Finanzen & Vorsorge

Rechnungslegung

Die Bilanzierung von angefangenen Arbeiten

Das neue Rechnungslegungsrecht schafft für angefangene Arbeiten beziehungsweise nicht fakturierte Dienstleistungen neue Grundlagen. Insbesondere Unternehmen, die langfristige Projekte mit Kunden erarbeiten, sollten sich mit dieser Thematik auseinandersetzen.
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In der Praxis der Rechnungslegung werden angefangene Arbeiten beziehungsweise nicht fakturierte Dienstleistungen erst erfasst, wenn die definitive Rechnung versendet oder der Zahlungseingang erfolgt. Dieser Umstand hat eine zeitlich verzögerte Besteuerung zur Folge.

Nach dem neuen Rechnungslegungsrecht sind jedoch für jede Rechnungslegungsperiode der Ertrag und der dazugehörige Aufwand periodengerecht zu erfassen und in der Jahresrechnung abzubilden. Dies führt zu einer erhöhten Aussagekraft der Jahresrechnung und bietet ein verlässlicheres Bild über den Erfolg eines Geschäftsjahres.

Die Grundlagen

Das neue Rechnungslegungsrecht sieht nach Art. 958b OR vor, dass Aufwendungen und Erträge zeitlich und sachlich grundsätzlich abgegrenzt werden müssen. Sofern die Nettoerlöse weniger als 100 000 CHF im Geschäftsjahr betragen, kann auf Ausgaben und Einnahmen abgestellt werden. Zudem sieht die neue Mindestgliederung nach OR 959a OR vor, dass nicht fakturierte Dienstleistungen bzw. angefangene Arbeiten in der Bilanz ausgewiesen werden müssen.

Das neue Rechnungslegungsgesetz engt zudem die Aktivierungswahlrechte ein beziehungsweise gibt konkrete Hinweise, wie vorzugehen ist. Als Aktiven müssen nach Art. 959 OR aufgeführt werden, wenn über diese aus einem vergangenen Ereignis verfügt werden kann, ein Mittelzufluss wahrscheinlich ist und ihr Wert verlässlich bestimmt werden kann. In der Regel sind diese drei Kriterien für angefangene Arbeiten allgemein erfüllt, womit eine allgemeine Aktivierungspflicht besteht. Der Einzelfall ist in diesem Fall jedoch auf diese drei Aktivierungstatbestände zu prüfen. Allgemein kann somit festgehalten werden, dass eine verschärfte Aktivierungspflicht für angefangene Arbeiten in der Praxis neu besteht. In diesem Bereich ist somit beim Jahresabschluss zu achten. Auch aus steuerrechtlicher Perspektive wird in Zukunft die zeitliche und sachliche Abgrenzung von Erträgen und Aufwendungen eine erhöhte Aufmerksamkeit erhalten.

Die Anwendung

In der bisherigen Rechnungslegungspraxis ist die Erfassung von angefangenen Arbeiten bis zur Rechnungsstellung beziehungsweise dem Zahlungseingang zeitlich verzögert worden. Typische Unternehmensbeispiele finden sich bei langfristigen Fertigungsaufträgen im Bauhauptsegment und Baunebensegment. Auch bei Ingenieuren, Architekten und Dienstleistungsunternehmen ist von angefangenen Arbeiten und nicht fakturierten Dienstleistungen auszugehen. Ganz allgemein ist bei grösseren Projekten bei diesem Thema erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Das neue Rechnungslegungsrecht schreibt keine Methodik vor, das heisst die Unternehmen sind weitgehend frei, wie sie angefangene Arbeiten und nicht fakturierte Dienstleistungen in der Jahresrechnung neu ermitteln und somit erfassen möchten.

Swiss GAAP FER 22 (langfristige Aufträge) als Referenz für das Obligationenrecht schreibt grundsätzlich die «Percentage of Completion»-Methode (POC-Methode) vor, welche Erträge und Aufwendungen über die gesamte Projektzeit anteilsmässig und nach einem geeigneten Schlüssel verteilt. Jedoch müssen hierzu eine vertragliche Grundlage, eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Leistungserfüllung, eine geeignete Auftragsorganisation sowie eine verlässliche Ermittlung der Kosten und Erträge gegeben sein.

