Finanzen & Vorsorge

Rechnungswesen: Kosten- und Preisermittlung (Teil 2 von 2)

Die Entscheidungskalkulation – Nicht jeder Gewinn ist ein Gewinn

Der erste Teil dieses Beitrages befasst sich mit den unterschiedlichen Aspekten der Kalku­lation mit kritischem Blick auf die Zuschlagskalkulation und die Quersubventionierung. In diesem zweiten Teil analysiert der Autor, welche Auswirkungen die heutige Lage auf uns als Leistungserbringer und auf unsere Preisstrategie hat.
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Eine der kritischsten Entscheidungen für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens ist die Strategie von Annahme oder Ablehnung von knapp kalkulierten Aufträgen. Die Frage lautet jeweils: «Wo ist unsere Preis-Untergrenze?» Es passiert nicht selten, vor allem wenn eine dauerhafte Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien besteht, dass der Kunde uns den Preis nennt, zu dem er unter den ausgehandelten Konditionen bereit wäre, uns den Auftrag zu erteilen. Annehmen oder ablehnen? Verständlicherweise hat jede dieser Alternativen Konsequenzen, nicht selten sogar schwerwiegende.

Die Konsequenzen

Wie wir gesehen haben, bietet uns die Zuschlagskalkulation keine naheliegende Möglichkeit die Preisuntergrenze eines Auftrages zu ermitteln. Das Ergebnis unserer Entscheidungen sehen wir entweder auf dem Bankkonto oder nach Vorliegen des Abschlusses, also leider zu spät.

Aber es gibt einen noch grösseren Nachteil: Sind die verwendeten Zuschläge (die wir notabene als Empfehlungen unseres Berufsverbandes erhalten haben) für unseren Betrieb zu gering, werden wir Aufträge annehmen, die möglicherweise nicht kostendeckend sind. Das wird zwangsläufig zu einem negativen Jahresergebnis führen. Führen andererseits unsere zu hohen Zuschläge zu Preisen, die der Kunde nicht bereit ist zu zahlen, werden wir manche Aufträge nicht erhalten, was wiederum ebenfalls zu einem negativen Jahresergebnis führen kann. Tritt der letztere Fall ein, so müssten wir die Zuschläge erhöhen, um rentabler zu werden. Dies wiederum führt zu höheren Preisen, damit zu weiteren Umsatzeinbussen, also zur Beschleunigung der Negativspirale.

Kosten und Preis

Wir müssen zwischen unseren Kosten und dem Preis ganz bewusst unterscheiden. Die Begründung des Preises mit den Kosten ist der falsche Ausgangspunkt, denn er führt zum falschen Schluss. Der Marktpreis ist der Preis, den der Kunde bereit ist für die angebotene Leistung zu bezahlen. Ob dieser Preis für uns (für unseren Betrieb, unsere Organisation, unsere Verwaltungskosten et cetera) kostendeckend ist, ist eine andere Frage, denn der Kunde orientiert sich am Nutzen und am Marktpreis; unsere Kosten interessieren ihn nicht. Sind unsere Kosten derart hoch, dass wir am Marktpreis vorbeischiessen, ist unsere Existenz gefährdet.  Dies ist natürlich eine Binsenwahrheit, doch wird die Frage in den seltensten Fällen so formuliert, dass sie den richtigen Schluss zulässt. Die richtige Frage wäre: Erlauben uns unsere Kosten, zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten? Ist dies nicht der Fall, so muss dafür die richtige Antwort gefunden werden. Einfach billiger anbieten ist keine Option, denn wir werden Verluste machen, die unsere Existenz gefährden. Nicht der Preis muss gesenkt werden, sondern die Kosten.

Einfacher gesagt als getan

Zu wissen, wie man Kosten senkt, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden, ist die grosse Kunst des Reüssierens. Billiger einkaufen, produktiver sein, die Verwaltungskosten reduzieren sind sicher positive Vorsätze. Aber erstens ist es nicht naheliegend, wo man ansetzen soll, und zweitens kann es ein Selbstvernichtungsakt werden. (Man kann sich bekanntlich auch zu Tode sparen.) Also lauten die Fragen:

  • wo ansetzen?
  • wie weit gehen?
  • an was sich orientieren?

Die richtige Beantwortung dieser Fragen kann nicht aus dem Bauch heraus kommen. Man muss sich an konkreten Gegebenheiten orientieren. Deshalb ist die richtige Beantwortung der Frage «An was sollte man sich orientieren?» die matchentscheidende. Und um diese Frage richtig zu beantworten, müssen wir uns mit der Kostenstruktur genauer auseinandersetzen. Da hilft uns die Deckungsbeitragsrechnung weiter.

