Finanzen & Vorsorge

Konjunktur- und Finanzmarktanalyse

Eine schwache Währung macht faul und träge

Der Kampf gegen den starken Schweizer Franken läuft seit Jahren. Entscheidend für die Schweiz und den geldpolitischen Gestaltungsspielraum der SNB sind die Entwicklungen in der Eurozone. Von dort kommen positive, aber auch kritische Signale.
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Der Schweizer Franken ist noch immer stark. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) versucht seit einigen Jahren mit allen Mitteln, Franken-Anlagen unattraktiv zu machen. Da ist ein Kommentar der SNB unter dem Titel «Rolle und Höhe der Währungsreserven der Nationalbank» vom Februar 2006 aus heutiger Sicht bemerkenswert: «So kann die SNB im Falle einer Frankenschwäche […] am Devisenmarkt intervenieren und durch den Verkauf von Fremdwährungen den Franken stützen.» Der Euro/Franken-Kurs lag damals bei 1,55 und stieg bis Herbst 2007 auf den Höchststand von 1,68. Es kursierte die Frage, ob die SNB den Franken stützen sollte. Starke oder schwache Währung: Was ist besser für ein Land?

Lieber stark als schwach

Wertet eine Währung um beispielsweise zehn Prozent ab, so sind Produkte aus diesem Land auf dem Weltmarkt ceteris paribus (das heisst, wenn alle anderen Pa­rameter gleich bleiben) zehn Prozent billiger. Ein ziemlicher Wettbewerbsvorteil. Einfach so, ohne Anstrengung, ohne (sichtbare) Kosten. Viel mühsamer ist es, wenn der Preisvorteil von zehn Prozent über die realen Produktionsprozesse erzielt werden muss. Das bedeutet nämlich, dass im eigenen Land Produktivitäts­fortschritte, Kostensenkungen und/oder strukturelle und fiskalische Anpassungen nötig sind. Das erfordert grosse Anstrengungen, braucht Zeit und es entstehen (sichtbare) Kosten (zum Beispiel Verlagerung von Arbeitsplätzen). Was liegt also näher, als der heimischen Exportwirtschaft mittels einer Schwächung der eigenen Währung auf die Sprünge zu helfen?

Kurzfristig kann dies erfolgreich sein. Langfristig kann eine Abwertung jedoch kein Ersatz für Strukturreformen, Produktivitätsfortschritte und Innovation sein. Eine schwache Währung macht faul und träge, eine starke hält fit. Deshalb sind Produktivität sowie Innovation in den Starkwährungsländern tendenziell höher. Entsprechend sind Länder mit einer starken Währung langfristig im globalen Wettbewerb besser positioniert. Und dabei nicht zu vergessen: Eine starke heimische Währung verbilligt Importprodukte und hält die Inflation und die Zinsen tief. Davon profitieren alle.

Da es raschen Erfolg verspricht, versuchen Regierungen und Notenbanken immer wieder, die eigene Valuta zu schwächen. Diese Rechnung kann nicht für alle aufgehen. Bei Wechselkursen steht jeder Abwertung eine Aufwertung gegenüber (und jedem Exportüberschuss ein Importüberschuss). Das Leben mit einer harten Währung mag zwar herausfordernd und manchmal sogar schmerzhaft sein. Auf lange Sicht überwiegen die Vorteile einer starken Valuta hingegen klar. Fazit: Es ist besser, man hat Probleme mit einer zu starken als mit einer zu schwachen Währung.

EU: keine Entwarnung

Für die Schweiz und die SNB ist die Verfassung der Eurozone von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang sind die öffentlichten Zahlen zu den Haushaltsabschlüssen 2017 der 28 EU-Staaten vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) sehr interessant. Eurostat vermeldete, dass erstmals seit beinahe 20 Jahren mit einer Ausnahme (Spanien) alle Länder den Defizit-Grenzwert von drei Prozent eingehalten haben. 13 Länder haben 2017 sogar einen Haushaltsüberschuss erzielt. Die Defizitquote von maximal drei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) ist eines der beiden Kriterien des Euro-Stabilitätspakts. Das Andere ist die Verschuldungsquote von höchstens 60 Prozent des BIP.

