Finanzen & Vorsorge

Vorsorge

1e-Vorsorgepläne als Ergänzung zur Basisvorsorge

1e-Vorsorgepläne sind überobligatorische Vorsorgelösungen für versicherte Löhne ab 126 900 bis maximal 846 000 Franken. Arbeitgeber und deren Versicherte haben damit die Möglichkeit, in der 2. Säule ihre Salärbestandteile in individuellen Anlagestrategien anzulegen. Am 1. Oktober 2017 ist dazu eine Gesetzesänderung in Kraft getreten.
PDF Kaufen

Seit dem 1. Januar 2006 haben Arbeitgeber (und deren Versicherte) die Möglichkeit, in der 2. Säule ihre Salärbestandteile ab einem Lohn von 126 900 CHF (Grenze Sicherheitsfonds) in individuellen Anlagestrategien anzulegen. Aufgrund des Art. 17 FZG (Freizügigkeitsgesetz) waren den Versicherten bisher in der 2. Säule stets die eingebrachten Freizügigkeitsleistungen sowie die von ihnen während der Versicherungsdauer geleisteten Beiträge samt Zuschlag pro Altersjahr grundsätzlich garantiert – unabhängig von der Entwicklung der Börse. Dies stellte bislang ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die jeweiligen Vorsorgeeinrichtungen dar. Per 1. Oktober 2017 hat der Bundesrat diese Garantie mit dem Art. 19a FZG für sogenannte 1e-Vorsorgepläne aufgehoben. Diese Gesetzesänderung könnte für frischen Wind im 1e-Markt sorgen.

Um was es geht

1e-Vorsorgepläne sind überobligatorische Vorsorgelösungen für versicherte Löhne ab 126 900 CHF (bis zum Maximum von 846 000 CHF). Die Limite von 126 900 CHF wurde gewählt, weil bis zu diesem Lohn entsprechende Leistungen im Falle einer Insolvenz einer Vorsorgeeinrichtung durch den Sicherheitsfonds gedeckt sind. Da bei 1e-Anschlüssen aber der Versicherte das Risiko trägt, bleiben die Leistungen ohne Deckung beim Sicherheitsfonds. Was in den versicherten Lohn eingerechnet wird (Basislohn, Berücksichtigung Bonus etc.), bleibt dem Arbeitgeber bzw. der Vorsorgekommission überlassen.

Gegenüber den klassischen überobligatorischen Vorsorgeplänen gibt es – mit Ausnahme der anderweitigen Regelung bei den Vermögensanlagen – keine grundlegenden (auch gesetzlichen) Unterschiede. Während bei den klassischen überobligatorischen Vorsorgeplänen das Vorsorgevermögen kollektiv mittels Anlagestra­tegie der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung angelegt wird und die Verzinsung der Vorsorgekapitalien je nach Deckungsgrad / Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung erfolgt, hat der Versicherte bei 1e-Stiftungen die Möglichkeit, sein Vermögen individuell im Rahmen der von der Vor­sorgeeinrichtung vorgegebenen Möglichkeiten zu investieren. Die Rendite verbleibt beim Versicherten und es erfolgt keine Verwässerung durch das Kollektiv.

Die individuelle Anlage des überobligatorischen Vorsorgevermögens bietet neben der Chance, seine persönliche Anlagestrategie umzusetzen, auch Risiken. Die Wahl der eigenen Anlagestrategie in Verbindung mit der in Kraft getretenen Gesetzesänderung gibt der Vorsorgeeinrichtung neu die Möglichkeit, bei einem Austritt eines Destinatärs aus der Pensionskasse nicht nur allfällige Gewinne, sondern auch die durch die gewählte Strategie entstandenen Anlageverluste vollumfänglich dem Destinatär zu belasten. Bislang wurden entstandene Anlageverluste ebenfalls dem Versicherten belastet, dieser hätte aber unter gewissen Umständen die Möglichkeit gehabt, die Vermögenslücke (aufgrund von negativer Performance) bis zum Minimalbetrag nach FZG 17 gesetzlich von der Vorsorgeeinrichtung einzufordern.

