Finanzen & Vorsorge

Nachfolgeregelungen

Mitarbeiterbeteiligung als alternatives Übernahmemodell

Viel steht auf dem Spiel bei Nachfolgeregelungen von eigentümergeführten Unternehmen: der Fortbestand des beruflichen Lebenswerks, hohe Vermögenswerte, aber auch viele Arbeitsplätze. Ein möglicher Weg zum Erhalt ist der Verkauf an die Mitarbeitenden.
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Rund 40 Prozent der Unternehmenstransaktionen sind Nachfolgelösungen, die innerhalb der Familie stattfinden. Bei der Mehrheit der Nachfolgeregelungen lassen sich familienintern keine Nachfolger finden. Es kann sich dann anbieten, die Nachfolge in den Reihen der eigenen Mitarbeitenden zu suchen (sogenanntes Management-Buy-out, MBO). Eine grosse Herausforderung bildet dabei die Finanzierung. Insbesondere dann, wenn der Wert der Unternehmung die vorhandenen finanziellen Möglichkeiten der Mitarbeitenden sprengt. Dann sind alternative Übernahmemodelle gefragt.

Ein Praxisbeispiel  

Das Zusammenspiel der zahlreichen einflussnehmenden Faktoren lässt sich am besten anhand eines konkreten Beispiels nachvollziehen: Inhaber Mathias Herzog (53 Jahre alt) will seine Firma Herzog Software AG nachfolgebedingt verkaufen. Die Firma entwickelt spezielle Softwarelösungen für den Rohstoffsektor und zählte zuletzt 35 Mitarbeitende. Die Geschäftsleitung umfasst zusammen mit Mathias Herzog vier Personen. Die persönliche Vorsorgesituation des Eigentümers ist geklärt, die Gesellschaft ist verkaufsfähig und allfällige nichtbetriebsnotwendige Positionen wurden ausgegliedert. Das Unternehmen ist also verkaufsbereit.

Der Inhaber hat keine Nachkommen. Allerdings gibt es viele strategische Käufer, die bereit wären, hohe Transaktionssummen zu zahlen. Aus emotionalen Gründen fällt Mathias Herzog allerdings den Grundsatzentscheid, die Firma an die Geschäftsleitung zu verkaufen; im Wissen, dass er einen tieferen Preis zu erwarten hat. Die unabhängige Weiterführung seines Lebenswerks ist für ihn daher ausschlaggebend.

Entscheidende Fragen

Der Inhaber eröffnet den Geschäftsleitungskollegen seine Absichten. Für den Verkaufsleiter (44), den Applikationsleiter (29) und den Entwicklungsleiter (24) sind wichtige Grundfragen zu klären: Ist die Selbstständigkeit für sie ein gang­barer Weg? Haben sie die Unterstützung ihrer Familien und Partnerinnen? Und schliesslich: Funktionieren die drei als gleichberechtigte Mitinhaber?

Nach rund vier Wochen bestätigen die drei Kandidaten ihr grundsätzliches Interesse. In Zusammenarbeit mit einem externen Berater erstellen die Parteien gemeinsam ein umfassendes Übernahmekonzept. Dieses enthält alle Details zu den zukünftigen Rollen und Funktionen der Protagonisten, zum Transaktionspreis und zum genauen Übernahmezeitraum der Aktien.

Die Parteien einigen sich auf einen Verkaufspreis von 4,6 Millionen Franken für das gesamte Aktienpaket. Dies bedeutet gegenüber den Angeboten von externen Verkäufern von bis zu 5,5 Millionen Franken eine markante Einbusse. Der Eigentümer war sich bei seinem Entscheid, nicht extern zu verkaufen, darüber aber im Klaren. Die Ausgangslage für die Übernahmefinanzierung ist trotz des tieferen Verkaufspreises noch nicht geklärt (siehe Abbildung 1).

Geringes Eigenkapital

Die Ausgangslage der Nachfolgesituation der Herzog Software AG ist typisch für den Schweizer Markt. Der durchschnittliche MBO-Kandidat ist 35- bis 45-jährig und verfügt über ein Kapital von 250 000 bis 600 000 Franken. Wie im vorliegenden Fall mit jungen Mitarbeitenden kann das zur Verfügung stehende Eigenkapital auch wesentlich geringer sein. Eine reine Bankfinanzierung reicht bei Transaktionssummen über eine Million Franken selten für die Nachfolgefinanzierung aus. Die Finanzierung muss über alternative Instrumente stattfinden.

Übernahmemodelle

Wenn beim Zeitpunkt der Übernahme der Transaktionspreis nicht bezahlt werden kann, dienen die zukünftigen Cashflows als Garant für Kaufpreiszahlungen. Finanzierungsfragen drehen sich daher immer um die Risikoverteilung in einem bestimmten Zeitraum. Das wichtigste Finanzierungsinstrument ist das Verkäuferdarlehen. Im Endeffekt wird dabei ein Teil der Kaufpreiszahlung «gestundet» und den Käufern in Form eines Darlehens gewährt. Mit den zukünftigen Cashflows kann das Darlehen über einen definierten Zeitraum zurückbezahlt werden.

