Das schweizerische Vorsorgesystem mit seinen drei Säulen der staatlichen, beruflichen und privaten Vorsorge gilt weltweit immer noch als eines der besten Systeme – aber mit sinkender Tendenz. Grund dafür sind auch Finanzierungs- und Leistungsprobleme innerhalb der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge (BVG), die seit 1985 obligatorisch ist. Seither muss jeder Arbeitgeber seine Angestellten ab einem bestimmten Lohn (2017: 21 150 Franken) bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern und seinen Beitrag für die Alterssicherung seiner Mitarbeitenden leisten, im Minimum sind das 50 Prozent der monatlichen Beiträge, der Arbeitgeber kann jedoch auch freiwillig einen höheren Anteil leisten.
Arbeitgeber-Verantwortung
Nicht nur, dass dies eine finanzielle und administrative Aufgabe für jeden Unternehmer darstellt, es ist auch mit einem hohen Mass an Verantwortung verbunden, denn die Wahl der Vorsorgeeinrichtung, der man die Altersguthaben der Mitarbeitenden anvertraut, liegt allein beim Arbeitgeber. Dieser hat die Qual der Wahl, zählt die Schweiz doch rund 1800 Vorsorgeeinrichtungen, die alle zusammen ein Vorsorgevermögen von insgesamt knapp 800 Milliarden Franken verwalten.
Das Unternehmen hat die Qual der Wahl: Entweder es schliesst sich einer Sammelstiftung an, wählt das Modell der Vollversicherung bei einem grossen Lebensversicherer, schliesst sich der Vorsorgeeinrichtung eines Branchenverbandes an oder gründet ein eigenes Vorsorgewerk. Die meisten KMU in der Schweiz (44 %) wählen gemäss einer Umfrage der Hochschule Luzern aus dem Jahr 2015 das Vollversicherungsmodell bei einem Lebensversicherer.
Vorsicht vor Unterdeckung
In jedem Fall muss der Arbeitgeber diese Entscheidung gut überlegen, schliesslich geht es bei der beruflichen Vorsorge für viele Arbeitnehmenden um den gewichtigsten Teil der finanziellen Absicherung im Alter. Und nicht jede Vorsorgeeinrichtung wirtschaftet erfolgreich, manche haben mehr Verwaltungskosten als andere, einige zahlen höhere Leistungen als andere. Ausser, wenn sich der Arbeitgeber für ein risikoloses Vollversicherungsmodell entscheidet, besteht zudem zumindest das theoretische Risiko, dass die gewählte Pensionskasse in Unterdeckung gerät, also die laufenden Renten nicht mehr aus den Einnahmen finanzieren kann.
Im Fall einer erheblichen Unterdeckung erlaubt der Gesetzgeber, dass sowohl die versicherten Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber zur Leistung von Deckungsbeiträgen zur Sanierung der Kasse verpflichtet werden. Ein Szenario, das in den vergangenen Dekaden durchaus des Öfteren eingetreten ist. So verfügten gemäss der alljährlichen Pensionskassenstudie von Swisscanto im Jahr 2003 beispielsweise 6 Prozent der privatrechtlichen sowie 44 Prozent der öffentlichen Pensionskassen infolge der Börsenturbulenzen zu Beginn des Jahrhunderts über weniger Kapital als für die künftigen Verpflichtungen nötig gewesen war. Jeder Arbeitgeber kann sich den Unmut vorstellen, den die Zahlung von zusätzlichen Sanierungsbeiträgen bei der Belegschaft auslösen würde.
Neue Voraussetzungen
Um die Verantwortung für die 2. Säule ablegen zu können, wäre es auf den ersten Blick aus Sicht der Arbeitgeber begrüssenswert, wenn die liberalen Reformvorschläge, die den Arbeitnehmenden das Recht zusprechen wollen, ihre Pensionskassen frei zu wählen, Früchte tragen würden. Auch, weil das patronale System zunehmend der Vergangenheit angehört. Dass Mitarbeitende ihr ganzes Erwerbsleben bei einem Arbeitgeber verbleiben, wird mehr und mehr zu einer Seltenheit. Die moderne Arbeitswelt ist schnelllebiger geworden, Mitarbeiter wechseln die Stelle, um Karriere zu machen und sich weiterzuentwickeln, Frauen und Männer wollen immer häufiger Teilzeit arbeiten, um mehr Zeit für die Erziehung der Kinder zu haben, andere Mitarbeiter reduzieren ihr Pensum und machen sich neben dem Beruf selbstständig, um eigene Geschäftsideen zu testen.
Kurzum: Dass der Arbeitgeber allein die Entscheidung für die Rentenvorsorge seiner Mitarbeitenden trifft, ist ein Modell aus den 1970er-Jahren des letzten Jahrhunderts und basiert auf den damals herrschenden Lebens- sowie Arbeitsgewohnheiten der Menschen, die sich im Laufe der letzten fünfzig Jahre teilweise drastisch verändert haben, Stichwort Digitalisierung.