Finanzen & Vorsorge

Finanz- und Vorsorgeplanung I

Der schwierige Entscheid zwischen Rente und Kapital

Zahlreiche Pensionskassen haben ihre Umwandlungssätze – und damit die Höhe der zukünftigen Altersrenten – gesenkt, andere haben diesen Schritt angekündigt. Viele Versicherte stellen sich die Frage, ob sich der Rentenbezug überhaupt noch lohnt.
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Die Zeiten haben sich enorm gewandelt. Seit das berufliche Vorsorgegesetz 1985 in Kraft trat, haben sich die Rahmenbedingungen für Pensionskassen massgeblich verändert. Dies mit stark spürbaren Auswirkungen für die Versicherten. Die Herausforderungen ergeben sich aus der Funktionsweise der zweiten Säule: Während des Erwerbsprozesses zahlen Arbeitgeber und -nehmer Beiträge in die Pensionskasse ein. Diese wiederum legt das Geld möglichst sicher und ertragreich an. Zum Zeitpunkt der Pensionierung wird das ­angesparte Kapital grundsätzlich in eine Rente umgewandelt und der versicherten Person lebenslang ausbezahlt. 

Reduzierte Renten absehbar

Verstirbt diese Person, wird – sofern rentenberechtigte Hinterlassene vorhanden sind – den Hinterbliebenen eine Partner- respektive Waisenrente weiterbezahlt. Diese stark vereinfachte Herleitung der Altersleistungen zeigt bereits die grossen Herausforderungen der Pensionskassen: Wie lange muss die Alters- respektive Hinterlassenenrente im Durchschnitt ausbezahlt werden? Welcher Ertrag lässt sich auf dem Kapital erwirtschaften? Reicht das vorhandene Altersguthaben, um die Rente lebenslang zu finanzieren? Wie entwickeln sich diese Faktoren in der Zukunft?

1985 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines 65-jährigen Mannes noch 14,9 Jahre, einer 65-jährigen Frau 19 Jahre. Diese Werte sind bis 2019 auf 20 Jahre (Männer) und 22,7 Jahre (Frauen) angestiegen. Diese sehr erfreuliche Tatsache der gestiegenen Lebens­erwartung bedeutet auch, dass die Renten länger ausbezahlt werden müssen – bei den Männern ist die Auszahlungsdauer um rund einen Drittel gestiegen. In der gleichen Zeitspanne ist die Rendite der langfristigen Bundesobligationen von über vier Prozent auf unter null Prozent gesunken. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass die Pensionskassen die Renten reduzieren müssen. Wie sich eine Reduktion der durchschnittlichen Verzinsung des Alterskapitals sowie die Senkung des Umwandlungssatzes auf die im Alter 65 zu erwartenden Altersleistungen auswirken, zeigen die Modellrechnungen in Abbildung 1.

Bei gleichen Grundlagen zeigen die deutlich tiefere Verzinsung des Alterskapitals und die Reduktion des Umwandlungs­satzes markante Auswirkungen auf die zu ­erwartende jährliche Altersrente. Um die Rentenreduktion abzufedern, setzen viele Pensionskassen zusätzliche Massnahmen um (zum Beispiel Erhöhung der Sparbeiträge und/oder Verlängerung der Spardauer). 

Die tieferen Renten machen einen Kapitalbezug scheinbar attraktiv. Im Folgenden gehen wir auf wichtige Elemente der zentralen Entscheidung «Rente oder Kapital» ein. Dabei wird ersichtlich, dass die Rente keinesfalls ausgedient hat, die optimale Bezugsform muss jedoch umsichtig gewählt werden.

Rente oder Kapital

Senken Pensionskassen ihre Umwandlungssätze, geschieht dies häufig in jähr­lichen Schritten. Vielfach wird diese ­Reduktion durch Ausgleichsmassnahmen begleitet, um die negativen Auswirkungen auf die künftige Rentenhöhe abzufedern. 

Einige Arbeitgeber gleichen Leistungsreduktionen ihrer Vorsorgeeinrichtung beispielsweise durch Zusatzzahlungen teilweise aus. Andere Pensionskassen bieten zudem Wahlsparpläne an, bei denen der einzelne Versicherte selber mehr in der Pensionskasse sparen kann. Ein genauer Blick auf die individuellen Möglichkeiten lohnt sich auf jeden Fall.