Die Maastricht-Kriterien geben vor, dass der Staatshaushalt im Grunde ausgeglichen sein sollte und die Verschuldung ein tragbares Niveau nicht übersteigen darf. Die veröffentlichten Defizit-Zahlen sind somit gute Nachrichten. Auch die Entwicklung ist bemerkenswert. Lag das Finanzierungsdefizit der EU im Jahr 2009 – mitten in der Finanzkrise – bei 6,6 Prozent der Wirtschaftsleistung, betrug es 2017 noch ein Prozent. Klammert man die Zinszahlungen aus, haben die 28 EU-Länder letztes Jahr sogar zum zweiten Mal in Folge einen sogenannten Primärüberschuss erzielt.

Dennoch gilt es, diese an sich erfreuliche Entwicklung richtig einzuordnen. Es sind vor allem zwei Aspekte zu beachten. Erstens: Die europäische Konjunktur läuft seit einiger Zeit so gut wie lange nicht mehr, die Arbeitslosigkeit ist substanziell zurückgegangen. Das bringt mehr Einnahmen und weniger Ausgaben. Ausserdem sind die Zinsen seit Jahren tief, was den Staatshaushalt entlastet. Also wann, wenn nicht jetzt, sollen – ja müssen – die europäischen Staaten ihre Budgets zumindest ausgeglichen gestalten?

Zweitens: Während sich diese Defizite deutlich verringert haben, hat sich die Verschuldungssituation kaum verbessert. In absoluten Zahlen hat die Verschuldung der EU-Staaten Jahr für Jahr zugenommen. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist sie vom Höchststand (86,5 Prozent) zwar etwas zurückgekommen, liegt mit 81,6 Prozent aber noch deutlich über dem Maastricht-Wert von 60 Prozent.

Der finanzielle Spielraum ist somit nach wie vor eng. Sollte sich die Konjunkturdynamik abschwächen und die Zinsen wieder ansteigen, könnte sich die Situation rasch verschärfen. Für eine Entwarnung ist es trotz der erfreulichen Werte für 2017 eindeutig zu früh.

Was macht die EZB?

Anfang Jahr war die Welt für die EZB noch in Ordnung. Politische Unsicherheiten waren kaum auszumachen und die Konjunktur in der Eurozone hatte Fahrt aufgenommen. Dieses positive Umfeld würde es der EZB sogar erlauben, die geldpolitische Normalisierung früher als ursprünglich erwartet einzuleiten – so eine weitverbreitete Ansicht. Und die SNB könnte angesichts des guten Umfelds und des schwächeren Frankens sogar vor der EZB noch in diesem Jahr einen ersten Zinsschritt vornehmen.

Die Welt hat sich in der Zwischenzeit verändert. Das Wachstum in der Eurozone hat sich in den letzten Monaten abgeschwächt. Und mit dem Handelskonflikt sowie der unerwarteten Regierungskoalition in Italien ist auch der Faktor «Politische Unsicherheit» zurück auf der Bühne.

Die Fantasie ist verflogen

Die EZB hat inzwischen das Ende der Anleihenkäufe per Ende Jahr angekündigt. Dieser Entscheid lieferte kaum Gesprächsstoff. Eine Aussage von EZB-Chef Mario Draghi im Juni liess hingegen aufhorchen. Er sagte, dass die Leitzinsen bis mindestens Ende Sommer 2019 auf dem aktuellen Niveau bleiben werden. Nichts also mit frühzeitiger Straffung, im Gegenteil: Die Markterwartung für den ersten Zinsschritt der EZB wurde um mindestens ein Quartal nach hinten geschoben.

Derweil hat die US-Notenbank (Fed) die Zinsen in diesem Jahr bereits zwei Mal erhöht. Für 2018 rechnen die Fed-Mitglieder neu mit total vier Zinsschritten (bisher drei). Während die Fed also einen restriktiveren Unterton anschlägt, sorgt die EZB mit ihrem «expansiven» Zinsausblick dafür, dass sich die geldpolitischen Wege dies- und jenseits des Atlantiks nicht annähern, sondern weiter auseinanderdriften.

Für die SNB hat sich durch Draghis Worte im Grunde nicht viel verändert. Sie wird sich weiter in Geduld üben (müssen), die Negativzinsen auf dem heutigen Niveau belassen und bei Bedarf über Devisenkäufe einer Frankenstärke entgegenwirken. Der erste Zinsschritt wird nicht vor September 2019 erfolgen. Das Ende der Negativzinsen liegt tief im Jahr 2020. Selbst die optimistischsten Prognostiker haben kapituliert und erwarten keine frühzeitige Zinserhöhung durch die SNB mehr. Die Fantasie ist verflogen.

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