Für KMU stellen sie eine attraktive Alternative dar. Freier in ihrer Anlagestrategie, haben sie bessere Möglichkeiten, Ertragschancen wahrzunehmen. Ein Vorteil für beide Seiten. Für Versicherte steigt die Chance auf eine bessere Verzinsung ihrer Altersguthaben und die Rentenumwandlungsätze befinden sich auf einem höheren Niveau. Für die Versicherer sorgen tiefere Prämien und Kosten für Einsparungspo­tenziale.

Nicht jedes Unternehmen ist jedoch bei teilautonomen Sammelstiftungen gut aufgehoben. Die Investitionsstrategien sind mit Risiken verbunden und wer nicht ausreichend finanziellen Spielraum hat, sollte sich an Vollversicherer halten.

Leistungen gehen zurück

Unabhängig vom Anbieter zeigen Studien, dass die Leistungen aus der beruf­lichen Vorsorge zurückgehen. Unterdurchschnittliche Renditeerwartungen im Tiefzinsumfeld und die demografische Veränderung stellen alle schweizerischen Pensionskassen vor grosse Herausforderungen. Diese werden sich nicht von heute auf morgen in Luft auflösen und sind auch durch den Gesetzgeber nicht beeinflussbar. Gerade weil weder durch das Marktumfeld noch durch die Politik Wunder erwartet werden dürfen, werden KMU neue Wege beschreiten müssen. Nur so können sie ihren Angestellten eine nachhaltige, kompetitive berufliche Vorsorge bieten.

Um dies zu gewährleisten, sollten KMU sich intensiv mit den Geschäftsmodellen, Strategien und Risiken der Sammelstiftungen auseinandersetzen. Es gilt, die Konsequenzen für die Personalarbeit zu erkennen und stets in der Lage zu sein, wirkungsvoll zu handeln.

Oft ist gar nicht so klar, was mit dem Risiko einer Pensionskasse gemeint ist. Dazu gehören unter anderem juristische, politische, gesellschaftliche Risiken, Verwaltungsrisiken genauso wie versicherungstechnische Risiken. Von aussen am einfachsten wahrnehmbar ist das Anlagerisiko. Entsprechend sind die Unterdeckung respektive potenzielle Sanierungsmassnahmen das zentrale Risiko, mit dem sich die KMU beschäftigen sollten. Mit wenigen Kenngrössen sind die Risiken quantifizierbar und sollten die Grundlage für den Entscheid des am besten passenden Anbieters sein. Eine emotionale oder durch Medien und Politik gesteuerte Einschätzung sollte vermieden werden.

Wettbewerbsvorteil

Auch das eigene Pensionskassenangebot sollte mithilfe einer Benchmark-Analyse auf den Prüfstand gestellt werden. Dabei helfen Fragen wie: Ist die Gestaltung zeitgemäss? Welcher Finanzierungsbeitrag leistet der Arbeitnehmer? Sind die Leistungen im Vergleich zu anderen Unternehmen attraktiv genug? Oder liegt das Niveau eventuell sogar über dem Marktdurchschnitt? Stellt sich das aktuelle oder ein angepasstes Angebot als wettbewerbsfähig dar, sollte dies intern als auch gegenüber Bewerbern kommuniziert werden.

Hinsichtlich der Gewinnung und Bindung der Mitarbeiter ist die berufliche Vorsorge kein Allheilmittel. Ein attraktives Arbeitgeberangebot in diesem Bereich leistet aber einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu einer höheren Loyalität. So sehen im internationalen Vergleich Schweizer Arbeitnehmer die Firmen überdurchschnittlich stark in der Verantwortung für ihre finanzielle Absicherung im Alter. Damit die oftmals kosten­intensiven Arbeitgeberleistungen an­erkannt werden, bedarf es einer konsequenten Informationspolitik, insbesondere zu allen überobligatorischen Angeboten. Gut informierte Mitarbeiter haben mehr Vertrauen in ihren Arbeitgeber und die Wertschätzung der Pensionskassenleistungen ist grösser. Negative Meldungen der Finanzmärkte oder der Politik werden von den Mitarbeitern sachlicher beurteilt und ein Vertrauensverlust in die Vorsorge und den Arbeit­geber kann vermieden werden.

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