Chancen für die Anbieter

Aufgrund der bisherigen Gesetzesvorgaben mussten die Anbieter von 1e-Plänen entsprechende Rückstellungen bilden, um allfällige Risiken, eintretend durch FZG 17, abzudecken. Dies ist ab jetzt nicht mehr notwendig. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen geben den Anbietern somit eine gesetzliche Sicherheit zu ihrem Geschäftsmodell. Dadurch wird das Sanierungsrisiko für die Vorsorgeeinrichtung merklich reduziert, was letztlich die Attraktivität für Anbieter von 1e-Plänen erhöht. Anbieter von 1e-Plänen müssen ihren Versicherten eine Auswahl an verschiedenen Anlagestrategien innerhalb der gesetzlichen Bandbreiten anbieten. Dabei darf die maximale Anzahl von zehn Anlagestrategien nicht überschritten werden. Die Ausgestaltung der Strategien obliegt den Anbietern, wobei als Schutz der Vorsorgegelder zwingend eine risikoarme Anlagestrategie angeboten werden muss. Ansonsten gelten die bestehenden Bestimmungen.

Chancen für die Arbeitgeber

Das Vorsorgewerk beziehungsweise die Vorsorgekommission ist für die Ausgestaltung des Anschlussvertrags mit der Vorsorgeeinrichtung zuständig. Im Anschlussvertrag resp. Vorsorgeplan werden die Leistungen für Alter, Tod und
Invalidität definiert. Im Risiko Alter eingeschlossen ist auch die Definition der Höhe der jährlichen Sparbeiträge. Aufgrund der individuellen Vermögensanlage jedes Versicherten und der Abwälzung des Unterdeckungsrisikos auf den Versicherten verringert sich auch das Risiko einer allfälligen Sanierungszahlung für den Arbeitgeber.

Bei Gesellschaften (Arbeitgebern), die internationale Rechnungslegungsstan­dards anwenden, sind die bisherigen obligatorischen und überobligatorischen Vorsorgepläne als leistungsorientierte Pläne einzustufen und die (Vorsorge-)Risiken in der Jahresrechnung des Arbeitgebers entsprechend zu berücksichtigen.

Ohne Minimalgarantie nach Art. 17 FZG könnten 1e-Vorsorgepläne unter den in­ternationalen Vorgaben durchaus als beitragsorientierte Pläne, sogenannte «de­fined contribution plans», eingestuft werden. Dies bedeutet, dass die Verpflichtung des Unternehmens auf den jährlich zu entrichtenden Betrag an die Vorsorgeeinrichtung begrenzt ist und der Arbeitnehmer das versicherungsmathematische und das Anlage-Risiko trägt. Die unter IFRS zu bildende Rückstellung kann sich dadurch wesentlich reduzieren. Damit dies so eingestuft wird, sollte der 1e-Anbieter über eine kongruente Rückversicherung (IV, Tod) verfügen sowie auch über ausschliessliche Kapitalbezugspflicht im Alter (ohne Rente). Der Einzelfall ist hier mit der Revisionsstelle des Arbeitgebers zu klären.

Chancen für den Destinatär

Durch die Wahl (durch den Versicherten) der passenden individuellen Strategie können je nach Anlagerisiko höhere Erträge erwirtschaftet und die Rendite auf den Vorsorgegeldern gesteigert werden. Damit der Nachvollzug der Anlagestrategie und der Performance pro Destinatär (Begünstigten) jederzeit gewährleistet ist, ist das Führen eines individuellen Anlagekontos unumgänglich. Den Versicherten muss aber mindestens eine risikoarme Strategie angeboten werden. Als risikoarme Anlagestrategie gelten Investitionen in Bargeld und Obligationen mit einem hohen Rating und einer maximalen Laufzeit von fünf Jahren. So soll ein gewisser Schutz der Vorsorgegelder gewährleistet werden. Im aktuellen Zinsumfeld ist jedoch bei der Wahl einer risikoarmen Anlagestrategie das Risiko hoch (inklusive auch Möglichkeit von Negativzinsen), dass die höheren Verwaltungskosten die Performance übersteigen und sich so das Vorsorgekapital reduziert.

