Finanzen & Vorsorge

Berufliche Vorsorge

Die Wandlungs- und Handlungsfähigkeit gezielt nutzen

Arbeitgeber tragen im Rahmen der BVG-Pflicht die Verantwortung dafür, ihre Mitarbei­tenden gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität zu versichern. Häufig fehlen ihnen die Detailkenntnisse in der geschäftsfremden beruflichen Vorsorge und sie können somit nicht die Handlungsspielräume nutzen, die ihnen das BVG bietet.
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Die berufliche Vorsorge – auch 2. Säule oder Pensionskasse genannt – ist einer der drei Pfeiler des Vorsorgesystems in der Schweiz. Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) regelt die Mindestvorschriften rund um die berufliche Vorsorge bei einer Pensionskasse. Der Arbeitgeber muss demnach seine Mit­arbeitenden ab einem Jahreslohn von 21 510 CHF (bis Ende letzten Jahres galten 21 330 CHF als Mindestgrenze) in einer Pensionskasse gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität absichern. 

Das ist eine gesetzliche Vorgabe – und deren Erfüllung eine unternehmerische Verantwortung. Eine unternehmerische Verantwortung, die nicht selten vor allem als Pflichtaufgabe betrachtet wird. Unternehmen sehen in der beruflichen Vorsorge eher eine administrative Angelegenheit und einen Kostenfaktor, als dass sie ihre Lösung mit grösster Sorgfalt  wählen und darin das Potenzial eines Reputationstreibers erkennen würden. Und während sich der wirtschaftliche Alltag in einer hohen Dynamik zeigt, mag die berufliche Vorsorge als erratischer Block wirken: kantig, ungelenk – und unumstösslich.

Bedürfnisorientierte Lösungen

Doch die berufliche Vorsorge ist viel wandlungs- und handlungsfähiger, als gemeinhin angenommen wird. Viele Vorsorgelösungen bieten bereits heute eine Fülle von bedürfnisorientierten Chancen und individuell optimalen Lösungen – und damit die Grundlage für ein anhaltend anpassungsfähiges System in der 2. Säule. Ein System, das auch in Zukunft eine grosse sozio-ökonomische Verantwortung für unseren Generationenvertrag tragen muss. Was aber dringend notwendige Anpassungen durch den Gesetzgeber verlangt.

Unternehmen finden in der beruflichen Vorsorge interessante Handlungsspielräume, die sie ausnützen können. Wie aber kann eine berufliche Vorsorge implementiert werden, die vorteilhaft für die Mitarbeitenden und attraktiv für das Unternehmen ist?

Bei der Erarbeitung des Vorsorgeplans müssen Unternehmer beachten, in welcher Unternehmensphase ihre Firma steckt. In der Frühphase, als Start-up und Jungunternehmen, wird eher eine kostengünstige Vorsorgelösung sinnvoll sein. Als etabliertes Unternehmen kann die Absicherung dann substanziell verbessert werden. Auch die Zusammenstellung der Belegschaft und deren Profil sind wichtige Indikatoren bei der Wahl der Vorsorgesystematik. Braucht es im Unternehmen eine differenzierte Lösung für die berufliche Vorsorge, die zwischen Mitarbeitenden und Kader unterscheidet, oder eine Lösung, die für Vollzeit- und Teilzeitpensen geeignet ist?

Es gibt auf alle Unternehmensphasen und alle individuellen Verhältnisse passende Lösungen. Ob Start-up, KMU oder Grossunternehmen. Gemeinsam mit dem Unternehmen definieren Anbieter die Vor­sorgelösung, die am besten auf die unternehmenseigenen Bedürfnisse und auf alle Personengruppen im Unternehmen abgestimmt ist. Die Möglichkeit, die Vorsorgelösung laufend der Unternehmensentwicklung und den Bedürfnissen der Personengruppen anzupassen, rundet eine ideale Vorsorgelösung ab.

Relevanter Faktor 

Eine ideale Vorsorgelösung ist es dann auch, die für Mitarbeitende mehr und mehr zu einem entscheidenden Faktor bei der Stellenwahl und dem Stellenverbleib werden kann. Noch fehlt bei vielen Mitarbeitenden, aber auch bei vielen Unternehmen das Bewusstsein für die Bedeutung einer durchdachten, grosszügigen Vor­sorgelösung als Faktor im Arbeitsmarkt. Doch eine perspektivische Vorsorgesicherheit kann gerade in schwierigen Zeiten wichtiger werden als der kurzfristige Blick auf den Lohnzettel. 

Unternehmen müssen demnach der Entwicklung der Vorsorgelösung ein erhöhtes Augenmerk geben und die berufliche Vorsorge als integralen Bestandteil des Employer Branding betrachten, also als Schwerpunkt in den unternehmensstrategischen Anstrengungen zur Positionierung als attraktiver Arbeitgeber. So wird die getroffene Lösung zu einem Mehrwert im Wettbewerb auf dem Stellenmarkt.

