Finanzen & Vorsorge

Steuerreform 2020

Die wichtigsten Änderungen und Vorteile für KMU

Am 19. Mai 2019 hat das Stimmvolk die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) mit 66,4 Prozent Ja-Anteil angenommen. Damit sprach es sich für ein international anerkanntes Steuersystem und eine verlässliche Altersvorsorge aus. Der Beitrag fasst die wichtigsten Änderungen zusammen und zeigt, warum die Steuerreform auch KMU zugutekommt.
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Der Schweizer Volkssouverän sprach am 19. Mai 2019 Klartext: Mit 66,4 Prozent Ja-Stimmen machte er den Weg frei für eine international wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung und für einen ersten Beitrag an eine verlässliche Altersvorsorge. Mit der Steuerreform werden die Steuerregimes, die international unter Beschuss gerieten, abgeschafft. Dank finanzieller Unterstützung des Bundes können die Kantone ihre Gewinnsteuersätze reduzieren. Für innovative Unternehmen sieht das Reformpaket Entlastungsmassnahmen vor. Und schliesslich kann die Schweiz ihre bald 50-jährige Geschichte als Vertrauens­partner für unternehmerisches Handeln fortsetzen. Nachfolgend werden die wichtigsten Änderungen kurz zusammengefasst.

Die wichtigsten Änderungen

Internationale Konformität

Die Sondersteuerregimes (kantonale Sonderstatus für Holding-, Verwaltungs- und gemischte Gesellschaften) sowie die Regeln bei der Bundessteuer für Prin­zipalgesellschaften und für sogenannte Swiss Finance Branches werden abgeschafft. Die Europäische Union (EU) hat diese Steuerpraxis in der Vergangenheit stark kritisiert. Sie drohte, die Schweiz auf die schwarze Liste der «Steuerparadiese» zu setzen. Staaten auf der grauen Liste hatten gegenüber der EU Zusagen gemacht, Änderungen an ihren Steuerpraktiken vorzunehmen – so auch die Schweiz. Mit dem Ja zur STAF und der Umsetzung der Steuerreform gelten künftig für alle Unternehmen die gleichen Besteuerungsregeln. Damit kehrt die Schweiz zurück zu einem inter­­national akzeptierten Unternehmensbe­steu­erungssystem. 

Wirtschaftsstandort Schweiz

Das Schweizer Stimmvolk hat mit der Annahme der Steuerreform geowirtschaftliche Weichen gestellt: Die steuerliche Attraktivität des Unternehmens­standorts Schweiz kann gewahrt und Arbeitsplätze sowie mittel- bis längerfristige Steuereinnahmen gesichert werden. Der Anteil der Kantone an den Einnahmen aus der direkten Bundessteuer steigt. Dadurch können voraussichtlich 18 der 26 Kantone den Unternehmen ein attraktives kantonales Steuerniveau von 12 Prozent bis 14,5 Prozent bieten. Das erlaubt es den Kantonen, steuerstarke Unternehmen zu halten und eine Abwanderung von Steuersubstrat und Arbeitsplätzen ins Ausland zu verhindern.

Entlastung für innovative Unternehmen

Das Reformpaket sieht auf kantonaler Ebene Entlastungsmassnahmen für innovative Unternehmen vor. Diese sind gerade für Hochsteuerkantone wie Bern, Aargau, Zürich, Tessin, Wallis und Jura interessant. Zu diesen Kompensations­instrumenten gehören die obli­gatorische Einführung einer Patentbox gemäss OECD-Standard, der kantonal fakultative Sonderabzug für Forschung und Entwicklung (F&E) und – für Zürich als starken Finanzplatz besonders wichtig – der Abzug für Eigenfinanzierung. Als Ausgleich für den Wegfall der Steuerregimes dürfen die Kantone den ehemaligen Regimegesellschaften Übergangsregeln anbieten. Auch diese helfen mit, dass innovative Unternehmen im Kanton bleiben. Allerdings sind die neuen kantonalen Abzüge zur Sicherung der Steuereinnahmen auf maximal 70 Prozent des steuerbaren Gewinns begrenzt.

