Finanzen & Vorsorge

Unternehmensnachfolge

Die Notfallvorsorge des Unternehmers

Die unerwartete Unternehmensnachfolge aufgrund eines Ausfalls des Eigentümers kann für die Firma und die Unternehmerfamilie schwerwiegende Folgen haben. Vorsorgliche Massnahmen in der Firma sowie in der Unternehmerfamilie können wesentlich dazu beitragen, in solchen Situationen das Schlimmste zu vermeiden.
PDF Kaufen

Die Gründe für eine Unternehmensnachfolge können verschiedener Natur sein. Beispielsweise weil das innere Feuer des Eigentümers für ein neues Projekt lodert, die nächste Generation an der Schwelle steht oder weil es andere Fähigkeiten benötigt, damit sich das Unternehmen weiterentwickeln kann. Die Nachfolge kann allerdings auch unterwartet aus einem Notfall – einem plötzlichen Ausfall des Unternehmers – resultieren. Dies kann nicht nur die Unternehmerfamilie stark belasten, sondern auch das Unternehmen in grosse Bedrängnis bringen.

Die Notfallvorsorge regelt die unerwartete Unternehmensnachfolge im Sinne des Eigentümers sowie seiner Familie. Das Ziel der Notfallvorsorge ist die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit und somit die Sicherung von Arbeitsplätzen und des Einkommens der Unternehmerfamilie.

Handlungsfähig bleiben

Unternehmensführung sicherstellen
Indem die Verantwortlichkeiten und Aufgaben Personen des Vertrauens zugeteilt werden, wird sichergestellt, dass das Unternehmen bei Beginn einer Krisensituation organisiert ist und die Zuständigkeiten klar geregelt sind. Dabei gehört die Ernennung von Stellvertretungen zu den wichtigsten Massnahmen bei einer Notfallvorsorge. In erster Linie geht es darum, dass die Firma nach aussen weiterhin vertreten wird und Rechtsgeschäfte vorgenommen werden können.

Damit die verantwortlichen Personen ihre Rolle sowie Aufgaben wahrnehmen können, müssen sie entsprechend berechtigt und bevollmächtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass eine gewöhnliche Stellvertretung (OR 32 ff.) ohne gegenteilige Anordnung ihre Wirksamkeit beim Tod oder Verlust der Handlungsfähigkeit des Eigentümers verliert. Ausserdem kann im Todesfall jeder Erbe die Vollmacht (Stellvertretung) widerrufen. Insofern eignen sich besonders die Prokura (OR 458 ff.) oder andere Handlungsvollmachten, weil diese beim Eintritt des Todes oder bei einer Handlungsunfähigkeit nicht automatisch erlöschen.

Sicherung von unternehmens- und unternehmerspezifischem Wissen und Vereinbarungen
Eng verbunden mit der Stellvertreterregelung ist die Dokumentation. Im Gegensatz zu grösseren Unternehmen ist das für die Unternehmensführung notwendige Wissen über die betriebliche Organisation bei KMU oft nur im Kopf des Inhabers. Dazu zählt zum Beispiel spezifisches Wissen zu betrieblichen Prozessen, Produkten, Produktinnovationen, Vereinbarungen mit Lieferanten und Kunden. Aber auch Zugangsdaten (Passwörter) sind vielfach nicht dokumentiert. Im Todesfall oder bei Urteilsunfähigkeit sind solche Informationen gänzlich verloren.

Die Regelung der Stellvertretung verlangt deshalb auch die Dokumentation dieses Wissens und die entsprechende Instruktion des Stellvertreters. Beispielweise sollten Kundendaten für alle vom Inhaber betreuten Kunden stets auf dem aktuellsten Stand sein (unter anderem Name, Alter und Funktion aller wichtigen Ansprechpartner; Beschreibung besonderer Absprachen). Auf Ebene der Lieferanten sind die Namen derjenigen Lieferanten, mit denen Sonderkonditionen etc. vereinbart wurden, festzuhalten. Bei Produktionsunternehmen sollte besonders das spezifische Wissen des Eigentümers, beispielsweise zu geheimen Rezepturen, Produktinnovationen, besonderen Fertigungsmethoden, noch nicht geschützte Patente dokumentiert werden. So können Produktionsunterbrechungen vermieden und neue Produkte weiterentwickelt werden.

