Finanzen & Vorsorge

Anlageoptionen

Nachhaltigkeit als Investment in die Zukunft

Die Frage, wie zukunftssicher eine Anlagestrategie ist, wird immer mehr durch sogenannte Nachhaltigkeitskriterien bestimmt. Wie Studien zeigen, wirkt sich die Integration nachhaltiger Kriterien in die Anlageentscheidung mehrheitlich positiv auf den Investitionserfolg aus.
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Zukunftssicher – was bedeutet das heute? Vor wenigen Jahrzehnten hätte man diese Frage noch völlig anders beantwortet. Heute sind in Zentraleuropa existenzbedrohende Einflüsse stark reduziert: Für sehr viele Krankheiten gibt es Medikamente und erfolgversprechende Therapien, für viele mögliche Risiken umfangreiche Möglichkeiten, diese mit ent­sprechenden Versicherungen zu verringern.

Klassisch zukunftssicher

Wenn es um die finanzielle Vorsorge geht, verlassen wir uns auf – ja, worauf eigen­t­lich genau? Die «klassische» Antwort darauf lautet meist: Eine breit ab­gefederte, globale Diversifikation, die möglichst verschiedene Anlageklassen (Aktien, Obligationen, Immobilien, Cash, alternative Anlagen) aufweist, welche unterschiedlich zueinander korrelieren. Anders formuliert: Mithilfe der Diversifikation soll eine risikoadjustierte und dennoch marktgerechte Rendite erzielt werden.

Wichtig ist dabei die Handelbarkeit der Anlagen – wie schnell kann ein Investment liquidiert werden und zu welchem Preis? – sowie die nötige Transparenz – wo genau fliesst das Geld hin, auch in Bezug auf das Gegenparteienrisiko?
Diversifikation, Handelbarkeit sowie nötige Transparenz sollen also die Sicherheit erhöhen, auch in Zukunft finanziell gut aufgestellt zu sein. Die Verteilung der Anlageklassen ergibt sich aus einem Abwägen von Risiko und Rendite. Gleiches gilt speziell im Bereich der Aktien grundsätzlich auch für die Auswahl eines passenden Aktien-Portfolios. Und dennoch bleibt die Frage: Wie zukunftssicher ist ein bestimmtes Portfolio, und worauf ist zu achten? Sind es immer dieselben Kriterien, welche in die Analyse einfliessen, oder ändern sich die Kriterien?

Nachhaltige «Hausaufgaben»

Die Frage, wie zukunftssicher eine Anlagestrategie ist, wird immer mehr durch sogenannte Nachhaltigkeitskriterien bestimmt. Den Zusammenhang von Risikoreduktion und Nachhaltigkeit verdeutlicht das folgende Beispiel aus dem Alltag: Zur schulischen Ausbildung gehört, dass Kinder Hausaufgaben machen müssen. Obschon das Leben oft einfacher und angenehmer erscheint, wenn es keine Hausaufgaben gäbe, motivieren Eltern ihre Kinder, die Hausaufgaben zu erledigen. Warum? Weil der unmittelbare Lernerfolg davon abhängt.

Aber: Es gibt auch einen mittelbaren Erfolg, denn neben der Bestätigung für das Lernen durch entsprechende Schulnoten gilt: Wir lernen in der Schule «für die Zukunft». Will heissen: Dem kurzfristigen Bedürfnis, das Leben (durch das Vernachlässigen der Hausaufgaben) ein wenig angenehmer zu machen, steht der mittel- und langfristige Erfolg gegenüber, sich durch eine solide schulische Ausbildung gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine gute Lebensqualität zu erschliessen.

Theorie und Praxis

Übertragen auf die Welt der Aktien bedeutet dies, dass Unternehmen, die «ihre Hausaufgaben machen», diejenigen sind, die nicht nur am kurzfristigen Erfolg (den «Schulnoten», zum Beispiel einem guten Quartalsabschluss) interessiert sind, sondern sich nachhaltiger, also langfristiger positionieren. Dazu gehört ein klares Bewusstsein für die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Der ökologische Substanz­erhalt, der soziale Substanzerhalt und eine Führungskultur, die mit den jeweiligen unternehmerischen Möglichkeiten Produkte und Dienstleistungen realisiert, die zu einer Steigerung der Lebensqualität beitragen und Probleme der Weltbevölkerung lösen, anstatt selbst Teil des Problems zu sein oder zu werden.


So weit die Theorie – doch wie sieht es in der Praxis aus? Welchen Preis müssen wir dafür zahlen? Auch hier gibt es gute Neuigkeiten. Zahlreiche Studien, die in den letzten 20 Jahren veröffentlicht wurden, belegen, dass nachhaltiges Anlegen nicht per se die finanzielle Performance des Portfolios reduziert. Ganz im Gegenteil: Es zeigt sich, dass nachhaltige Investoren im Sinne der doppelten Dividende eine mindestens marktgerechte, wenn nicht sogar bessere Rendite erwirtschaften und gleichzeitig soziale, umweltbezogene sowie ethische Ziele realisieren.

