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Altersvorsorge

Die Vorteile der 1e-Vorsorgepläne

Die 1e-Vorsorgepläne als Sparpläne für Gutverdienende erhitzen die Gemüter. Auch wenn gewisse Kritikpunkte berechtigt sind, überwiegt der Nutzen der Eigenverantwortung und der Wahlmöglichkeit.
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Das Thema Altersvorsorge ist ein Dauerbrenner. Nebst der Kontroverse rund um die Umwandlungssätze, das Rentenalter und die Sicherung des Systems im Allgemeinen werden auch Fragen der Eigenverantwortung und Solidarität heftig diskutiert. Wie viel Vorbezug des Altersguthabens soll möglich sein, und für was? Und ist bei Pensionierung der Kapitalbezug oder eine Rente vorzuziehen? Seit gut einem Jahr ist die Vorsorgelandschaft um noch ein Thema reicher: die 1e-Vorsorgepläne. Und auch sie öffnen viel Raum für Diskussionen und Emotionen, sowohl unter Branchenexperten als auch bei der Bevölkerung.


Selbstbestimmter anlegen 

Sogenannte 1e-Vorsorgepläne sind individuelle Sparpläne für Versicherte mit höheren Einkommen. Mit 1e-Plänen kann die Anlagestrategie im Lohnbereich über der anderthalbfachen BVG-Lohn-obergrenze durch den Versicherten beeinflusst werden, es können also Lohn­bestandteile ab der Höhe von 127 980 Franken versichert werden. Die Versicherten können dabei unter maximal zehn vorgeschlagenen Anlagestrategien wählen. Die Lohnbestandteile bis 127 980 Franken werden dabei wie bisher verwaltet, ohne jegliche Anlagewahlmöglichkeiten durch die Versicherten.

1e-Pläne für den überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge gibt es schon seit 2006. Am 1. Oktober 2017 hat der Bundesrat im Rahmen der Änderung des Freizügigkeitsgesetzes jedoch eine neue Verordnung in Kraft gesetzt, die die Verbreitung von 1e-Plänen erst richtig ermöglicht: Vorsorgeeinrichtungen müssen den Versicherten keinen garantierten Mindestbetrag mehr auszahlen, wenn sie ihre Pensionskasse verlassen. 

Das heisst, Versicherte, die bei ihrer Pensionskasse von den Anlagewahlmöglichkeiten Gebrauch machen, werden beim Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung nicht nur einen höheren Anlageertrag mitnehmen können, sondern auch allfällige Verluste übernehmen müssen. So muss ein Anlageverlust nicht von den verbleibenden Versicherten im 1e-Plan getragen werden, wie das früher der Fall gewesen ist.


Wer am meisten profitiert

1e-Vorsorgepläne bieten den Versicherten die Möglichkeit, ihre Vorsorgegelder selbstbestimmter anzulegen und die Anlagestrategie den individuellen Bedürfnissen und Risikopräferenzen anzupassen. Die Risikobereitschaft hängt auch stark vom Anlagehorizont ab; jüngere Versicherte dürften risikoreichere Strategien wählen als Versicherte, die kurz vor der Pensionierung stehen. Als grösster Vorteil der 1e-Pläne wird meist die höhere Flexibilität und Freiheit genannt. Aber diese Freiheit geht einher mit mehr Eigenverantwortung, und, wie erwähnt, allfällige Anlageverluste gehen zulasten der Versicherten.

Auch für die Arbeitgeber können 1e-Pläne mit merklichen Vorteilen verbunden sein. Für sie spielen meist Risikoüberlegungen eine Rolle. Die Verpflichtung der Arbeitgeber beschränkt sich auf die Beiträge an die Pensionskasse. Das Sanierungsrisiko fällt weg, da die Versicherten das Anlagerisiko tragen. Das führt zu einer Verringerung der Pensionskassenverpflichtungen. Zudem können Unternehmen, die nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften wie IAS/IFRS oder US GAAP bilanzieren, 1e-Pläne als Beitragsprimatspläne behandeln. Es gibt denn auch Stim-men, die sagen, 1e-Pläne seien hauptsächlich von Arbeitgeberseite initiiert worden – zum Zweck, bilanzielle Verpflichtungen zu reduzieren.