Die Mitarbeitenden wiederum müssen bereits in jüngeren Jahren ihr Bewusstsein schärfen für die Vorsorge. Dies kann durch eine gezielte Sensibilisierung und den Aufbau von BVG-spezifischem Wissen geschehen – eine Verpflichtung, der Anbieter und Unternehmen vermehrt nachkommen müssen, aber auch eine Selbstverantwortung der Versicherten.

Zwei Systeme

Natürlich steckt eine nicht weg zu diskutierende Komplexität im System. Und doch: Alle Arbeitnehmenden sind derart direkt von der beruflichen Vorsorge betroffen, dass eine vertiefte Auseinandersetzung angestrebt werden müsste. Denn im Grunde gilt es, sich mit zwei Systemen auseinanderzusetzen: dem Vollversicherungsmodell und der (teil-)autonomen Lösung.

Vollversicherung bietet Stabilität

Das Vollversicherungsmodell in der beruflichen Vorsorge bietet Firmenkunden umfassenden Schutz, Planungssicherheit und weitreichende Garantien – bei minimalstem administrativem Aufwand. Anbieter von Vollversicherungen übernehmen nicht nur die Risiken Alter, Invalidität und Tod, sondern tragen auch das Anlagerisiko komplett. Dadurch sind die Vorsorgeleistungen immer zu 100 Prozent gedeckt. 

Unternehmen und ihre Mitarbeitenden erhalten durch diese Garantien Sicherheit und Schutz auf lange Sicht und können so auf Stabilität in der beruflichen Vorsorge bauen. Da der Anbieter einer Vollversicherung alle Risiken trägt, kommt es zu keiner Unterdeckung, und die angeschlossenen Unternehmen müssen niemals Sanierungsmassnahmen finanzieren. Darüber hinaus werden in der Vollversicherung mindestens 90 Prozent der erwirtschafteten Erträge den Versicherten weitergegeben.

Die klassische Vollversicherung ist damit das «Rundum-Sorglos-Paket» und die risikolose Alternative zu (teil-)autonomen Lösungen, bei denen Arbeitgeber und die Versicherten eine grössere Verantwortung wahrnehmen müssen. Gerade in Krisen an den Finanzmärkten ist das Vertrauen in Vollversicherungen gross. 

(Teil-)Autonome Lösungen bieten Renditechancen

Und doch: Die Anbieter von Vollversicherungen wurden in den letzten Jahren immer weniger. Denn die für die Versicherungsbranche geltenden aufsichtsrechtlichen Kapital- und Solvenzvorschriften sorgen zwar für Sicherheit, schränken aber auch den Anlagespielraum in der zweiten Säule ein. Einige Anbieter haben ihre Vollversicherungsangebote zurückgezogen und ihren Kunden teilautonome Lösungen empfohlen. Bei einer teilautonomen Sammelstiftung tragen die angeschlossenen Unternehmen und ihre Beschäftigten das Anlagerisiko – und damit verbunden auch das Risiko einer Unterdeckung und deren Ausfinanzierung. Dafür können in teilautonomen Lösungen bei umsichtiger Anlagestrategie und entsprechender Marktlage möglicherweise bessere Renditen erzielt werden. Bei der Wahl einer Vollversicherung stellen Arbeitnehmende und Arbeitgebende die Risikominderung über die Chance, möglicherweise bessere Renditen zu erwirtschaften.

Eine Frage des Risikos

Vollversicherung oder (teil-)autonome Lösung? Mit der Wahl des Vorsorgemodells fällen Unternehmen und ihre Mitarbeitende  einen wichtigen Entscheid. Sie wählen zwischen Sicherheit oder zusätzlichen Renditechancen – für diese vermeintlichen Gegensätze stehen, auf den Punkt gebracht, Vollversicherungslösungen und (teil-)autonome Vorsorgekonzepte. Unternehmen und ihre Mitarbeitenden müssen diesen Entscheid fällen, indem sie ihre Risikobereitschaft und ihre Risikofähigkeit berücksichtigen. Sie müssen gewillt sein, nicht nur an den Renditechancen, sondern auch am Risiko zu partizipieren. In jedem Fall lohnt sich eine professionelle Beratung, um eine auf die effektiven Bedürfnisse abgestimmte Lösung zu entwickeln. 

Kündigungsfristen beachten

Für Unternehmer, die für ihr Unternehmen den Wechsel Vorsorgeeinrichtung prüfen, gilt: Anschlussverträge mit einer Sammeleinrichtung haben üblicherweise eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren. Nach Ablauf der Vertragsdauer verlängert sich die Laufzeit automatisch um jeweils ein Jahr, falls nicht rechtzeitig gekündigt wird. Die Kündigungsfrist beträgt im Normalfall sechs Monate, ein Wechsel ist jeweils auf Ende Jahr möglich. Die Mitarbeitenden müssen bei der Wahl des neuen Anbieters für die berufliche Vorsorge in den Entscheidungsprozess miteinbe­zogen werden. Ein Wechsel der Vorsorgeeinrichtung braucht die ausdrückliche Zustimmung der Mehrheit des Personals oder der Arbeitnehmervertretung.

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