Überlegungen zur Rechtsform des Unternehmens
Unternehmer sollten sich überlegen, welche Nachfolgeregelung ihnen für den Fall eines unerwarteten Todes vorschwebt und wem ihr Unternehmen eigentumsmässig zufallen soll. Je nach Rechtsform des Unternehmens ergeben sich dabei unterschiedliche Herausforderungen.

  • Einzelunternehmen: Das Unternehmen fällt wie die übrigen Vermögenswerte in den Nachlass. Sämtliches vererbbares Vermögen und sämtliche vererbbare Schulden gehen dabei auf die Erben über (Universalsukzession, ZGB 560). Somit geht das Unternehmen mit dem Tod des Unternehmers unmittelbar auf die Erben über, die jedoch auch uneingeschränkt für die Schulden des Unternehmens (ZGB 603 Abs. 1) haften. Sofern die Stellvertretung für den Tod nicht geregelt ist, ist das Unternehmen bis zum Antritt der Erbschaft durch die Erben führungslos. Ausserdem können die Erben ab sofort nur noch einstimmig entscheiden, zum Beispiel über die Ernennung des Geschäftsführers, und die Erben werden als selbstständige Erwerbende besteuert.
  • Personengesellschaft: Bei Personengesellschaften ergeben sich andere Probleme. Beispielsweise ist gesetzlich beim Tod eines Kollektivgesellschafters die Auflösung der Gesellschaft vorgesehen (OR 574 Abs. 1 i. V. m. OR 545 Abs. 1 Ziff. 2). Mit sogenannten Fortsetzungs-, Eintritts-, Nachfolge- und Abfindungsklauseln kann diesem Umstand begegnet werden. Diese Klauseln können unter anderem die Abfindung der Erben des verstorbenen Gesellschafters regeln, die Fortführung der Gesellschaft sicherstellen oder Erben in die Gesellschaft eintreten lassen.
  • Kapitalgesellschaften: Bei Kapitalgesellschaften sind der Erbgang und damit auch die Nachfolgeplanung am einfachsten zu bewältigen. Die Anteile am Unternehmen gehen zwar auch auf die Erben über, im Gegenteil zur Einzelfirma haften sie jedoch nicht für Unternehmensschulden und die steuerliche Situation bleibt unverändert. Instrumente zur Sicherstellung der Fortführung beziehungsweise Nachfolge des Unternehmens sind vinkulierte Namenaktien, Stimmrechtsaktien oder auch Aktionärsbindungsverträge.

Private Auswirkungen steuern

Vorsorgeauftrag
Aufgrund des Erwachsenenschutzrechtes ist es möglich, einer dritten Person einen Vorsorgeauftrag zu erteilen. Mit einem Vorsorgeauftrag kann sichergestellt werden, dass eine Person des Vertrauens die notwendigen Angelegenheiten für den Unternehmer bei einer Urteilsunfähigkeit erledigen kann und dies nicht von der Kesb (der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) übernommen wird. Dank eines rechtsgültigen Vorsorgeauftrags können Massnahmen der Kesb, die meistens mit Kosten und zusätzlichem Aufwand verbunden sind, sehr oft vermieden werden. Zur Sicherstellung oder zur Ergänzung der Stellvertretung im Unternehmen ist der Vorsorgeauftrag ein höchst geeignetes Instrument für den Unternehmer.

