Editorial

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Weicher Faktor, harte Währung

Psychologie ist ein elementarer Bestandteil von Leadership. Und doch wird das sogenannte «Psychologische Kapital» als Faktor für den nachhaltigen Unternehmenserfolg noch immer unterschätzt.

Psychologie dürfte zu den meistunterschätzten Disziplinen im Feld öko­nomischer Interdependenzen gehören.In der Bestimmung des Unternehmenserfolges gilt sie als weicher Faktor, im Gegensatz zu den harten Faktoren, die sich in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ausdrücken. Ist ein Faktor hart und damit objektivierbar, so weiss es das «Gabler Wirtschaftslexikon», gilt er als erfass- und steuerbar. Ist ein Faktor weich und damit subjektiv, ist er demnach aufgrund seiner personenübergreifenden Konstitution analytisch nicht exakt messbar und bestenfalls beeinflussbar. 

Der Aktienmarkt ist ein schönes Beispiel aus der gelebten Wirtschaftswelt, das die Definition von harten und weichen Faktoren untermauert. So ist der Wert einer Aktie keine objektive Grösse, die Bewertung der Aktienmärkte speist sich vielmehr aus den unterschiedlichen Erwartungen wenig rationaler Marktteilnehmer an eine ungewisse Zukunft. Somit ist die Anfälligkeit für emotionale Verhaltensmuster wie Gier, Angst, Panik und Herdenverhalten tragend und weniger die echten Unter­nehmenswerte. «Die Börse reagiert gerade mal zu zehn Prozent auf Fakten. Alles andere ist Psychologie», konstatierte Börsenguru André Kostolany.

Wenn aber Psychologie einen solch gewaltigen Einfluss hat, im Börsenfall sogar Ökonomien zu Fall bringen kann, muss es auch möglich sein, damit die harten Faktoren positiv zu verändern. Und das ist es auch. Den Grundstein legte der US-amerikanische Psychologe Martin Seligman, der in den 1990er-Jahren den Forschungszweig der «Positiven Psychologie» initiierte. Auf dieser Basis entwickelte sich ein neues Führungsverständnis: das Prinzip des «Positive Leadership». Im Fokus steht die Frage, wie zum Beispiel durch Stärkenorientierung als Führungskompetenz Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen am Arbeitsplatz gefördert werden können. Der amerikanische Management-Professor Fred Luthans prägte schliesslich im Jahr 2004 das Konzept des «Psychologischen Kapitals» (PsyCap), das die Stärken und Potenziale der Mitarbeiter untersucht und ein Indikator für die Leistungsfähigkeit und die Arbeitszufriedenheit eines Menschen ist. Studien belegen, dass zusätzlich zum Humankapital, zum Sozialkapital und intellektuellen Kapital die Bedeutung des psychologischen Kapitals für den nachhaltigen Unternehmenserfolg erkennbar wird. So wird aus einem weichen Faktor eine harte Währung.

Mehr zum Thema Führungskompetenzen und psychologisches Kapital in der Ausgabe Nr. 11/12 2020.

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