Das zweite Finanzierungsinstrument betrifft das Übernahmemodell an sich. Jede Nachfolgeregelung beinhaltet inhärent die Übertragung der Führung und des Vermögens. Es müssen jedoch nicht beide Aspekte zum selben Zeitpunkt übergeben werden. In einer ersten Phase würde zum Beispiel die gesamte Führung übertragen werden, jedoch nur bestimmte Gesellschaftsanteile. Zahlreiche Möglichkeiten können im individuellen Fall geprüft werden.

Auch hier geht es um die Risikoverteilung nach erfolgtem Verkauf. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Durchführung von individuellen Übernahmemodellen ist die detaillierte Regelung des gesamten Nachfolgemodells zum Zeitpunkt null. Je exakter die einzelnen Schritte zur Kaufpreiszahlung, zu den Übertragungszeitpunkten und den Funktionen und Rollen aller Parteien während des laufenden Übernahmemodells festgelegt wurden, desto reibungsloser wird der Übergang stattfinden.

Je grösser der Zeitraum des Übernahmemodells veranschlagt wird, desto grösser ist die Gefahr externer Schocks. Was passiert, wenn im Jahr fünf und sechs Verluste anfallen? Wie geht man mit der Situation um, wenn ein Käufer im Jahr vier tödlich verunglückt oder der Verkäufer unzurechnungsfähig wird?

Es ist zentral und absolut entscheidend, dass diese Fragen bereits bei Vertrags­unterzeichnung hypothetisch behandelt werden und Einfluss zum Beispiel in den Kaufvertrag und allfällige Aktionärsbindungsverträge finden. Die ausreichend flexible Ausgestaltung des Nachfolgemodells kann solche Punkte absorbieren.

Die Finanzierungslösung

Mathias Herzog konnte mit seinen Mitarbeitenden ein entsprechendes Modell umsetzen: In Phase 1 übernehmen die Mitarbeitenden 49 Prozent der Anteile zum anteiligen Transaktionspreis von 2,25 Millionen Franken. Das Bankdar-
lehen muss innerhalb von fünf Jahren amortisiert werden, anschliessend verbleiben zwei Jahre für die Amortisation des Verkäuferdarlehens. Die zweite Phase beginnt im Jahr sieben mit der Übernahme der restlichen 51 Prozent der Unternehmung (Verkaufspreis 2,35 Millionen Franken). Siehe Abbildung 3.

Die operative Führung wird Mathias Herzog im Zeitraum der ersten Phase weiterhin innehaben. So kann er auf Risiken reagieren. Nach Vollzug der Phase zwei im Jahr sieben wird er 60 Jahre alt sein. Mit 65 Jahren erhält Herr Herzog die letzte Tranche des zweiten Verkäuferdarlehens zurück. Das gesamte Übernahmemodell umfasst damit einen sehr langen Zeitraum von zwölf Jahren.

Keine Nachfolgeregelung ist wie eine andere. Die Konstellationen sind stets individuell. So müssen auch die Lösungen sein. Ein Erfolgsrezept gibt es nicht. Allerdings beeinflussen bestimmte Faktoren den Verlauf positiv:

  • Das zu erwerbende Unternehmen hat einen soliden Businessplan und die Mitarbeitenden haben bewiesen oder lassen das Potenzial klar erkennen, dass sie das Unternehmen erfolgreich führen können.
  • Der Verkäufer hat eine vernünftige Kaufpreiserwartung und ist bereit, das Unternehmen an die Mitarbeitenden abzugeben. Das bedingt ein grosses gegenseitiges Vertrauen.
  • Die Mitarbeitenden haben den Willen und die Energie, in die Rolle des Unternehmers zu wachsen und sich finanziell zu engagieren.
  • Die Partnerinnen oder Partner der Mitarbeitenden stehen der Übernahme positiv gegenüber. Sich zu verschulden oder sich als Unternehmer zu exponieren geht nur, wenn das private Umfeld dahintersteht.

Fazit

Essenziell für eine tragbare Risikoverteilung ist ein ausreichend langer Zeitraum. Um den Mitarbeitenden mithilfe von Verkäuferdarlehen die Möglichkeit der Geschäftsübernahme zu geben, müssen die Cashflows vieler Jahre für die Zahlung aufgewendet werden können.

Es zeugt demnach von unternehmerischer Verantwortung und von Weitsicht, wenn sich eine Geschäftsinhaberin oder ein Geschäftsinhaber 10 bis 15 Jahre vor dem Rückzug aus dem operativen Geschäft mit der Nachfolge beschäftigt. So kann sie oder er auch persönliche Wünsche für die Fortführung des Unternehmens einfliessen lassen.