Editorial

Editorial

Schilda lebt

In diesem Jahr hat sich zum 425. Mal das Erscheinen der Urfassung des Schildbürgerbuches von 1598 gejährt. Wegen seines Erfolges über die Jahrhunderte hinweg bis zur Gegenwart haben es zahlreiche Autoren immer wieder neu interpretiert.

Es geht um die Einwohner der fiktiven Stadt Schilda, ihre Abenteuer, zahlreiche Missgeschicke und weshalb die Bürger dumm wurden und vermutlich auch blieben. Einer der bekannteren Schildbürgerstreiche war, ein Rathaus ohne Fenster zu bauen. Dumm nur, dass es somit im stolzen Gebäude stockdunkel war. Die Schildbürger wussten sich zu helfen, indem sie versuchten, Tageslicht mit Säcken einzufangen und es ins Innere zu tragen.

Dass der Begriff Schildbürgerstreich bis heute nicht aus unserem Sprachschatz ­verschwunden ist, ist bezeichnend. Meist wird er verbunden mit dem allseits bekannten Amtsschimmel und bringt daher meist unverständliche Regelungen, überbordende und mit dem gesunden Menschenverstand nicht zu verstehende Auswüchse in der Bürokratie auf den Punkt. Es gibt so zahlreiche Beweise für die Existenz von Schildbürger-Nachfahren, dass es sogar einen Preis für das dümmste und unnötigste Gesetz gibt. 

Auch über so manchen Unsinn amüsiert hinwegzusehen, ist ein natürlicher Reflex. Der Spass hört jedoch dann auf, wenn er Schaden verursacht. So sind bürokratische Pflichten zu einer erheblichen Belastung geworden. Bereits vor sieben Jahren konstatierte der Schweizerische Gewerbeverband jährliche Aufwendungen von mehr als 60 Milliarden Franken für die Erfüllung von Regularien, damals rund zehn Prozent des Bruttoinlandproduktes. Und der Berg der Anforderungen an die Unternehmen wächst stetig weiter. Die Raiffeisen-«Mittelstandstudie» 2023 zeigt, dass 38 Prozent der befragten KMU den Abbau der Bürokratie als wichtiges politisches Thema bezeichnen. Der Bund hat das erkannt und will mit dem sogenannten «Unternehmensentlastungsgesetz» Schweizer Firmen administrativ entlasten. Der Bundesrat plant also ein neues Gesetzespaket zur Entlastung von Administration, für die er selbst verantwortlich ist. Immerhin. Deutlich hilfreicher wären aber eine Regulierungskostenbremse und die Regel «one in, one out», also keine neue Regel, ohne eine alte zu kippen. Vielleicht plant er ja, Deregulierung mit Säcken zu einzufangen.

 
P.S.: Mehr zur Mittelstandstudie wie auch zu neuen Gesetzen in der Ausgabe Nr. 11-12/2023.

Porträt