Finanzen & Vorsorge

Börsenradar

Corona lässt Börsen stürzen

Kaufen, Halten oder Verkaufen – ein speziell auf den Schweizer Aktienmarkt ausgerichtetes Analysesystem prüft auf Basis von fünf Einzelsignalen, in welche Richtung der Börsenradar ausschlägt.
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Binnen einer Woche, vom 24. bis 28. Februar, brachen die Weltbörsen ohne Vorwarnzeit praktisch vom Höchststand um 15 Prozent ein. Und damit war es noch nicht beendet. In den folgenden Wochen ging es um weitere 20 bis 30 Prozent nach unten. Ein solcher Kurssturz ist in dieser Schnelligkeit einmalig in der Börsengeschichte. Selbst vor den berühmten Aktiencrashs 1929, 1987, 2002 und 2008 hatte es immer deutliche Hinweise gegeben, dass Gefahr im Verzug war. Entweder waren die Kurse vorher zu rasant gestiegen oder Zinsen und Preise aus den Fugen geraten, oder es drohten unübersehbare Pleiten von Staaten oder Banken. Doch nichts davon war im Januar oder im Februar zu erkennen. Sorgen bereitete nur die schwache Konjunktur, erkennbar an den sinkenden Preisen für Rohstoffe, Metalle, Öl und Kreditzinsen. Und nun kam eben auch noch die Panik mit dem Corona-Virus hinzu. 

Mehrmals wurde an dieser Stelle darauf hin­gewiesen, dass die Politik mehr hätte tun müssen, um die lahmende Konjunktur wieder anzufachen. Doch Politiker und Unternehmenslenker hatten sich zuletzt vorwiegend auf das Sparen konzentriert. Der Mut für Investitionen fehlte. Die Zentralbanken konnten gar nicht anders, als ihre Zinsen ebenfalls nach unten anzupassen. Und das tun sie auch weiter; zuletzt senkten die Zentralbanken der USA und Grossbritanniens ihre Leitzinsen noch einmal kräftig.

Erst jetzt, viel zu langsam, findet in der Politik offenbar ein Umdenken statt. Aber das dürfte zu spät sein. Was die Börsen derzeit machen, das ist die Vorwegnahme einer Weltrezession. Die wird ziemlich sicher kommen. Aber das ist auch ein Lichtblick für Aktionäre. Denn in jeder Rezession, wenn sie da war, sind die Kurse dann bereits wieder kräftig angestiegen.

Aber was sagen nun unsere speziellen Signale für die Schweiz?

1. Zinssignale: Positiv

Sinkende Zinsen sind gut für Aktien, steigende Zinsen schlecht. So steht es jedenfalls in allen ökonomischen Lehrbüchern. Wir achten dabei auf die Renditen der zehnjährigen Bundesobli­gationen und des Libor-Zinses für zwölf Monate in Schweizer Franken. 

Sowohl die langfristigen Obligationen und die kurzfristigen Geldmarktzinsen gingen tiefer in den Minusbereich. Der Obligationenmarkt ist so gut wie tot. Anleihen zu kaufen, ist Unsinn. Für den Aktienmarkt ist das ein Plus. Denn wo soll denn das Anlagekapital hin? Immobilien und Gold sind mittlerweile auch so teuer geworden, dass sich hier Investitionen kaum mehr lohnen dürften. Hingegen bietet der Aktienmarkt soli­de Dividendenrenditen von durchschnittlich vier Prozent.

2. Der Saisoneffekt: Positiv!

Zahlreiche Statistiken haben bewiesen, dass die Monate November bis April eine wesentlich bessere Performance am Aktienmarkt aufweisen als die Monate Mai bis Oktober. Ob diese Regel, die seit 60 Jahren galt, auch noch in den kommenden Jahren weiter zutrifft, muss überprüft werden. Denn nicht nur in diesem Jahr, sondern auch schon 2016 und 2018 war es in den Winter­mo­naten Januar/Februar zu deutlichen Kurskor­rek­turen nach unten gekommen.

