Finanzen & Vorsorge

Vorsorgen und finanzieren IV

Die Fallstricke bei Boni und variablen Vergütungen

Je nach vertraglicher Ausgestaltung oder Umsetzung können Sondervergütungen, wie etwa Boni, eine freiwillige Leistung darstellen oder eine zwingende Zahlung, die vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden darf. Der Beitrag zeigt, mit welchen vertraglichen Regelungen klare Verhältnisse und damit finanzielle Planungssicherheit geschaffen werden können.
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Boni und variable Vergütungen sind ein verbreitetes Mittel, um die Mitarbeiter für die erbrachten Leistungen zu belohnen und für zukünftige Arbeit zu motivieren. In der Regel kommt die Frage nach dem Anspruch auf Zahlung des Bonus am Ende des Jahres auf, wenn der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer das vergangene Jahr beurteilen und Ziele für das bevorstehende Jahr setzen. Unklare Regelungen im Arbeitsvertrag können dazu führen, dass der Arbeitgeber trotz eines schlechten Geschäftsjahres den vermeintlich freiwilligen Bonus zahlen muss. Oder umgekehrt: Dem Arbeitnehmer fehlt der bereits budgetierte Bonus, weil die Arbeitsleistung nicht aussergewöhnlich war oder weil der Arbeitgeber ein schlechtes Geschäftsjahr hatte.

Im nachfolgenden Beitrag wird aufgezeigt, mit welchen vertraglichen Regelungen sich kostspielige Streitigkeiten vermeiden lassen.

Begriffe

Bonus

Beim Begriff des Bonus handelt es sich nicht um einen gesetzlich normierten Begriff. Der umgangssprachlich verwendete Begriff des Bonus entspricht aus juristischer Sicht demjenigen der Gratifikation. Die Abgrenzung, ob Leistungslohn, ein Anteil am Geschäftsergebnis, eine Gratifikation oder eine Mischform vereinbart worden ist, ist im Einzelfall nach dem Wortlaut des Vertrages zu beurteilen. Im Zweifelsfall, das heisst im Falle einer unklaren vertraglichen Formulierung – dies hat das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung wiederholt bestätigt –, muss der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte Leistung zahlen. 

Gratifikation

Bei der Gratifikation handelt es sich um eine Sondervergütung, die aus bestimmtem Anlass zusätzlich zum Lohn ausge­richtet wird (Art. 322d OR). Folgende Gratifikationstypen werden unterschieden:

  • Sondervergütungen, die dem Grundsatz und der Höhe nach eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers darstellen (sogenannte «echte» Gratifikation).
  • Sondervergütungen, auf die dem Grund­­­satz, nicht aber der Höhe nach ein Rechtsanspruch auf Zahlung besteht (sogenannte «unechte» Gratifi­kation).
  • Sondervergütungen, auf welche sowohl dem Grundsatz wie der Höhe nach ein Anspruch besteht (das Bundesgericht nimmt in diesem Fall [variablen] Lohn an).

Lohn

Beim Lohn beziehungsweise bei der Lohnzahlungspflicht handelt es sich um die vertragliche Hauptpflicht des Arbeitgebers. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Gratifikation und dem Lohn besteht darin, dass die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers das Gegenstück zur Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ist. Oder in anderen Worten: Falls sich herausstellt, dass der vermeintliche «Bonus» in Tat und Wahrheit Lohn darstellt, dann muss dieser vom Arbeitgeber bezahlt werden. 

Gratifikation

Wann ein klagbarer Anspruch auf Gratifikation besteht

Grundlage der gegenseitigen Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der Arbeitsvertrag. Selbst wenn keine schriftliche Vereinbarung besteht, gelten trotzdem die Bestimmungen des Obligationenrechts, weil ein Arbeitsvertrag auch mündlich oder stillschweigend geschlossen werden kann. 

Besteht weder eine mündliche (beweisbare) noch eine schriftliche vertragliche Abmachung, das heisst, wenn der Arbeitgeber die Gratifikation freiwillig nach seinem eigenen Ermessen ausrichtet, dann hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation (echte Gratifikation). 

Besteht hingegen eine schriftliche vertragliche Vereinbarung, dann hat der Arbeitnehmer im Rahmen der vertraglichen Abrede einen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation, welchen er vor Gericht beweisen und zwangsweise durchsetzen könnte (unechte Gratifikation).

Die jahrelange Praxis als Stolperfalle

Ein klagbarer Anspruch kann über die Jahre hinweg auch stillschweigend entstehen, ohne dass dies schriftlich vereinbart worden ist. Als Faustregel gilt, dass eine dreimalige, ununterbrochene und vorbehaltlose Ausrichtung einer Gratifikation nach dem Vertrauensprinzip als stillschweigende vertragliche Abrede qualifiziert werden darf. Die ursprünglich vermeintlich freiwillige Zahlung des Arbeitgebers (echte Gratifikation) wandelt sich damit plötzlich zum klagbaren Lohnanspruch des Arbeitnehmers. 

Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält seit fünf Jahren jedes Jahr einen freiwilligen «Bonus» ausbezahlt. Die Zahlung erfolgte selbst in denjenigen Jahren, in welchen die Geschäftsergebnisse des Arbeitgebers ungenügend ausfielen. In diesem Jahr jedoch wird ihm dieser mit der Begründung verweigert, das Geschäftsjahr sei schlecht gewesen. Die ursprünglich eigentlich freiwillige Leistung des Arbeitgebers hat sich durch die mehrjährige Praxis plötzlich zu einem klagbaren Lohn-Anspruch des Arbeitnehmers gewandelt, weil der Arbeitnehmer darauf vertrauen durfte, dass er die Zahlung unabhängig von den Geschäftsergebnissen auch in Zukunft erhalten wird.

Falls der Arbeitgeber jedes Jahr die Freiwilligkeit der Zahlung der Sondervergütung betont hat, dann darf der Arbeit­geber diese freiwillige Zahlung konsequenterweise auch verweigern. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die freiwillige Leistung über die Jahre nicht in einen klag­baren Anspruch gewandelt hat. Der Arbeitgeber kann dies verhindern, indem er bei jeder Zahlung, beispielsweise in der Lohnabrechnung oder in einem Be­gleitschreiben, auf die Freiwilligkeit hin­weist. Zusätzlich muss der Arbeitgeber in schlechten Jahren zwingend auf die Zahlung der Gratifikation verzichten oder diese proportional zum Geschäftsergebnis reduzieren. Auch dies muss gegenüber dem Arbeitnehmer – aus Beweisgründen empfiehlt sich Schriftlichkeit – kommuniziert werden. Unterlässt dies der Arbeitgeber, dann verkommt die Freiwilligkeit der Zahlung der Gratifikation zu einer offensichtlich leeren Floskel und der Arbeitnehmer hat einen klagbaren Anspruch auf Zahlung, weil die Gratifikation als Lohn – dessen Zahlung nicht im Ermessen des Arbeitgebers ist – qualifiziert wird.

Untergeordnete Bedeutung des Bonus zum Fixlohn (Akzessorietätsprinzip)

Eingeschränkt wird der Parteiwille durch das vom Bundesgericht definierte Akzessorietätsprinzip. Demnach ist eine Sondervergütung immer dann eine «freiwillige» Gratifikation, wenn sie im Vergleich zur sonstigen Entschädigung unterge­ordnet beziehungsweise akzessorisch erscheint. Das heisst, das Zusatzentgelt darf den Lohn nicht regelmässig übersteigen, andernfalls wird die Sondervergütung als (Teil-)Lohn angesehen, selbst wenn die Parteien Freiwilligkeit vereinbarten. Diese Rechtsprechung basiert auf der Überlegung, dass es dem Arbeitgeber verwehrt sein soll, den eigentlichen Lohn des Arbeitnehmers in Form einer (freiwilligen) Zahlung auszurichten.

Bei sehr hohen Einkommen verliert das Akzessorietätsprinzip an Bedeutung und kommt gemäss Bundesgericht nicht zur Anwendung. Dies gilt auch in denjenigen Fällen, in welchen die Sondervergütung den Lohn regelmässig übersteigt. Laut Bundesgericht liegt ein sehr hohes Einkommen dann vor, wenn die tatsächlichen Einkünfte in einem bestimmten Jahr das Fünffache des schweizerischen Medianlohns erreichen oder übertreffen.

Liegt hingegen ein tiefes Einkommen vor, bei welchem die Sondervergütung regelmässig zur Existenzsicherung beiträgt, wird häufig bereits bei verhältnismässig geringen Sondervergütungen von einem Lohnbestandteil ausgegangen.

Die Mutation des vermeintlich freiwilligen Bonus zum Lohnbestandteil bedeutet, dass die Ausrichtung nicht mehr vom Willen des Arbeitgebers abhängt und die Höhe nach vertraglich vereinbarten Kriterien und bei Fehlen solcher nach dem Vertrauensprinzip bestimmt wird. 

Besonderheiten bei Bedingungen und Beendigung des Arbeits­verhältnisses

Eine Vereinbarung über eine Gratifi­kation kann an Bedingungen wie Betriebstreue, Geschäftsergebnis, bestehendes beziehungsweise ungekündigtes Arbeitsverhältnis usw. geknüpft sein. 

Solche Bedingungen sind laut Bundesgericht zulässig, weil die Gratifikation auch dazu dienen darf, die Betriebstreue oder die Motivation für zukünftige Leistungen zu steigern. Die Kriterien müssen sachlich begründet und dürfen nicht willkürlich oder diskriminierend sein. In diesem Rahmen gilt die Vertragsfreiheit. 

Einen Spezialfall einer bedingten Gratifi­kation stellen gemäss Bundesgericht aktienbasierte Vergütungssysteme dar. Dabei werden die Anteile über einen bestimmten Zeitraum gesperrt (Vesting-Periode). Während dieser Dauer werden die Anteile jährlich zu einem gewissen Prozentsatz auf den Arbeitnehmer übertragen (sogenanntes «Vesting»). In dem übertragenen Umfang wird der Anteil für den Arbeitnehmer unentziehbar.

Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Sperrfrist (Vesting-Periode), verliert der Arbeitnehmer die nicht übertragenen Anteile.

Missbräuchliche Kündigung 

Eine Vereinbarung, wonach eine Grati­fikation nur ausbezahlt wird, wenn sich der Arbeitnehmer in ungekündigter Stellung befindet, ist grundsätzlich zulässig. Die Vertragsfreiheit und die damit ein­hergehende Kündigungsfreiheit gelten allerdings nur im Rahmen von Treu und Glauben beziehungsweise solange die Kündigung nicht aus missbräuchlichen Gründen erfolgt. Wird dem Arbeitnehmer mittels einer missbräuchlichen Kündigung der Gratifikationsanspruch vereitelt, behält er darum seinen Anspruch. 

Muss der Arbeitgeber alle Mitarbeitenden bei der Ausrichtung einer Gratifikation gleich ­behandeln?

Die Verweigerung der Ausrichtung einer Gratifikation an einzelne Arbeitnehmer ist in denjenigen Fällen, in welchen die Mehrheit der Angestellten eine Gratifi­kation erhält und keine ernsthaften Pflichtverletzungen des betreffenden Arbeitnehmers vorliegen, unzulässig. Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer gegenüber der Mehrheit besser oder auch schlechter stellen. Er hat aber darauf zu achten, dass die Ungleichbehandlung auf objektiv nachvollziehbaren Kriterien beruht.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt allerdings nur zur Anwendung, wenn die Gratifikationszahlung nicht vertraglich vereinbart ist. Liegt hingegen eine solche Vereinbarung (mit einzelnen oder mehreren Angestellten) vor, geniesst die Vertragsfreiheit Vorrang.

Ausübung des Ermessens durch den Arbeitgeber

Eine vertragliche Vereinbarung kann das Ermessen des Arbeitgebers genauer definieren. Ein solches kann beispielsweise in der Beurteilung liegen, ob der Arbeitnehmer gewisse vertraglich verankerte Zielvorgaben erreicht hat. 

Gerade wenn Faktoren, welche nicht objektiv messbar sind, sogenannte «soft factors», wie zum Beispiel das Wohlverhalten gegenüber Kunden, eine Rolle spielen, ist eine klare Vereinbarung unentbehrlich. Der Arbeitgeber kann dann jedoch nicht völlig frei entscheiden, er hat sich stets an den Grundsatz von Treu und Glauben zu halten.

Weitere Sondervergütungen

Anteil am Geschäftsergebnis

Beim Anteil am Geschäftsergebnis handelt es sich um eine Sondervergütung, deren Ausrichtung nur vom Erreichen eines bestimmten, anhand von objektiven Kriterien überprüfbaren Geschäftsergebnisses abhängt. Die Ausrichtung einer Sondervergütung hängt also nicht von der subjektiven Einschätzung des Arbeitgebers ab.

In diesem Fall liegt ein variabler Lohn­bestandteil vor (Art. 322a OR). Diesem Lohnbestandteil muss eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liegen, welche die Berechnung der Sondervergütung anhand von objektiv überprüfbaren Faktoren definiert. In diesem Fall spielen vor allem sogenannte «hard factors» wie Geschäftszahlen eine Rolle.

Das Gesetz gewährt dem Arbeitnehmer gar Kontrollinstrumente, wie das Recht auf Einsicht in die Geschäftsbücher (Art. 322a Abs. 2 OR) sowie das Recht, vom Arbeitgeber eine Abschrift der Erfolgsrechnung zu verlangen (Art. 322a Abs. 3 OR), um seine finanziellen Ansprüche überprüfen zu können. 

Provision

Die Provision stellt eine Sondervergütung dar, die auf bestimmte Geschäfte verabredet ist (Art. 322b OR). Der Anspruch auf Provision entsteht, wenn das Geschäft mit dem Dritten rechtsgültig abgeschlossen wurde. Die Provision kann jedoch nachträglich auch wieder dahinfallen, wenn der Dritte seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt oder das Geschäft vom Arbeitgeber unverschuldet nicht ausgeführt wird.

Zusammenfassung

Beim «Bonus» handelt es sich um den umgangssprachlichen Begriff für eine Sondervergütung. Je nach vertraglicher Ausgestaltung oder Umsetzung kann diese eine freiwillige Leistung darstellen oder eine zwingende Zahlung, die vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden darf (Lohn). So kann es sich um eine freiwillige Gratifikation, einen Anteil am Geschäftsergebnis, Leistungslohn oder eine Mischform handeln. Es ist unentbehrlich, die Rechtsnatur und die rechtliche Verbindlichkeit einer Sondervergütung genau zu vereinbaren und zu formulieren. Eine genaue vertragliche Regelung, eine sorgfältige jährliche Umsetzung und Kommunikation schaffen klare Verhältnisse und geben finanzielle Planungssicherheit. Damit lassen sich kostspielige und zeitintensive Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht vermeiden.