Rechtssicherheit

Bis zum Ausbruch des Steuerstreits mit der EU genoss die Schweiz über Jahrzehnte den Ruf als stabiler und berechenbarer Standort für wirtschaftliche Aktivitäten. Mit der Kritik der EU an den Steuerregimes kam Unsicherheit auf. Trotzdem standen die Kantone den Unternehmen als verlässlicher Partner zur Seite. Mit der Annahme der Steuerreform gewinnt die Schweiz an Rechts­sicherheit zurück. Sie kann sich im Rahmen eines international kompatiblen Besteuerungssystems hoch kompetitiv, steuerlich interessant, verlässlich und stabil präsentieren.

Die kantonale Umsetzung

Das Bundesgesetz über die Steuerreform tritt per 1. Januar 2020 in Kraft und gibt den Rahmen für die Umsetzung in den Kantonen vor. Diese müssen die Reform zum gleichen Datum in ihren kantonalen Steuergesetzen umsetzen. Basel-Stadt, Glarus, St. Gallen und Neuenburg etwa haben das bereits getan, Solothurn und Genf haben zeitgleich mit der Abstimmung auf Bundesebene entschieden: Der Souverän im Kanton Genf nahm die Umsetzung an, lehnte sie im Kanton Solothurn jedoch ab. 

Am 1. September 2019 wurde sodann auch bereits in Zürich die Reform angenommen. Die übrigen Kantone folg(t)en. Auch diese beabsichtigen (nehmen) neben der Einführung der optio­nalen Entlastungsmassnahmen in unterschiedlichem Umfang zum Teil eine erhebliche Senkung der Gewinnsteuersätze (vor).

Die vorgesehene Reduktion der Gewinnsteuersätze variiert je nach Kanton stark. Ebenso der Umfang, in dem die Kantone das Reduktionspotenzial durch die neuen Entlastungsmassnahmen ausschöpfen und die maximale Entlastungsgrenze festlegen. Jeder Kanton wägt ab, welche Massnahmenkombination für ihn am Erfolg versprechendsten ist – je nach Ausgangslage, Finanzierungskraft und Bedürfnissen der kantonalen Unternehmen (vgl. Abbildung 1).

Vorteile für KMU

Die Steuerreform wirkt sich in vielerlei Hinsicht positiv auf die Unternehmen in der Schweiz aus. Von der Steuersatz­reduktion profitieren KMU gleicher­mas­sen wie Gross­­un­ter­nehmen; sie wird die Unternehmen spürbar entlasten. Nachfolgend die wichtigsten Neuerungen und Vorteile für Schweizer KMU im Überblick:

Tiefere Gewinnsteuersätze

Die kantonalen Gewinnsteuersätze für KMU-Aktivitäten sinken in vielen Kan­tonen, in einigen Kantonen sogar erheblich (vgl. Abbildung 2).

Steuerabzug für F&E

Schweizer KMU forschen und entwickeln typischerweise in der Schweiz. Mit der Reform können sie neu grundsätzlich den kantonalen Abzug von zusätzlich bis maximal 50 Prozent auf ihre vollen F&E-Kosten geltend machen. Nicht so die grossen Konzerne, die oft auch im Ausland um­fassend F&E betreiben. Denn ausländische F&E-Kosten qualifizieren nicht für den F&E-Steuerabzug – selbst wenn sie von einem Schweizer Unternehmen getragen werden.

Nutzung der Patentbox

Vor allem Unternehmen mit F&E-Aktivitäten und Verkäufen von patentgeschützten Produkten kommen in den Genuss der Erleichterung durch den Patentboxabzug. Die obligatorische Einführung der Patentbox bewirkt, dass ein Teil der Gewinne aus dem Verkauf patentierter Produkte künftig kan­tonal ermässigt besteuert wird. Erfolg­reiche, innovative KMU können die Patentbox in der Regel umfassender nutzen als internationale Unternehmen. Letztere müssen den Patentboxabzug nämlich in jenem Umfang kürzen, in dem die Kosten zur Entwicklung eines Patents im Ausland – und nicht in der Schweiz – angefallen sind.

