Finanzen & Vorsorge

Lohnstrategie

Dividende statt Lohn: AHV setzt Schranken

Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II wurde die Teilbesteuerung von Dividenden eingeführt. Damit hat ein Umdenken der Aktionäre, die im Unternehmen arbeiten, bezüglich ihrer Bezugsstrategie stattgefunden. Nun versuchen die Sozialversicherungsbehörden übermässige Ausschüttungen einzuschränken, da Dividenden nicht AHV-beitragspflichtig sind.
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Die wirtschaftliche Doppelbelastung von Unternehmen und ihren Aktionären gehört zum Schweizer Steuersystem und gab immer wieder Anlass zu Diskussionen. Dabei werden Reingewinne des Unternehmens mit der Gewinnsteuer und bei Ausschüttung an den Aktionär mit der Einkommenssteuer erfasst. Diese zweifache Besteuerung veranlasste mitarbeitende Aktionäre, möglichst hohe Löhne statt Dividenden zu beziehen. Solche Saläre hielten dem Drittvergleich meistens nicht stand. Die Folgen: Im Rahmen des übermässigen Lohnbezugs erfolgte eine Gewinnaufrechnung für die Gesellschaft und eine Umqualifikation in Vermögensertrag für den Aktionär.

Die Einführung der Teilbesteuerung von Dividenden mit der Unternehmenssteuerreform II sollte die Attraktivität des Dividendenbezugs fördern und die Beziehung zwischen Unternehmen und Aktionär wirtschaftlich entlasten. Seit dem 1. Januar 2009 werden Vermögenserträge (wie Dividenden) aus qualifizierenden Beteiligungen von mindestens zehn Prozent des gesamten Nominalkapitals nur teilweise besteuert: Auf Bundesebene sind Dividenden im Privatvermögen nur zu 60 Prozent steuerbar, während in den Kantonen steuerbare Quoten von 25 Prozent (Kanton Schwyz) bis 70 Prozent (Kanton Waadt) anzutreffen sind.

Die Sicht der AHV

a. Unternehmenssteuerreform II

Die Unternehmenssteuerreform II hat die Bezugsstrategie der mitarbeitenden Aktionäre verändert. Davor wollten diese die Gewinnsteuer durch möglichst hohe Löhne reduzieren und die wirtschaftliche Doppelbelastung umgehen. Die Steuerbehörde konnte diese Saläre unter dem Aspekt des Drittvergleichs beurteilen; für die AHV-Ausgleichskassen hingegen gab es keinen Anlass, diese zu beanstanden, da sie AHV-pflichtigen Lohn darstellten.

Seit der Bund Dividenden teilbesteuert und die Kantone in der Regel noch tiefere Quoten und mancherorts zusätzlich tiefe Gewinnsteuersätze anwenden, tendieren Unternehmeraktionäre zu höheren Dividendenbezügen. Aus Sicht der AHV hat die steuerliche Entlastung der Dividenden damit Einnahmeeinbussen verursacht, da Vermögenserträge nicht der AHV-Beitragspflicht unterliegen. Diese Einbussen hat der Gesetzgeber im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II bewusst in Kauf genommen. Darum will sich die AHV auch an die deklarierte Vergütungsform halten und nur in Ausnahmen davon abweichen. Trotzdem stellt sich die Frage, wann die AHV eingreifen darf und beitragsfreie Dividenden in beitragspflichtigen Lohn umqualifizieren kann.

b. Nidwaldner Praxis abgelehnt

Aufgrund der beschriebenen Entwicklung hat das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) den kantonalen Ausgleichskassen eröffnet, unter welchen Voraussetzungen ausgeschüttete Dividenden als massgebender Lohn gelten. Das BSV stützte sich dabei auf die sogenannte Nidwaldner Praxis. Diese sieht bei einem Missverhältnis zwischen dem deklarierten Lohn und der Dividende eine Lohnaufrechnung vor.

Ein Missverhältnis liegt dann vor, wenn die Dividende mehr als 15 Prozent Verzinsung des einbezahlten Anteils am Grundkapital der Gesellschaft ausmacht. Bei einem solchen Missverhältnis darf der Lohn allerdings nur auf einen branchenüblichen Lohn aufgerechnet werden.

Ein Grundsatzentscheid des Bundesgerichts (BGE 134 V 297) vom 5. Juni 2008 hält fest, dass sich die Angemessenheit der Dividende, welche sich allein am einbezahlten Grundkapital orientiert, gesetzeswidrig sei. Zusätzlich müssten die Sozialversicherungsbehörden das Verhältnis zwischen Lohn und Dividende im Rahmen eines Fremdvergleichs überprüfen. Eine schematische Anwendung der Nidwaldner Praxis dürfe nicht erfolgen.

c. Das branchenübliche Gehalt

Das Bundesgericht verweist in seinem Grundsatzentscheid auf die «Einheit und Widerspruchslosigkeit» der Rechtsordnung und plädiert für eine Übernahme der steuerbehördlichen Beurteilung. Die Ausgleichskassen dürfen von der unternehmenseigenen Aufteilung von Dividende und Lohn nur abweichen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt sowie zwischen Vermögen und Dividende besteht.

Bei der Beurteilung, ob ein solches Missverhältnis vorliegt, müssen die Ausgleichskassen sowohl eine angemessene Entschädigung für die geleistete Arbeit als auch einen angemessenen Ertrag für das investierte Kapital festlegen. Sie können eine Dividende nur dann in Lohn umqualifizieren, wenn sich der Aktionär keinen oder einen unangemessen tiefen Lohn und gleichzeitig eine unangemessen hohe Dividende im Verhältnis zum eingesetzten Vermögen ausgerichtet hat.

