Finanzen & Vorsorge

Kreditwirtschaft

Crowdlending als Alternative zur Bankfinanzierung

Bislang hat die Digitalisierung noch keine fundamentalen Marktveränderungen im Kreditgeschäft verursacht. Gleichwohl bringen die sogenannten Fintechs einen Innovationsschub. Der Beitrag gibt einen Einblick am Beispiel des Crowdlending.
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Obwohl die Schweizer Institute wieder mehr Kredite an KMU vergeben und das Vermögen der Schweizer weiter zunimmt, gehen sowohl die Erträge als auch der Personalbestand der Banken konti­nuierlich zurück. «Damit die Banken ihre Ertragskraft in Zukunft nicht verlieren, müssen sie zwingend neue Ertragsquellen erschliessen.» Dieser Aussage stimmen 83 Prozent der befragten Banken im Bankenbarometer 2020 des Beratungsunternehmens Ernst & Young zu. 

Der Fintech-Trend

Die Schweizer Nationalbank kommt in der «Umfrage zu Digitalisierung und Fintech bei Schweizer Banken 2019 – Ergebnisbericht» zu folgendem Ergebnis: «Vor dem Hintergrund historisch tiefer Margen bilden die Digitalisierung und die Zusammenarbeit mit Fintechs eine Chance, die Kosten zu reduzieren. 

Andererseits könnte die erwartete Verschärfung der Konkurrenz die Margen zusätzlich unter Druck setzen. Langfristig spielen die Margen eine entscheidende Rolle für die Risikodeckung, die Aufstockung der Eigenmittel und die Finanzierung von Investitionen.» 

In der Schweiz sind bisher noch keine fundamentalen Marktveränderungen zu verzeichnen, trotz der Lizenzen für Kryptobanken, vielen neuen Fintech-Start-ups und Neo-Banken, die alle mit grossen Erwartungen an den Start gegangen sind. Die neuen Angebote ermöglichen es den Kunden aber bereits heute, sich aus einer Vielzahl von Angeboten und Dienstleistungen die für sich beste Option herauszusuchen. Der oft nur mit «Fintech» be­titelte Trend hat in der Finanzbranche in den letzten Jahren grosse Aufmerksamkeit erregt, hohe Investitionen in neue Unternehmen, aber auch bank intern ermöglicht und insgesamt einen Inno­vationsschub ausgelöst.

Ein Blick nach Singapur zeigt, dass dort Banken insbesondere im KMU-Bereich sehr stark auf die Digitalisierung setzen. So ist das Angebot «Velocity@ocbc» der OCBC Bank, mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent im KMU-Markt in Singapur, komplett auf digital affine KMU zugeschnitten. KMU können in ihrem Bank-Dashboard Daten zum Beispiel von Facebook, Paypal, Mailchimp, Shopify and Quickbooks einbinden. 

Digitalisierung bringt Umsatz

Hintergrund der Digitalisierungsbestrebung sind Schätzungen, die davon aus­gehen, dass in Singapur digitale Bankkunden mittelfristig zwei- bis dreimal so viel Umsatz generieren wie nicht-digitale Bankkunden. Auch hat eine Ende 2018 von Microsoft ASME durchgeführte Studie gezeigt, dass KMU in Singapur, die sich der digitalen Transformation verschrieben haben, mit einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von 26 Prozent rechnen. Auf der einen Seite zeichnen sich Fintechs durch innovative Nutzung von Technologien, geringere Betriebskosten und effizientere Prozesse aus. So erlaubt zum Beispiel Sonect im Zahlungsbereich den unkomplizierten Bargeldbezug an Kiosken und Supermarktkassen. Auf der anderen Seite sind die investierten Beträge, um neue Spieler am Markt zu etablieren, nicht zu vernachlässigen. So wurden im Jahr 2019 in der Schweiz insgesamt 360 Millionen CHF in Fintech-Start-ups investiert. Dies ist mehr als 15 Prozent des gesamten investierten Kapitals in Schweizer Start-ups. Wie bei jedem anderen Start-up benötigt es für die Fintechs jedoch einige Jahre, bis ihre Erträge die initialen Investitionskosten decken. 

Die Fintechs sind mittlerweile in fast allen Bereichen des traditionellen Bankgeschäfts vertreten, meist werden jedoch nur wenige ausgewählte Produkte von einem Anbieter angeboten. Diese sind aber dann gut durchdacht, mit einem auf den Nutzer abgestimmten Online-Portal versehen und mit modernster Technologie auf Ef­fizienz getrimmt. Banken bieten hier, zu meist höheren Kosten, eine umfassendere Produktpalette an, die sich ökonomisch nur dann rechnet, wenn ein Kunde mehrere Produkte bei einer Bank hat. Mittelfristig wird sich also zeigen, ob im Finanzbereich hochspezialisierte, günstige und agile Angebote der Fintechs oder die gros­sen, vielfältigen, aber auch teuren Angebote der Banken das Rennen machen.

