Editorial

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Kontrollierte Offenheit

Strategisches Management als Grundlage eines gemeinsamen, zielorientierten Handelns soll eine Organisation zukunftswirkend positionieren und bestimmt daher entscheidend Erfolg und Misserfolg.

Auf langfristige Orientierung ausgelegte Entscheidungen zu treffen, ist alles andere als banal. Denn Zukunft lässt sich über den Grad von Wahrscheinlichkeiten hinaus nicht prognostizieren. Sind Entscheidungsgrundlagen ohnehin schon wechselnden Einflussfaktoren ausgesetzt, müssen Strategien in Zeiten radikaler Veränderungen in noch kürzerer Taktung überprüft und angepasst werden. 

Traditionell geschehen unternehmensrelevante Planungen solcher Grössenordnung hierarchieorientiert im Kreis der Geschäftsführung und in einem kleinen Manage­mentzirkel. Das hat durchaus seine Berechtigung und dient dem Schutz internen Wissens. Die Frage ist allerdings, ob dieses Wissen ausreicht, um adäquat auf neue Herausforderungen grösserer Dimensionen zu reagieren. Eine noch recht junge ­Managementphilosophie fordert darum eine Abkehr der traditionellen Denkweise hin zu einer Öffnung der Strategieprozesse unter Einbezug externen Wissens jenseits der Unternehmensführung. Eine grössere Anzahl von Beteiligten, etwa Mitarbei­tern, Experten, Kunden bis hin zu Wettbewerbern, soll die umfassenden Perspekti­ven abbilden, die, richtig kanalisiert, in eine zukunftsträchtige Strategie münden. Konzepte wie Open Innovation, Open Source Software oder auch Open Science ­unterstreichen, dass eine solche Öffnung erfolgversprechend ist.

Dass Open Strategy bislang die Praxis noch nicht durchdrungen hat, mag an seinen Schwächen liegen. Die entstehende Offenheit muss geplant, gesteuert und kon­trolliert werden, was zu einem erheblichen Aufwand führt. Zudem fehlt es bislang noch an umfassenden Erkenntnissen, wie eine solche Offenheit implementiert und durch die Praxis navigiert werden kann. Die sicherlich schwierigste Gratwanderung ist dabei die Abwägung, welche Aspekte für diese Strategie tatsächlich geöffnet werden sollen. Um es mit einem Zitat überspitzt zu sagen, das (fälschlicherweise) Kurt Tucholsky zugeschrieben wird: «Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein.»

PS: Mehr zum Thema in der Ausgabe Nr. 11-12/2023 (Seite 10 ff.).

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