Die Investition muss durch die Vorsorgeeinrichtung selber oder einen von ihr angebotenen Vermögensverwalter erfolgen. Je nach Höhe der Freizügigkeitsleistung und Möglichkeiten innerhalb der Vorsorgeeinrichtung (des Anbieters) kann dies mittels kostengünstiger Fonds, vordefinierter Anlagepakete (Direktanlagen) erfolgen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass die Verwaltungskosten von 1e-Plänen deutlich höher sind als von «ordentlichen» Vorsorgeeinrichtungen. Die Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten fallen je nach Vorsorgeeinrichtung und Vermögensverwaltung sehr unterschiedlich aus.

Bei der individuellen Anlage wird jeder Destinatär in die Verantwortung gezogen, indem er sich aktiver um die Vermögensanlage seiner Vorsorgegelder kümmern und sich mit der gewählten Anlagestrategie auseinandersetzen muss. Ein Wechsel der Anlagestrategie ist grundsätzlich jederzeit möglich, ist jedoch mit entsprechenden zusätzlichen Kosten verbunden. In der Praxis zeigt sich, dass etliche Versicherte mit dieser Selbstbestimmung überfordert sind. Beratungsbedarf ist hier angesagt.

Überaus interessant stellen sich die Einkaufsmöglichkeiten von fehlenden Beitragsjahren für die Versicherten dar. Einkäufe durch den Versicherten können bei allen Vorsorgeeinrichtungen gleich erfolgen mit dem Unterschied, dass der Versicherte bei 1e-Plänen selber bestimmen kann, wie er sein Vorsorgevermögen anlegen will. Der steuerliche Vorteil eines Einkaufes unabhängig von 1e oder nicht ist sehr bedeutend und beläuft sich netto, sprich nach Abzug von Kapitalbezugssteuern, auf bis zu 25 Prozent. Der individuelle Wohnort, die Höhe des Kapitalbezugs, die Höhe des steuerbaren privaten Einkommens (Progression) sind hier entscheidend und relevant.

Wird die Rendite noch im BVG-Investment berücksichtigt, stellt ein Einkauf in die Vorsorge eine überaus attraktive private Vermögensanlage dar. Wie überall ist der Einzelfall relevant und zu prüfen. Zu beachten ist, dass die Vorsorgegelder inklusive Einkäufe, ausser für Wohneigentumsförderung, bei Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit oder bei Wegzug ins Ausland, bis zur Pensionierung in der 2. Säule gebunden sind. Durch die Eintrittsschwelle von 126 900 CHF sind keine Mindestleistungen durch den Sicherheitsfonds mehr garantiert. Aufgrund dieser Risiken sind die Vorsorgeeinrichtungen verpflichtet, die Versicherten über die Risiken einer individuellen Anlagestrategie in Verbindung mit Wegfall von Art. 17 FZG zu informieren.

Fazit

Es ist gut vorstellbar, dass die beschriebene Gesetzesänderung zu einer Belebung des 1e-Markts führen wird, wovon nicht zuletzt auch die Versicherten profitieren können. Die 1e-Anbieter werden vermehrt dem Wettbewerb ausgesetzt und müssen, um attraktiv zu bleiben, die Verwaltungskosten tief halten. Generell bieten 1e- Vorsorgepläne dem Versicherten die Möglichkeit, sein überobligatorisches Vermögen individuell nach Risikobereitschaft und Renditeerwartungen zu investieren. Der Versicherte muss sich aber bewusst sein, dass eine allfällige negative Performance direkt seinem Vorsorgevermögen belastet wird. Individualisierung bedeutet Flexibilität – aber auch eine Erhöhung der Komplexität. Für den Arbeitgeber wirken sich die gesetzlichen Änderungen ebenfalls positiv aus, denn durch den Wegfall der Mindestgarantie nach Art. 17 FZG sind definitiv keine Sanierungszuschüsse auf dem 1e-Vorsorgevermögen mehr zu leisten. Vor allem bei Arbeitgebern mit internationaler Rechnungslegung kann ein 1e-Plan die Vorsorgeverpflichtungen deutlich reduzieren.

Porträt