Güterrechtliche Aspekte
Im Rahmen der Notfallplanung ist auch die güterrechtliche Situation zu berücksichtigen. Ausgangspunkt sind der Güterstand, dem der Unternehmer zurzeit untersteht, und die entsprechenden vermögensmässigen Konsequenzen einer Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod. Je nach Güterstand sind die finanziellen Auswirkungen unterschiedlich, mit allfälligen Konsequenzen für das Unternehmen bzw. die Nachfolge. Diesen Folgen kann mit entsprechender güterrechtlicher Planung im Rahmen eines Ehevertrages begegnet werden.

Als Faustregel gilt, dass das Unternehmen idealerweise einer einzigen Vermögensmasse zugehörig ist. Dies ist bei der Gütertrennung kein Problem. Vorteilhaft ist auch die Errungenschaftsbeteiligung, sofern diverse vertragliche Anpassungen vorgenommen werden. Soll der Ehegatte das Unternehmen übernehmen, liegt es nahe, den Güterstand der Gütergemeinschaft (ZGB 221 ff.) zu begründen, weil das Unternehmen bereits bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung an den Ehegatten gelangt. Soll ein Dritter die Nachfolge antreten, empfiehlt sich die Gütertrennung (ZGB 247 ff.), damit der überlebende Ehegatte nicht privilegiert wird. Übernimmt ein Nachkomme das Unternehmen, so ist es unerlässlich, dass der überlebende Ehegatte güterrechtlich möglichst wenig partizipiert, indem zum Beispiel in einem Ehevertrag Vermögenswerte der Errungenschaft zum Eigengut des anderen Ehegatten erklärt werden.

Erbrechtliche Aspekte
Das Schicksal des Unternehmens ist neben den gesellschaftsrechtlichen und güterrechtlichen Regelungen auch vom Erbrecht abhängig. Die Firma fällt – genau gleich wie das übrige Vermögen – in die Erbmasse des Unternehmers. Ohne eingeleitete Massnahmen können nur die Erben als Erbengemeinschaft einstimmig entscheiden, auch über die Führung oder Weiterführung der Firma. Bei Streitigkeiten, was im Rahmen einer Erbteilung öfters vorkommt, bleibt schliesslich vielfach nur der Verkauf oder die Liquidation des Unternehmens. Mit entsprechenden erbrechtlichen Massnahmen kann der Unternehmer diese Risiken ausschalten.

Finanzielle Massnahmen
Neben den Mitarbeitern können auch Familienangehörige durch den Wegfall des Haupteinkommens in Folge eines Notfalls sehr stark betroffen sein. Dabei spielen die Leistungen aus der staatlichen Vorsorge (AHV), beruflichen Vorsorge (BVG) sowie privaten Vorsorge (3. Säule) eine zentrale Rolle. Nicht selten zahlen sich Unternehmer zugunsten des Firmenwohls verhältnismässig wenig Lohn aus und wählen einen minimalen Vorsorgeplan in der beruflichen Vorsorge. Dies hat zur Folge, dass bei Erwerbsunfähigkeit oder bei Tod geringe Leistungen zur Auszahlung gelangen und Einkommenslücken entstehen. Zur Lückenschliessung und damit zur finanziellen Absicherung ist eine auf den Unternehmer abgestimmte Vorsorgeplanung unerlässlich, damit der Bedarf ermittelt und entsprechende Lösungen umgesetzt werden können.

Fazit

Der Unternehmer steht bei der Notfallvorsorge zwei wesentlichen Herausforderungen gegenüber. Einerseits muss die unmittelbare Handlungsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt und andererseits die langfristige Nachfolge geregelt werden. Dabei überschneiden sich Massnahmen in der unternehmerischen und privaten Sphäre und müssen miteinander koordiniert werden. Neben komplexeren Angelegenheiten, wie ehe-, erb- oder gesellschaftsrechtliche Massnahmen, die meistens den Beizug von Experten erfordern, können organisatorische Massnahmen zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Unternehmens relativ rasch und selbstständig umgesetzt werden.

Porträt