Beispiel KMU-Crowdlending 

Eine Studie der Beratungsfirma Deloitte (2017) geht davon aus, dass die Fintechs zum Beispiel im Bereich KMU-Kreditvergabe ungefähr 200 Basispunkte (oder 2 %) geringere Betriebskosten als die Banken haben und diese dann einerseits dem KMU und andererseits den Investoren zugute kommen lassen können. KMU-Kredite finden sich international und in der Schweiz bei verschiedenen Anbietern, die mit klingenden Namen wie Marketplace Lending oder Crowdlending kategorisiert werden. Grundsätzlich werden aber immer auf der einen Seite kreditsuchende KMU und auf der anderen Seite Anleger, sowohl professionelle Investoren als auch Privatpersonen, zusammengebracht. Es zeigt sich oft, dass die Kosten für einen Kredit auf einer Plattform nicht notwendigerweise wesentlich günstiger als bei einer Bank sind, daher stellt sich unmittelbar die Frage nach den Vorteilen für die KMU. Der Crowdlending Survey der Hochschule Luzern (2018) identifiziert als wesentliche Vorteile der neuen Anbieter insbesondere Prozesseffizienz und attraktivere Bedingungen. Hier sind in der Schweiz zum Beispiel unbesicherte KMU-Kredite zu nennen, die für die lokalen Banken oft erst ab grossen Volumina von mehr als 250 000 CHF attraktiv werden, die aber von den Crowdlending-Fintechs bereits ab 20 000 CHF angeboten werden.

Crowdlending-Plattformen

In der Schweiz als KMU-Land ist aus Sicht der Schweizerischen Bankierver­einigung laut dem Bankenbarometer 2019 die Kreditversorgung der KMU durch Banken intakt. Zu diesem Ergebnis kommt auch im internationalen Vergleich das Financial Stability Board. Allerdings zeigt die Statistik der Schweizer Nationalbank, dass das Kreditvolumen an KMU mit weniger als zehn Angestellten in den letzten zehn Jahren von 87 Milliarden CHF im Jahr 2009 auf 38 Milliarden CHF im Jahr 2019 gesunken ist.

Nach der ersten Konsolidierung im Crowdlending-Sektor Mitte 2019 durch die Übernahme der Plattform Lendico durch Lend.ch ist im Oktober 2019 mit Neocredit.ch die neueste Plattform mit einem ausschliesslich an Schweizer KMU gerichteten Angebot von unbesicherten Geschäftskrediten, mit Unterstützung der Vaudoise Versicherungen, lanciert worden. Im Schweizer Markt sind nun sieben Plattformen im KMU-Kreditgeschäft aktiv. Cashare, die erste Crowdlending-Plattform am Schweizer Markt, startete im Jahr 2008. In den vergan­genen Jahren haben sich die meisten Crowd­lending-Plattformen der Swiss Marketplace Lending Association (SMLA) angeschlossen, die auf ihrer Website neben Marktvolumina auch Risiko- und Return-Kennzahlen veröffentlicht. 

Trotz starken Wachstums in den vergangenen Jahren machen die 2018 vermittelten Kredite (inklusive Hypotheken) an KMU in Höhe von fast 205 Millionen CHF verglichen mit den 310 Milliarden CHF aller KMU-Kredite (inklusive Hypotheken) weniger als 0,1 Prozent aus. Auch sind die Crowdlending-Anbieter im Vergleich zu Banken eine noch recht junge Branche. Das notwendige Vertrauen können sich die Plattformen erst mit der Zeit erarbeiten. Dann wird sich zeigen, ob das Geschäftsmodell auch in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld bestehen kann.

Ausblick 

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass dort im Jahr 2018 fast eine Milliarde an digitalen KMU-Krediten vermittelt wurde. Dies entspricht einem Marktanteil von fast 2 Prozent am Neukreditvolumen. In Grossbritannien stammten 2012 erst 0,3 Prozent aller neuen KMU-Finanzierungen von Online-Plattformen. Im Jahr 2017 waren es dann bereits fast 10 Prozent. Die Einschätzung, dass sich eine ähnliche Entwicklung in der Schweiz wiederholen könnte, teilen auch die Schweizer Banken, die im EY Bankenba­ro­meter 2020 als grösstes Bedrohungs­potenzial für etablierte Finanzinstitute drei Entwicklungen nennen: Marktplätze beziehungsweise Plattformen (32 %), Blockchain (27 %) und mobile Zahlungssysteme (23 %). Im Crowdlending-Bereich werden voraussichtlich 2020 in der Europäischen Union durch die Verordnung European Crowdfunding Service Providers (ECSP) Crowdfunding-Projekte mit bis zu fünf Millionen Euro neu geregelt, indem ein einheitlicher Regulierungs­rahmen mit einem europäischen Pass für Plattformen geschaffen wird. Es ist zu erwarten, dass die Harmonisierung dem Crowdlending-Markt insgesamt  weitere Wachstumsimpulse verschafft. In der Schweiz erwarten Experten möglicherweise eine weitere Konsolidierung der Plattformen, insgesamt ist die Crowd­lending-Branche aber optimistisch, an die starken Wachstumszahlen anknüpfen zu können, mit dem Ziel, eine echte Al­ternative zu einer Bankfinanzierung für alle Schweizer KMU zu werden.

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