Treffen beide Punkte zu, so rechnen die AHV-Behörden einen Lohn bis maximal zum branchenüblichen Gehalt auf. Liegt dagegen bereits ein branchenübliches Gehalt vor, muss die AHV die ausgeschüttete Dividende akzeptieren. Damit zur Frage des branchenüblichen Gehalts.

Wer beurteilen will, ob eine Arbeitsleistung angemessen entschädigt wird, muss nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung einen Drittvergleich anstellen. Dabei gilt es zu prüfen, ob «unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Faktoren die gleiche Leistung von einem aussenstehenden Dritten erbracht worden wäre.» Die folgenden Vergleichskriterien sind massgebend:

› Stellung, Funktion, Verantwortung und Aufgaben des Salärempfängers im Unternehmen;

› Zeitlicher Umfang des Arbeitspensums;

› Ausbildung, Spezialkenntnisse, Begabungen, Erfahrungen und Beziehungen;

› Verhältnis von Umsatz, Cashflow und Gewinn zum Lohn;

› Externe Drittvergleiche mit Salärempfängern in vergleichbaren Betrieben.

Zusätzlich soll die AHV-Ausgleichskasse wenn möglich einen Vergleich mit Löhnen von Arbeitnehmenden in vergleichbarer Stellung ohne gesellschaftliche Beteiligung vornehmen (innerbetrieblicher Drittvergleich). In der Praxis kommt hier unter anderem der individuelle Lohnrechner des Bundesamts für Statistik zum Einsatz. Damit lässt sich unter Berücksichtigung des individuellen Profils mit den oben erwähnten Merkmalen ein Vergleichslohn errechnen, der als Richtwert für das gesuchte branchenübliche Gehalt gilt.

d. Dividenden: angemessen oder nicht

Die Angemessenheit einer Dividende bemisst sich im Verhältnis zum Wert der Beteiligungsrechte und nicht zum Nennwert der Aktien. Als Basis gilt der von den Steuerbehörden ermittelte Steuerwert der Beteiligungsrechte. Da der Steuerwert der Aktien wesentlich vom Aktienkapital abweichen kann, muss die Angemessenheit der Dividende neu beurteilt werden. Diese hängt von verschiedenen Faktoren eines Unternehmens ab, weshalb das BSV maximal zehn Prozent des steuerlichen Unternehmenswerts als angemessenen Richtwert vorgibt. Was dies bedeutet, zeigt eine Beispielrechnung (siehe Kasten).

e. Substanzdividenden

Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Dividenden stellt sich die Frage, ob die Reingewinne früherer Geschäftsjahre berücksichtigt werden müssen. Schliesslich können Dividenden auch aus thesaurierten Gewinnen aus Vorjahren ausgeschüttet werden – sogenannte Substanzdividenden. In einem 2012 ergangenen Urteil hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob eine Substanzdividende beitragsrechtlich zum massgebenden Lohn umqualifiziert werden kann. Dabei musste es beurteilen, ob sich die AHV-rechtliche Behandlung von Dividenden überhaupt periodenübergreifend betrachten liess. Die Richter sprachen sich für einen Blick in die Vergangenheit aus; denn die mit den Dividenden ausgeschütteten Reserven wurden in Jahren erwirtschaftet, als der Unternehmensaktionär einen angemessenen Lohn bezog. Wären die Dividenden früher ausbezahlt worden, hätte das zu keiner Umqualifikation in AHV-pflichtigen Lohn geführt. Durch die spätere Gewinnausschüttung würden diese Dividenden indirekt der Beitragspflicht unterstellt. Das Bundesgericht folgerte: «Die Angemessenheit des Vermögensertrags steht in Relation zu derjenigen des Erwerbseinkommens aus einem konkreten Jahr». Gleichzeitig hielt es fest, dass dieser Entscheid keine generellen Schlüsse zur AHV-rechtlichen Behandlung einer Substanzdividende zuliess und dass der Sachverhalt von Fall zu Fall neu zu beurteilen sei.

Da Vermögenserträge AHV-rechtlich nicht zum massgebenden Lohn gehören, führt der vermehrte Bezug von Dividenden zu einer Reduktion der Sozialversicherungsabgaben. Das reduziert zwar die Gesamtbelastung, kann aber nachteilige Folgen für die Altersvorsorge (und deren steuerplanerische Optimierung) haben.

Mit einem minimalen Lohnbezug nimmt der Aktionär in Kauf, dass sein versichertes Gehalt im Rahmen der 2. Säule sinkt und sich schliesslich negativ auf das spätere Altersguthaben auswirkt. Natürlich kann er mit den Risiken Alter, Tod und Invalidität auf die 3. Säule ausweichen. Aus steuerlicher Sicht ist dies langfristig jedoch weniger attraktiv.

Die mit der Unternehmenssteuerreform II eingeführte Teilbesteuerung von Dividenden im Privatvermögensbereich legt den Aktionären ein attraktives Instrument in die Hand, um ihre Abgabelast zu mindern. Die AHV-Behörden setzen hier aber Schranken, sobald ein klares Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Lohn sowie zwischen Vermögen und Dividende besteht. Allerdings lässt sich diese Fragestellung nicht verallgemeinern, obwohl das BSV Kriterien als Richtgrössen veröffentlicht hat. Bei unklaren Verhältnissen ist der Aktionär darum gut beraten, den Sachverhalt mit der zuständigen Ausgleichskasse zu besprechen und festzulegen. «

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