Zudem muss der Fertigsstellungsgrad verlässlich ermittelt werden können. Der Fertigsstellungsgrad ist die Grundlage, wie Erträge und Aufwendungen auf die entsprechenden Perioden korrekt verteilt werden können. Dabei stehen einem Unternehmen folgende drei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Cost-to-Cost-Variante: Die Aufwendungen pro Periode werden durch die geschätzten Totalaufwendungen dividiert.
  • Efforts-expended-Variante: Die Arbeitszeiten pro Periode werden durch die geschätzten Totalarbeitszeiten dividiert.
  • Units-of-delivery-Variante: Die abgegebene Leistung bzw. Liefermenge pro Periode wird durch die Gesamtliefermenge dividiert.

Präferierte Option wird in der Praxis die Effortsexpended-Variante sein, da die Zeiten am verlässlichsten bestimmt werden können. Sofern die Aktivierungsgrundsätze des Obligationenrechts erfüllt sind, sollten auch die Ansatzpunkte nach FER für die POC-Methode erfüllt sein. Somit kann die POC-Methode ansatzweise auch für Abschlüsse nach dem neuen Rechnungslegungsrecht heran­gezogen werden, wobei diese Methode wohl eher für mittelständische Unternehmen von Nutzen sein wird. Jedoch ist wohl der administrative Aufwand für viele Klein- und Mittelunternehmen nach der POC-Methode zu umfangreich.

In der Praxis hilfreicher für Klein- und Mittelunternehmen ist eher die Ermittlung der beanspruchten Zeit (Arbeitszeit) und die entsprechenden Kostensätze, die in einem Zusammenhang mit Kunden- oder Projektaufträgen stehen. Die beanspruchte Zeit ist mit den jeweiligen Kostensätzen zu multiplizieren. Zudem ist bei Bedarf nach verschiedenen Personalkategorien zu differenzieren. Auch bezogene Fremdleistungen (zum Beispiel Freelancer im Auftragsverhältnis) sind entsprechend zu berücksichtigen.

Jedoch ist bei der Bewertung die Ersterfassung zu beachten nach Art. 960a OR. Nach dieser sind Eigenleistungen maximal die Herstellkosten und bei Fremdleistungen die Anschaffungskosten zu bilanzieren. Zu den Herstellkosten sind aufgrund des Vorsichtsprinzips die allgemeinen Verwaltungs- und Vertriebskosten auszuschliessen. Aus Überlegungen des Niederstwertprinzips ist darauf zu achten, dass nicht aktivierte Dienstleistung-en zu Herstell- und Anschaffungskosten nicht höher bewertet werden dürfen als ihr Nettoveräusserungspreis nach Art. 960c OR. Sofern dies der Fall ist, kann es ein Anzeichen für eine ausserordentliche Abschreibung im Zeitpunkt des Jahres­abschlusses sein.

Bei der Anwendung der «Percentage of Completion»-Methode wird eine Teilgewinnrealisation ausgelöst, dass ein anteiliger Gewinn bereits ausgewiesen wird. Es bleibt jedoch kritisch, ob dieser Umstand mit dem Vorsichtsprinzip vereinbar ist.

Neue Grundlagen

Das neue Rechnungslegungsrecht schafft für angefangene Arbeiten beziehungsweise nicht fakturierte Dienstleistungen neue Grundlagen. Insbesondere jene Unternehmen, die langfristige Projekte mit Kunden erarbeiten, sollten sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Allgemein kann hierbei festgehalten werden, dass einige wenige Voraussetzungen erfüllt sein sollten, um die angefangenen Arbeiten zielführend in der Jahresrechnung korrekt abbilden zu können. Die zwei wichtigsten Voraussetzungen sind die verschiedenen Kostensätze je Personalkategorie sowie die verwendete Arbeitszeit. Es ist wohl bei der Arbeitszeit zwischen verrechenbaren (produktiven) und nicht verrechenbaren Zeiten zu differenzieren, da nur die verrechenbaren Zeiten aktiviert werden können. Zudem ist ein effizientes, unternehmensspezifisches Arbeitszeit-Controlling mit Verbindung zu den Projekten von hoher Bedeutung.

Fazit

Sofern die angefangenen Arbeiten eine wesentliche Bedeutung in der Jahresrechnung einnehmen, so sind nach Artikel 959c OR die angewendeten Grundsätze für die Bewertung und Darstellung in kurzer Form anzugeben. Dies erhöht sicherlich die Aussagekraft und Qualität der Jahresrechnung. Zusammengefasst kann hier festgehalten werden: Ein ausgewogenes Zeit- und Projektcontrolling bildet die Grundlage, um angefangene Arbeiten beziehungsweise nicht fakturierte Dienstleistungen zweckmässig zu steuern, zielführende Entscheidungen treffen und die Jahresrechnung entsprechend gestalten zu können.

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