Editorial

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Fördern und fordern

Wie leicht war es doch vor gar nicht so langer Zeit, qualifizierte Mitar­beiter zu finden. Dass sich diese für Arbeitgeber angenehme Situation ändern würde, darauf wies eine McKinsey-Studie schon in den 1990er-Jahren hin.

Tatsächlich ist seit jener Dekade, so zeigt das Bundesamt für Statistik, die Anzahl von Personen im Rentenalter zu Personen im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich angestiegen. Bis heute hat das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt stetig zugenommen. So hatte der Fachkräftemangel in der Schweiz bereits im Jahr 2022 einen Höchststand erreicht. Nach Angaben des Fachkräftemangel Index Schweiz der Adecco-Gruppe und des Stellenmarkt-­Monitors der Universität Zürich toppte das Folgejahr diesen um weitere 24 Prozent. Eine Besserung sei nicht in Sicht, heisst es.

Die Ursachen sind vielfältig. Neben der seit Langem prognostizierten demografischen Entwicklung, der fortschreitenden Digitalisierung sowie dem veränderten Anspruchsverhalten nachkommender Generationen sind Fehler im Bildungssystem auszumachen. So ist die Bevorzugung eines Studiums, vor allem der Geisteswissenschaften, zu Lasten etwa von Handwerksausbildungen nicht zielführend. Bislang zielt die Politik vorrangig auf die Zuwanderung als Lösung für den Fachkräftemangel. Das ist jedoch umstritten, denn die Einstellung von ausländischem Personal kann den Fachkräftemangel sogar noch verschärfen, indem sie die Nachfrage nach weiteren Arbeitskräften erhöht. Eine sinnvolle Antwort auf die Problematik ist,
mehr auf das inländische Arbeitspotenzial zu setzen. Also müssten Reformen her, um insbesondere Frauen und Ältere zu mobilisieren. 

Die unternehmerische Seite ist gefordert, der Herausforderung mit einer langfristig auf das Personalmarketing und Employer Branding ausgerichteten HR-Strategie zu begegnen. Es gilt, potenzielle Bewerber, vor allem auch den bestehenden Mitarbeiterstamm zu überzeugen. Speziell die Mitarbeiterbindung muss zu einem Unternehmensziel werden. Gezielte Aus- und Weiterbildungsmassnahmen sind dabei elementar. Sie verhelfen Mitarbeitern zu persönlichem Wachstum, das einen gros­sen Motivationsfaktor darstellt. Zudem können durch sie Vakanzen geschlossen werden, die höhere Qualifikationen beanspruchen. Das Fordern und Fördern gerade erfolgsentscheidender Mitarbeiter kann somit die Mangellage dämpfen. Dass die Wissens- und Lernkultur vor einem Umbruch steht, eröffnet dabei inhaltlich und von der Anwendung her neue Chancen.

P.S.: Mehr zum Thema Aus- und Weiterbildung in der Ausgabe Nr. 07-08/2024.

Porträt