3. Die Anzahl der Schweizer Aktien mit 9-Monats-Hochs und -Tiefs: Negativ

Hier handelt es sich um einen Indikator mit schnellen Trendsignalen. Er misst das Verhältnis der 9-Monats-Hochs und der 9-Monats-Tiefs bei 60 Schweizer Aktien, die wir beobachten.

Da der Aktienmarkt seit dem 24. Februar kräftig gefallen ist, gibt es im Moment unter den 60 wichtigsten Schweizer Aktien keine einzige mit einem neuen Hoch. Aber rund zwei Drittel melden ein neues Tief! Das heisst: Aktienkäufe eilen nicht, Verkäufe von besonders kursschwachen Titeln sind möglich, um sich finanziellen Spielraum für die Käufe von starken Aktien zu verschaffen, sobald es dafür Zeit wird.

4. Der SMI-Index: Negativ

Einen vergleichbaren plötzlichen Kurssturz ohne Zwischenerholung hat es weder in der Schweiz noch in einem anderen bedeutenden Industrieland in den letzten 150 Jahren gegeben. Wer sich hier bisher an die Regel «Niemals in fallende Messer greifen!» hielt, hat diesmal völlig richtig gehandelt.

5. Der Banken-Index: Negativ

Den Banken-Index verfolgen wir deshalb so genau, weil er in der Vergangenheit immer sehr rechtzeitig angegeben hat, ob irgendwo in der Welt Zahlungsunfähigkeit von bestimmten Staaten oder Kreditinstituten droht, die dann grös­sere Kreise ziehen könnte. In diesem Fall würde der Bankenindex, der sich aus zehn Grossbanken in aller Welt zusammensetzt, sehr rechtzeitig Alarm schlagen, wie sich in der Finanzkrise 2007 bis 2008 gezeigt hat.

In der Tat hat nun vor allem der Banken-Index kräftig verloren, was darauf hindeutet, dass die Anleger in der Mehrzahl erwarten, dass durch Unterbrechung von Lieferketten, scharfe Rückgänge in der Touristik und bei bestimmten Konsumartikeln durchaus Pleiten und Zahlungsausfälle drohen könnten. Freilich werden sich die Regierungen aber auch bemühen, dies nicht allein dem freien Markt zu überlassen, sondern grosszügige Hilfen anbieten, um das Ärgste ab­zuwenden.

Über www.boersensignale.ch können Sie den Banken-Index wöchentlich verfolgen.

6. Summe der fünf Signale: Negativ

Mit 2:3 meldet unser Börsenradar ein klares Verkaufssignal. Nun werden aber viele Anleger mit gewissem Recht sagen: Zu solchen tiefen Kursen verkauft man nicht mehr! Aber weiss man so genau, wo wirklich der Tiefpunkt der Abwärtsbewegung liegt? Schon am 28. Februar, eine Woche nach den Kursstürzen, hiess es: «Das sind jetzt Kaufkurse!» Doch das waren sie nicht; es ging noch deutlich weiter nach unten. Wenn es nur das Corona-Virus wäre, das die Börsen zum Einsturz gebracht hat, wäre das Ganze wohl nach den Wintermonaten ausgestanden und die Kurse gingen wieder ebenso steil nach oben, wie sie abgestürzt sind. 

Doch das Virus war nur der Auslöser. Im Grunde sind die Kurse gefallen, weil die Weltwirtschaft sich in einer schweren Konjunkturkrise befindet. Und da muss sich erst das nötige Vertrauen wieder einstellen. Es ist daher realistisch, anzunehmen, dass die Börse wenigstens ein halbes Jahr benötigt, um sich von den Tiefkursen, die vermutlich mehrmals getestet werden, wieder zu erholen. Käufe eilen daher nicht. Wir wissen ja auch noch nicht, welche Branchen im nächsten Herbst oder Winter besonders gefragt sein werden. Verkäufe von Aktien, die bisher zu optimistisch hohen Kursen gehandelt worden waren, sind bei einer Zwischenerholung immer noch jederzeit möglich.

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