Finanzen & Vorsorge

Vorsorgen und finanzieren III

Durch Börsengang Wachstumspotenziale ausbauen

Kapital und Finanzierungsflexibilität sind eine Basis für erfolgreiches Wachstum. Der Gang an die Börse ist eine Möglichkeit, entsprechende Potenziale auszuschöpfen. Allerding schrecken viele Unternehmen davor zurück, weil sie ein «Projekt Börsengang» als zu gross und zu kompliziert betrachten. Der Beitrag beschreibt die Grundlagen und Vorteile.
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Die Schweiz hat viele Unternehmen mit vielversprechenden Wachstumspoten­zialen. Doch früher oder später geraten sie an ihre Grenzen. Sie stehen vor Herausforderungen wie fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten, Nachfolgefragen, Aktionären, die ihr Investment realisieren wollen, oder Fragen der Internationalisierung und Professionalisierung. Sowie ihre Banken und Berater sehen viele Inhaber die Lösung in Venture-Capital, Private Equity oder sogar dem Verkauf der eigenen Firma an einen Grosskonzern. Doch ist das tatsächlich die Lösung? Eine mögliche Alternative dazu ist der Gang an die Börse.

Gute Vorbereitung notwendig

Ein Gang an die Börse ist natürlich mit gewissen Vorkehrungen verbunden. Dazu gehören in einem ersten Schritt die Aufstellung einer breiteren Führungsequipe, das Einberufen von neuen Verwaltungsratsmitgliedern sowie die Einführung zusätzlicher Reporting-Instrumente. Zudem kommen Governance-Standards, klare Strukturen sowie eine zielgerichtete Unternehmensstrategie dazu. Die Hauptaufgabe des Managements und insbe­sondere der CEOs sowie CFOs in einem Börsengang ist die Kommunikation – und dies vor allem in Form von Roadshows bei potenziellen Investoren. Eine glaubwürdige Equity-Story ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.

Für gut organisierte Firmen sind viele dieser Anpassungen jedoch kein grosser Aufwand. Grösstenteils handelt es sich dabei um Massnahmen, die heute zu den Grundstrukturen einer modernen Unternehmensführung gehören. Für ein wachsendes Unternehmen sind sie daher sowieso früher oder später verpflichtend. Dennoch muss sich ein Unternehmen bewusst sein, dass ein Börsengang – zumindest kurzfristig – mit zusätzlichen Aufwänden verknüpft ist. Ein Unternehmer, der diesen Weg einschlägt, muss deshalb davon überzeugt sein und einen gewissen Mehraufwand im Sinne des Wachstums auf sich nehmen wollen. Ist jedoch der Entschluss, an die Börse zu gehen, erst einmal gefasst, warten neben Pflichten auch zahlreiche Vorteile.

Mehr als nur Kapitalzufuhr

Der Kapitalbedarf wird meistens als einer der Hauptgründe für einen Börsengang genannt. In der Tat bringt neues Kapital zusätzliche Möglichkeiten: Es ist der Ausgangspunkt für weitere Investitionen, den Ausbau des Netto-Umlaufvermögens, das Scale-up, den Roll-out sowie die Internationalisierung. Zusätzlich erleichtert es die Zusammenarbeit mit Banken sowie, wenn gewünscht, die Platzierung von Obligationen. Kurzum: Die Finanzierungsflexibilität steigert sich erheblich.

Das zugeführte Geld ist letzten Endes aber meist nur Mittel zum Zweck. Der eigentliche Punkt ist das Wachstum. Viele Schweizer Unternehmen arbeiten weit unter ihren Möglichkeiten. Investoren wollen aber eine Wachstumsstory sehen, die brachliegende Potenziale vollends ausschöpft und so den Unternehmenswert langfristig steigert. Gerade für Firmen auf Expansionskurs bringt ein Börsengang neue Chancen für strategische Partnerschaften. Kunden stufen zudem bereits kotierte Unternehmen seriöser ein und sehen sie schneller als geschäftswürdig.