Vorteil Übergangsregelung

Die bisherigen Statusgesellschaften gehören nicht unbedingt zu den Verlierern der Abstimmung. Sie stehen vor der Wahl, ihren Steuerstatus vorzeitig freiwillig aufzugeben und die unter dem Privileg geschaffenen steuerfreien Re­serven aufzudecken (sogenannter «Step-up») oder bis zur gesetzlichen Abschaffung abzuwarten und anschliessend den Sondersteuersatz anzuwenden («Sondersatz-Lösung»).

Sowohl die Step-up- als auch die Sondersatz-Lösung müssen die Unternehmen direkt bei der kantonalen Steuerbehörde beantragen. Im Gegenzug dazu erhalten sie Rechtssicherheit und wenden entsprechende Gegenmassnahmen durch ausländische Staaten ab. Die meisten Kantone kennen die erwähnte Praxis der Step-up- beziehungsweise Aufdeckungs-Lösung; einzelne hingegen nicht. In diesen Kantonen steht jedoch die Sondersatz-Lösung zur Verfügung (vgl. Abbildung 3). 

Hat ein KMU von einem bisherigen Steuerregime profitiert, so geniesst es die gleichen Vorteile einer Step-up- oder Sondersatz-Lösung wie ein Grosskonzern. 

Abzug für Eigenfinanzierung

Der Abzug für Eigenfinanzierung ist als Zinsabzug auf überschüssigem Eigenka­pital ausgestaltet und als Sonderre­gelung faktisch nur für den Kanton Zürich vor­gesehen. Mit diesem Abzug kann Zürich den Wegzug von Fi­nanzier­ungsaktivitäten aus dem Kanton ver­hindern und Steuermehreinnahmen generieren. 

Entlastung bei der Kapitalsteuer

Die Steuerreform sieht eine Kapitalsteuerentlastung sowohl auf Beteiligungen und Patenten als auch auf Darlehen an Konzerngesellschaften vor. Damit können die Kantone einer Mehrbelastung für bisherige Statusgesellschaften bei der Kapitalsteuer entgegentreten. 

Zusammenfassung

Mit dem Abstimmungsentscheid vom 19. Mai 2019 und dessen Umsetzung in den Kantonen kann die steuerliche Standortattraktivität der Schweiz wieder gesichert werden. Zum Beispiel entlasten die Patentbox und der F&E-Abzug die Unternehmen nicht nur steuerlich. Sie zielen ebenfalls darauf ab, gut ausgebildeten Arbeitskräften in der Schweiz einen Arbeitsplatz zu bieten und sie hier zu halten. Sie sind damit nicht nur ein fi­­nanzieller Anreiz für die Unternehmen, sondern auch ein mittelfristiger Schutz des landeseigenen Know-hows. Die neue Steuerordnung wirkt auf den ersten Blick komplex. Doch diese Komplexität ist mit Unterstützung eines fachkundigen Beraters zu bewältigen; in einem KMU leichter als in einem kompliziert organisierten multinationalen Konzern. Dabei sollten die KMU nicht allein auf die reduzierten Steuersätze schielen, sondern auch Vorteile aus der Patentbox und dem F&E-Abzug prüfen. Denn weniger Gewinnsteuern bedeuten für ein KMU mehr Geld für Investitionen in den Ausbau seiner Aktivitäten und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Ehemalige Statusgesellschaften müssen abwägen, ob sie vom Step-up oder von der Sondersatz-Lösung profitieren wollen. Auch sie gewinnen mit dem Volksurteil einen unbezahlbaren Wert zurück, nämlich Rechtssicherheit für ihr Unternehmen.

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