Ein Beispiel: Die State Street Global Advisors haben in einer weltweiten Umfrage im Dezember 2016 und Januar 2017 insgesamt 475 institutionelle Investoren unter anderem zu Erfahrungen im Umgang mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (englisch ESG) in ihren Anla­gestrategien befragt. Das Resultat: Die Berücksichtigung dieser Aspekte in der Anlagestrategie verbesserte die Erträge bei mehr als zwei Drittel der befragten Teilnehmer erheblich. 84 Prozent zeigten sich mit der finanziellen Performance ihrer ESG-Strategie zufrieden, 31 Prozent sogar sehr zufrieden.

Ein weiteres Beispiel: Eine im November 2015 publizierte, gross angelegte Me­ta-Studie der Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit Deutsche Asset & Wealth Management wertete 60 Meta-Studien mit über 2000 Einzelstudien aus und bezog damit internationale Forschungsergebnisse der letzten 40 Jahre mit ein. Auch hier lautet das Ergebnis: Die Integration nachhaltiger Kriterien in die Anlageentscheidung wirkt sich mehrheitlich positiv auf den Investitionserfolg aus. In knapp zwei Dritteln der untersuchten Studien konnte eine positive Korrelation zwischen ESG-Faktoren und der Rentabilität von Kapitalanlagen belegt werden. Dieser Positiveffekt sei langfristig und in besonderem Masse in Nordamerika und den Emerging Markets zu beobachten, so die Autoren der Metastudie.

Krisenresistent

Zusätzlich zur doppelten Dividende können Investoren damit rechnen, dass die Investitionen in Firmen, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeit verstehen und umsetzen, geringere Schwankungsbreiten aufweisen, weil die Firmen selber weniger krisenanfällig sind. Doch Vorsicht: Es ist zunehmend komplex und deswegen schwierig und aufwendig, echte Nachhaltigkeit in der Führung und Tätigkeit globalisierter Firmen zu identifizieren. Zu oft werden unethische oder substanzvernichtende Handlungen externalisiert. Bekannte Beispiele sind verschachtelte Lieferketten für Palmöl sowie hoch spezialisierte Möglichkeiten zur Steueroptimierung oder -vermeidung.

Letztlich ist aber damit zu rechnen, dass vor allem im Zuge der Digitalisierung die Transparenz erhöht und ungebührliches Verhalten ans Licht kommen wird. Zwar lassen sich aufgrund der Komplexität der verschiedenen Themen die Nachhaltigkeitsleistungen der Firmen nur bedingt quantitativ erfassen, aber durch geeignete methodische Ansätze kann eine belastbare Analyse erstellt werden.

Und auch die Firmen nutzen dies: Im Rahmen einer Wesentlichkeitsanalyse zentrieren mehr und mehr Unternehmen die strategische Ausrichtung um zentrale Themen der Nachhaltigkeit. Ein begleitender Stakeholder-Dialog trägt ebenfalls dazu bei, die Firmen krisenresistenter und damit zukunftsfähiger zu machen. So profitieren alle: die Mitarbeitenden und Führungspersonen einer Firma wie auch die Aktionäre und der Staat bzw. die Gesellschaft.

Nachhaltig in die Zukunft

Vergessen wir nicht: Wir stehen vor immensen Herausforderungen. Bis zum Ende des Jahrhunderts sind voraussichtlich zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten zu ernähren, der Klimawandel macht uns bereits jetzt erheblich zu schaffen, Verteilungskämpfe um Wasser und Rohstoffe nehmen zu. Immer mehr Menschen verlassen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen oder aufgrund von Bedrohungen von Leib und Leben ihre Heimat. Gesucht sind also Firmen, die heute – und umso mehr in Zukunft – dazu beitragen, die globalen Probleme mit ihren lokalen Wirkungen zu lösen. Das nachhaltige, substanzerhaltende Wirtschaften von Unternehmen ist für eine stabile und zukunftsfähige Finanzwirtschaft ein entscheidender Pfeiler. Diese Erkenntnis ist nicht das Resultat des drohenden Zeigefingers, sondern von nüchternem Kalkül.

Zukunftssicher dank Nachhaltigkeit – dies gilt längst nicht mehr nur für unsere Umwelt und unsere unmittelbaren Lebensbedingungen, sondern diese Erkenn­t­nis zieht unaufhaltsam in die Welt der Finanzen ein. Höchste Zeit – aber noch nicht zu spät.