Breitere Abstützung

Ein weiterer Vorteil eines Börsengangs ist die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit. Bei einem Unternehmensverkauf ist dies meistens nicht gewährleistet. Bei auftretenden Problemen können sich die Prioritäten von Unternehmenskäufern schnell verschieben.

Unternehmen, die eng mit der Familie verknüpft sind oder das Lebenswerk von unternehmerischen Persönlichkeiten oder Gründerteams sind, setzen alles daran, die Selbstständigkeit der Firma zu wahren. Doch auch Gründer, Manager und bestehende Aktionäre schätzen die Unabhängigkeit der Firma. Dabei gilt es vor allem die Qualität von Produkten und Dienstleistungen zu sichern. Ausserdem soll der Markenname – der vielleicht sogar der eigene Familienname ist – weiter strahlen. Ein Börsengang sichert diese Selbstständigkeit, was zur externen sowie internen Stärkung der Firma beiträgt.

Gleichzeitig hilft ein Börsengang, von eben diesen starken Persönlichkeiten wie Gründerteams, Familienvorfahren oder Inhabern loszukommen. Meist sind sie für die Gründung des Unternehmens zwar entscheidend, aber über die Zeit hinweg sollte eine breitere Abstützung stattfinden. Eine Firma von beispielsweise Hunderten von Mitarbeitern darf nicht von Einzelpersonen getragen werden. Ein Börsengang sorgt für diese Loslösung und es entsteht eine klare Verteilung sowie Regelung der Verant­wortlichkeiten.

Öffentlichkeit erzeugen

Bei einem Börsengang gilt es gewisse Strategien und Zahlen offenzulegen. Viele Unternehmer tun sich mit dieser Transparenz schwer. Häufig kommt der Einwand, die Konkurrenz könnte ihnen zu einfach «in die Karten schauen». Die Erfahrung zeigt jedoch, dass relevante Geschäftsgeheimnisse und die Erfolgsgründe sich nicht aus Geschäftsberichten herauslesen lassen. Ausserdem erzeugt ein öffentlicher Geschäftsbericht das Vertrauen von relevanten Stakeholdern und ist insbesondere für eine Expansion ins Ausland ein grosser Treiber. So ist Transparenz ein Zeichen von Stärke, das Vertrauen schafft und die Grundlage für gute Geschäfte ist.

Die Euronext begegnet immer wieder interessanten Schweizer Firmen. Diese bringen ausserordentliche wirtschaftliche Leistung und spannende Perspektiven mit sich. Darüber kommuniziert wird aber kaum. Ein Börsengang bringt in dieser Hinsicht einen grossen Vorteil: Es entsteht ein Aktienkurs. Alleine dessen Existenz erzeugt Öffentlichkeit. Die Aktien werden gehandelt, was Analysten sowie Medien dazu animiert, einen Diskurs zu starten. Dies fördert die eigene Investorenstory. Ausserdem eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Kommunikation, die Bekanntheit, das Markenbewusstsein und letzten Endes auch für die Kundenbeziehungen.

Möglicher Mehrwert

Grösseres Vertrauen bei Investoren und potenziellen Partnern sowie mehr Glaubwürdigkeit auf Seiten der Mitarbeitenden und Kunden – ein Börsengang bringt weitaus mehr Vorteile als eine Kapitalzufuhr. In den meisten Fällen schafft dieser Schritt erfahrungsgemäss einen Mehrwert von 25 bis 50 Prozent. Ausserdem ist der Gang an die Börse kein Endbahnhof. Im Gegenteil, er kann einen späteren Unternehmensverkauf auch umso attraktiver gestalten.

Besonders hervorgehoben sowie immer wieder von CFOs betont sind die subtilen, unternehmensstärkenden Errungenschaften. Ein Börsengang führt zu mehr Klarheit und Struktur: Ziele werden deutlicher, die Arbeitsschritte konsequenter, das Wissen erweitert, die Prozesse sinnvoller und das Unternehmen wird straffer geführt. All dies festigt den unternehmerischen Standpunkt. Gerade dieser Rahmen gibt paradoxerweise Sicherheit und wird zur Grundlage für die Realisierung von Wachstum.

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