Editorial

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Im Datenrausch

Der Mensch ist seit jeher ein Wesen voller Widersprüche. Im ewigen Kampf zwischen Verstand und Forschungseifer hat er sich zu einem personifizierten Paradoxon entwickelt.
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Der Umgang mit dem rasanten technologischen Fortschritt schärft die Konturen dieser zweiseitigen Medaille. Ein Beispiel? Wir kaufen zunehmend online ein, nutzen Suchmaschinen, surfen und posten in «sozialen» Medien, registrieren uns auf Portalen und hinterlassen dabei vielfach unsere persönlichen Daten. Gleichzeitig sorgen wir uns dann aber um den Datenschutz. 

Ein zweites Beispiel: Big Data, Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind Top-Themen in der Wirtschaft, immer wieder aber auch der Gesellschaft. Disruptionen bewegen nun einmal, bis hin zu einer Goldgräberstimmung. Kein Wunder, werden Daten als das Öl oder Gold des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Da wir hier erst am ­Anfang einer Entwicklung stehen, werden auch die Datenströme gewaltig anwachsen. Schon jetzt lebt die Gesellschaft in einem Datenrausch. Laut statista.com lag die Gesamtmenge der weltweit erstellten, erfassten, kopierten und verbrauchten Daten 2010 weltweit noch bei zwei Zettabytes (ein Zettabyte entspricht einer Billion Gigabytes), 2020 bereits bei 64,2 Zettabytes. Bis zum Jahr 2027 ist eine erstellte und replizierte Datenmenge von 284 Zettabytes prognostiziert. Eine Schattenseite gerade auch der Speicherung von Daten liegt in der hierdurch verursachten enormen Umweltbelastung. Ist es also ein Widerspruch, die Digitalisierung voranzutreiben und gleichzeitig Nachhaltigkeit zu predigen?

Eine mögliche Lösung dieses Konflikts liegt, so absurd das klingen mag, im Anstieg des Datenvolumens selbst. Denn nur so kann das Zusammenspiel von Big Data und künstlicher Intelligenz auf eine nächste Ebene gebracht werden. KI-Systeme werden dann verstärkt in der Lage sein, komplexe Entscheidungen zu treffen. Durch den Einsatz von Algorithmen und maschinellem Lernen können sie grosse Datenmengen analysieren, Muster erkennen und fundierte Entscheidungen treffen. Mit der weiteren Evolution von KI wächst grundsätzlich nicht nur die die Fähigkeit, Daten in ein strategisches Gut zu verwandeln, sondern eben auch Problembereiche wie Umweltbelastung oder IT-Sicherheit zu minimieren. Ob es damit tatsächlich zu einer KI mit menschenähnlichem Verstand, der sogenannten künstlichen allgemeinen Intelligenz (Artificial General Intelligence), kommen wird, ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. Für die KI-Skeptiker hält der deutsche Comedian Dieter Nuhr ein Bonmot bereit:« Wenn KI wirklich so intelligent wäre, würde sie dann das Arbeiten nicht dem Menschen überlassen?»

P.S.: Mehr zum Thema Digitalisierung in dieser Ausgabe Nr. 04–05/2024.

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