Die Entsolidarisierung

Und worauf begründet sich die Kritik an den 1e-Plänen? Das von Skeptikern am häufigsten genannte Stichwort heisst Entsolidarisierung. 1e-Vorsorgelösungen sei-en erstens nur für Reiche, und zweitens würden sie der Idee der 2. Säule widersprechen. Das Vorsorgesystem würde durch die «Individualisierung» untergraben, die Solidarität mit Füssen getreten. Eine der Hauptaufgaben der beruflichen Vorsorge sei der Schutz der Versicherten. Wann und unter welchen Bedingungen solle oder dürfe man Versicherte aus diesem Schutz entlassen? Manche öffentlich-rechtliche Pensionskasse würde 1e-Vor-sorgelösungen aus Reputationsüberlegungen – Solidarität und Schutz der Versicherten – nicht anbieten wollen.

Zudem seien die angebotenen Strategien zum Teil Augenwischerei, da die Versicherten meist eine mittlere Risikostrategie wählten – eine Anlagestrategie, die von den Pensionskassen selbst angeboten würde. Das heisst, die Pensionskassen legten die Vorsorgevermögen der Versicherten sowieso auf diese Art und Weise an, auch ohne 1e-Pläne.

Die Grundidee der 2. Säule

Diesen Vorwürfen kann jedoch einiges entgegnet werden. Gemäss Bundesamt für Statistik kommen 1e-Pläne nur für etwa jeden zehnten Versicherten infrage. Die Idee der 2. Säule ist, dass die einzelnen Versicherten ein Guthaben anhäufen, das nach Pensionierung ihre Leistungen finanziert (Kapitaldeckungsverfahren). Doch viele Pensionskassen müssen Gelder vom überobligatorischen Bereich umverteilen, um ihre Rentenversprechen zu halten. Der gesetzlich vorgegebene Umwandlungssatz von 6,8 Prozent im Vorsorgeobligatorium führt dazu, dass Neurenten zu hoch ausfallen – sie werden von den aktiven Versicherten quersubventioniert. Eine BVG-Rente für Neurentner benötigt wegen des hohen Umwandlungssatzes im Mittel 4,7 Prozent lebenslangen Zins, während der Mindestzinssatz aktuell bei einem Prozent und das Zinsniveau bei null Prozent liegt, so eine Studie des Schweizerischen Pensionskassenverbands ASIP.

Es findet also eine systemisch bedingte Umverteilung von Reich zu Arm und von Aktiv zu Passiv statt. Die 2. Säule sieht jedoch keinen Generationenvertrag mit Umverteilung von Jung zu Alt vor, wie das im Umlageverfahren der Fall ist. Bei 1e-Plänen kann also nicht von einer Entsolidarisierung gesprochen werden, im Gegenteil. Die Umverteilung von Jung zu Alt hat ein solches Ausmass angenommen, dass zuweilen von einer «Ausbeutung» gesprochen wird. Diese unerwünschte Entwicklung kann mit 1e-Lösungen teilweise vermieden werden. Die Versicherten wählen für ihr 1e-Kapital die Anlagestrategie selbst, die Abwicklung erfolgt auf einem individuellen Konto, und die Pensionskasse muss Verluste nicht ausgleichen und für diese Gelder keine Schwankungsreserven halten. Die einzige Kritik, die gelten gelassen werden kann, ist, dass durch den Abfluss von überobligatorischen Vorsorgegeldern in 1e-Pläne Kapital aus dem Kollektiv fliesst. Dies könnte die Sanierung von Pensionskassen im Ernstfall erschweren.


Risikofähigkeit abklären

Versicherte, die von der Möglichkeit von 1e-Plänen profitieren möchten und die mehr  Eigenverantwortung für ihre Altersvorsorge übernehmen möchten, müssen jedoch ein paar Dinge berücksichtigen. Die Anlagestrategie muss sorgfältig gewählt werden und dem Alter, der Risikofähigkeit und der Risikobereitschaft entsprechen. Personen, die kurz vor der Pensionierung stehen, könnten sich zum Beispiel für einen hohen Anteil an Cash und möglichst sichere Anlagen entscheiden. 

Die Anlagestrategie der 1e-Lösung muss auch im Kontext des Gesamtvermögens erfolgen – es ist eine ganzheitliche Risikoanalyse des Vermögens durchzuführen und auf eine breite Diversifikation zu achten. 

Zu beachten ist auch, dass das in 1e-Plänen angesammelte Vermögen im Allgemeinen nicht als Rente bezogen werden kann, sondern als Kapitalbezug erfolgen muss. Insgesamt sind 1e-Pläne eine wichtige Ergänzung in der Vorsorgelandschaft.

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