Die Deckungsbeitragsrechnung

In der Deckungsbeitragsrechnung unterscheiden wir strikte zwischen

  • direkten (variablen) Kosten, und
  • Fixkosten

Direkte Kosten sind solche, die wir sparen, wenn wir den Auftrag nicht annehmen (beziehungsweise nicht bekommen). In den überwiegenden Fällen sind es Material­kosten und Fremdleistungen. Sie sind normalerweise proportional zum Umsatz. Dagegen haben wir die Fixkosten (Infrastrukturkosten) immer, egal ob wir Aufträge haben oder nicht. Der Vollkostenpreis deckt in der Regel sowohl die direkten als auch die fixen Kosten und wirft auch einen angemessenen Gewinn ab. Aber dies ist eine ideale Vorstellung, die im Käufermarkt nicht immer realisierbar ist.

Hier hilft uns die Deckungsbeitragsrechnung weiter. Der für einen Auftrag erzielte Preis muss in der Regel die direkten Kosten, muss aber nicht immer die Fixkosten voll decken. Für die Annahme/Ablehnung eines Auftrages gibt es in der
Deckungsbeitragsrechnung Regeln. Und es gibt Tools, die die Konsequenzen der allfälligen Entscheidungen aufzeichnen (Stichwort «Controlling»).

Dass ein Auftrag, bei dem die Kosten voll gedeckt sind und ein Überhang für den Gewinn besteht, angenommen werden soll, ist naheliegend. Das ist kein Kunststück. Wenn aber der Vollkostenpreis nicht erzielbar ist, gelten gewisse Regeln:

  • Ist der kalkulierte Deckungsbeitrag negativ und es bestehen keine strategischen Erwägungen, die zu berücksichtigen sind, muss der Auftrag abgelehnt werden.
  • Ist der Deckungsbeitrag positiv, aber der zu erzielende Preis nicht vollkostendeckend, muss in Erwägung gezogen werden, dass falls alle Aufträge zu solchen Konditionen angenommen werden, wir am Ende der Budgetperiode einen Verlust ausweisen werden, der dem ungedeckten Teil der Fixkosten entspricht. Die Annahme eines solchen Auftrages muss also eine Ausnahme sein. In diesem Ausnahmefall prüfen wir die Erfüllung folgender Bedingungen:
    (a) Der Auftrag bringt einen Deckungsbeitrag, den wir uns nicht entgehen lassen möchten, und
    (b) wir haben freie Kapazität, sodass wir diesen Auftrag nebst allen anderen abwickeln können (im Handelsbetrieb fast immer der Fall), und/oder
    (c) wir sehen gute Chancen, den budgetierten Umsatz mit anderen, zu Vollkosten verkauften Aufträgen zu realisieren, und
    (d) wir machen uns durch den akzeptierten Preis nicht unglaubwürdig, was unserem Ruf bzw. künftigen Geschäften schaden würde.

Wenn all diese Punkte zutreffen, sollte die Annahme des Auftrages ernsthaft in Betracht gezogen werden. Der Entscheid ist dann vor allem strategischer Natur: Kommen möglicherweise lukrative Folgeaufträge in frage, entstehen Kombinationsmöglichkeiten und Synergien (Gegengeschäfte, bessere Einkaufskondi-
tionen) et cetera.

Abschliessend sei betont, dass es nicht primär auf den Deckungsbeitrag jedes Auftrages ankommt – es können hier Schwankungen nach unten, aber auch nach oben vorkommen –, sondern auf das Gesamtergebnis der Periode. Um die Balance auf der Soll-Linie, die zum Ziel führt, zu halten, gilt es, einerseits jeden einzelnen Auftrag differenziert nach seinem Deckungsbeitragspotenzial, unter Berücksichtigung der Beschäftigungslage, der Marktverhältnisse, der Kapazität et cetera, einzuschätzen und andererseits den Jahreshorizont im Auge zu behalten, auch wenn der geplante Betriebserfolg nicht in jedem Monat erzielbar beziehungsweise zu übertreffen ist.

Es sei an dieser Stelle folgende Bemerkung angebracht: Die Deckungsbeitragsrechnung ist nicht komplizierter als die Zuschlagskalkulation, doch erfordert sie ein gewisses Umdenken, weshalb hier das «Do-it-yourself» nicht zu empfehlen ist. Es bedarf einer kurzen Einleitung durch den Fachmann.