Die meisten Pensionskassen ermöglichen anstelle des Rentenbezugs die Auszahlung eines Teils oder des gesamten Alterskapitals. Wie wirkt sich die Senkung des Umwandlungssatzes aber auf die Frage nach der sinnvollen Bezugsform aus?

Rechnerischer Vergleich

Die Auswirkung einer Reduktion des Umwandlungssatzes lässt sich rechnerisch einfach darstellen: Senkt eine Pensionskasse den Umwandlungssatz beispielsweise von sechs Prozent auf fünf Prozent, wird sich die zu erwartende jährliche Altersrente bei einem Kapital von 500 000 CHF per Pensionierung im Alter 65 von 30 000 CHF auf 25 000 CHF vermindern.

Wird das Kapital ausbezahlt und der jährliche Rentenbetrag jeweils vom Restkapital abgezogen, verlängert sich die Dauer bis zum kompletten Kapitalverbrauch aufgrund der tieferen Rente um rund fünf Jahre bis ins Alter 89 – also über die heutige Lebenserwartung hinaus. 

Kann eine höhere durchschnittliche Rendite als 1,5 Prozent erwirtschaftet werden, verzögert sich der Verbrauch zusätzlich – ein Kapitalbezug scheint nach der Senkung des Umwandlungssatzes klar vorteilhaft. Oder doch nicht?

Gesamtbild entscheidend 

Die rein rechnerische Attraktivität des Kapitalbezugs wird durch folgende Tatsachen relativiert: 

  • Hinterlassenenleistungen werden hier nicht berücksichtigt – die durchschnittliche Auszahlungsdauer von Alters- und Hinterlassenenrente ist oft deutlich länger als die der Altersrente.
  • Ertrag wird auf dem gesamten Kapital berechnet, auch auf einer notwendigen Liquiditätsreserve.
  • Der jährliche Verbrauch entspricht der Höhe der Rente – mögliche Sonderausgaben aufgrund der Verfügbarkeit des Kapitals sind nicht berücksichtigt.
  • Lebenserwartung und Bezugsdauer dürften gemäss Studien weiter zunehmen.  
  • Mit dem ausbezahlten Kapital steht man «privat» vor denselben Herausforderungen wie die Pensionskasse selbst: Die risikolose Rendite bewegt sich um null Prozent und das Kapital muss lebenslang ausreichen.

Daraus wird ersichtlich, dass die Möglichkeiten der Pensionskasse frühzeitig abzuklären und die relevanten Kriterien aufzulisten beziehungsweise zu bewerten sind. Ein solches Vorgehen ermöglicht eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Bezugsform. Die in Abbildung 3 gezeigten Fragen bieten dabei eine Orientierungshilfe.

Sind bei einem Paar beide Personen pensionskassenversichert, müssen beide Pensionskassen beurteilt und auf die gemeinsamen Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgestimmt werden. Häufig ist eine Mischform aus Renten- und (Teil-)Kapitalbezug am sinnvollsten. Über den Rententeil soll durch das lebenslang garantierte Einkommen die Sicherheit gewährleistet und über den (Teil-)Kapitalbezug der Wunsch nach Flexibilität erfüllt werden.

Vor dem Entscheid «Rente oder Kapital» gilt es zudem Optimierungsmöglichkeiten zu prüfen, welche sowohl den Renten- als auch den (Teil-)Kapitalbezug beeinflussen. Hier geht es um Themen wie Pensionskasseneinkäufe, Teilpensionierung, Weiterversicherung des bisherigen Einkommens bei Pensumsreduktionen und Bezüge im Rahmen der Wohneigentumsförderung (WEF). Diese Optimierungsmöglichkeiten beeinflussen nicht nur die Höhe von Renten- und/oder (Teil-)Kapitalbezug, sondern bieten oftmals erhebliches Steuersparpotenzial. Da viele dieser Möglichkeiten Zeit zur Umsetzung brauchen, ist es wichtig, sich frühzeitig mit diesen Themen auseinanderzusetzen. 

Auch bei sinkenden Umwandlungssätzen darf die Entscheidung «Rente oder Kapital» keinesfalls nur auf einem einfachen, rechnerischen Vergleich basieren. Eine individuelle Beurteilung ab Alter 50 und eine professionelle Beratung ist empfehlenswert – so können Optimierungsmöglichkeiten erkannt und um­gesetzt werden.

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