Editorial

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Unsicherheiten managen

Menschen sind widersprüchliche Wesen. Und je weiter sie sich entwickeln, desto fruchtbarer wird der Nährboden für Komplexität und Paradoxien.

Die Schwierigkeit, damit konstruktiv umzugehen, wächst gleichermas­sen, denn naturgemäss sind es vor allem Beharrungskräfte, die den Menschen do­minieren. Ängste, hervorgerufen durch Unsicherheiten, Rat- und Hilflosigkeit sowie mögliches, zukünftiges Unheil, blockieren sinnvolle oder sogar notwendige Veränderungen. Die meisten Menschen sind erst bereit für Veränderungen, wenn der Leidensdruck unerträglich zu werden droht. Es kann daher ein probates Mittel sein, Leidensdruck zu erhöhen, um eine Veränderungsbereitschaft zu schaffen. Sinnvoller ist jedoch, durch das Aufzeigen von Lösungsperspektiven und Handlungsmöglichkeiten eine positive Energie für den Veränderungsprozess zu erzeugen.

In Unternehmen hängt das Scheitern oder Gelingen von Veränderungen folglich nicht allein von betriebswirtschaftlichen oder technisch ausgefeilten Modellen und Instrumenten ab, sondern vielmehr von der psychologischen Kompetenz des für den Prozess Verantwortlichen. Neue Dynamiken, wie die digitale Transformation und die Corona-Pandemie, zerstören geliebte Komfortzonen und zwingen Führungskräfte zur Profes­sionalisierung von Fähigkeiten, die erfolgreiche Menschen schon immer besassen.

So versteht es eine gute Führungskraft, in einem komplexen Umfeld zu agieren, Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten konstruktiv zu verarbeiten und intelligente Lösungen jenseits von Schwarz-Weiss-Denken respektive Entweder-oder-Denken zu finden. Diese sogenannte Ambiguitätstoleranz soll eben auch den Umgang mit Paradoxien ermöglichen. Eine Fragestellung ist beispielsweise, wie eine Veränderung auf ein Ziel ausgerichtet sein kann, das in der Zukunft liegt, wie also etwas zu managen ist, was noch nicht konkret ist. Mögliche Ableitungen daraus sind, dass es für den Umgang mit Widersprüchen und Dilemmata selten schnelle 
Lösungen geben und dass der Weg dorthin mit der Methode des Trial and Error verbunden sein kann. Hilfreich ist daneben die von Edward de Bono in den 1960er-Jahren entwickelte Methode des lateralen Denkens, auch Querdenken genannt. Sie meint die Fähigkeit, in ungewohnten Situationen nicht schematisch nach konven­tionellen Mustern zu reagieren, sondern die Chancen in neuen Konstellationen zu sehen. Dass die Bezeichnung für diese kreative Denkmethode paradoxerweise und unsinnig negativ konnotiert ist, darf vor der Anwendung nicht abschrecken.

P.S.: Mehr zum Thema Veränderungen und zum Umgang damit in der Ausgabe Nr. 7-8/2021.

Porträt