Die Wichtigkeit des Preises

Kunden nennen meist den zu hohen Preis als Grund für die Ablehnung einer Offerte. Auch Leistungserbringer sind vielfach der Überzeugung, dass es der tiefere Preis des Wettbewerbers war, der ihnen die Chance auf den Auftrag nahm. Stimmen diese Erklärungen?

Formal werden diese Begründungen sicher stimmen. Der Kunde möchte die Leistung zu einem möglichst tiefen Preis beziehen. Wie soll ein Anbieter auf die Tatsache reagieren, dass er immer wieder durch billigere Offerten unterboten wird? Natürlich kann er mit seinen Preisen bis zum Gehtnichtmehr tauchen, aber das führt nicht weit. Es empfiehlt sich ein anderer Zugang zum Problem. Ihr Angebot muss nicht unbedingt das billigste sein; es muss für den Käufer den von Ihnen verlangten Preis wert sein.

Sehen wir einmal kurz vom Verhalten der Behörden ab, die nicht selten eine rigide Vergabestrategie fahren, also sich jeweils gezwungenermassen für das günstigste Angebot entscheiden. Die nachstehenden Gedanken gelten grundsätzlich auch für diesen Fall, müssen jedoch differenziert angegangen werden.

Jede Firma hat Stärken und Schwächen. Es ist uns oft zu wenig bewusst, dass es die Stärken sind, die uns dahin gebracht haben, wo wir sind, und die Schwächen ein Weiterkommen verhindert haben. Finden wir heraus, wo unsere Stärken liegen, wie wir sie zum System machen und sie dem Kunden kommunizieren können, und sorgen wir dafür, dass sich unsere Schwächen minimieren. Mit den Worten eines bekannten Marketingfachmanns ausgedrückt:

  • Regel 1: Sei die Nummer 1 in deiner Kategorie.
  • Regel 2: Wenn du in deiner Kategorie nicht die Nummer 1 sein kannst, dann schaffe eine Kategorie, in der du die Nummer 1 bist.

Vorzüge deutlich machen

Jeder von uns weiss, dass es nicht zwei identische Offerten geben kann. Sie unterscheiden sich nicht nur im Preis. Selbst wenn sie inhaltlich identisch wären, sind es verschiedene Firmen und Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, die unterschwellig in der Offerte mit enthalten sind. Was sind die Stärken unserer Firma? Technisches Know-how? Erreichbarkeit? Zuverlässigkeit? Kundenfreundlichkeit? Langfristiger Service? Kreativität? Kommunikation? Geografische Nähe?

Diese Vorzüge auf dem Briefpapier und auf der Homepage Ihrer Firma aufzuführen, genügt nicht. Stellen Sie Ihre spezifischen Vorteile nicht unter den Scheffel, sondern machen Sie sie zur Vorhut Ihrer Firmenkultur. Diese Stärken müssen in Ihrem Unternehmen gelebt werden, damit sie auch nach aussen wirken. Machen Sie sie zum Teil Ihrer Identität und vermitteln Sie sie durch Ihr Verhalten. Sie sind Gold wert.

Wie mache ich das? Eine berechtigte Fra-ge. Sicher nicht mit Sonntagspredigten. Es könnte sich lohnen, hierfür einen Fachmann beizuziehen. Die Investition kann sich als äusserst sinnvoll erweisen. Nutzen Sie den Kontakt zu Ihrem Kunden, um diese Werte hinrüberzubringen. Fragen Sie den Kunden, wie er mit Ihrer Zuverlässigkeit, Ihrem Service, Ihrer Erreichbarkeit et cetera zufrieden war. Ist es ein neuer Kunde, fragen Sie ihn, wie wichtig für ihn Zuverlässigkeit, Service, Erreichbarkeit et cetera sind. Stellen Sie diese Fragen (schriftlich oder mündlich) explizit, um dem Kunden auf indirekte Weise bewusst zu machen, was er durch die Stärken Ihrer Firma bekommt.

Wir neigen dazu, die funktionellen so­-wie sichtbaren Vorzüge und ebenso die Nachteile unseres Angebots zu überschätzen. Natürlich sind die Eigenschaften des Produkts und der Inhalt der Leistung äusserst wichtig, denn sie sind ja das, wofür der Kunde zahlt. Doch werden wir uns dessen bewusst, dass Produkte und Leistungen austauschbar sind, Menschen aber nicht. Sie als Mensch und Lieferant sind einmalig. Da sind Sie die Nummer 1 Ihrer Kategorie.

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