Diesen Tech-Enthusiasmus aus dem Silicon Valley muss man nicht teilen, aber tatsächlich hat seit der Erfindung des iPhones praktisch keine andere Technik ein so grosses disruptives Potenzial. Dabei war die Evolution der künstlichen Intelligenz keine stetig rasante. Schon im Jahr 1950 erläuterte Computerwissenschaftler Alan Turing in seinem Artikel «Computing Machinery and Intelligence», wie intelligente Maschinen gebaut werden können.
Ein Durchbruch kam in den 2010er-Jahren durch Deep Learning, das revolutionäre Fortschritte in Bereichen wie Sprach- und Bilderkennung ermöglichte. Deep Learning, ein Teilbereich von Machine Learning, war zwar keine neue Erfindung, doch erst jetzt konnte durch ausreichend Rechenleistung und Datenmengen das volle Potenzial ausgeschöpft werden. Als das amerikanische Unternehmen Open AI 2022 den frei verfügbaren Chat-GPT präsentierte, war der vorläufige Höhepunkt der KI-Evolution erreicht: Der Generative Pre-trained Transformer hievt die Interaktion und damit das Zusammenwachsen von Mensch und Maschine auf eine massentaugliche Ebene. Dass eine Maschine eigenständig Texte, Bilder, Videos, Musik und Codes erstellen kann, macht das Potenzial der generativen künstlichen Intelligenz jedem Internetnutzer erlebbar. Damit ist künstliche Intelligenz endgültig im Mainstream angekommen.
Vermutlich werden generative und konversationelle KI in naher Zukunft die meisten funktionalen Aufgaben übernehmen können. Sie werden zum Treiber der Unternehmenstransformation, und das betrifft bei weitem nicht nur den Technologiesektor. Dazu wird KI auch zu gesellschaftlichen Veränderungen führen, nicht nur positiven. Brachte das Netz noch Wissen in die Welt, könnte mit «künstlicher Information» eine «Vertrashung» des Internets drohen. Damit nach der KI-Euphorie nicht eines Tages das grosse Erwachen mit Katerstimmung folgt, ist es zwingend, möglichst rasch klare Regeln und Grenzen für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen zu schaffen. Der Artificial Intelligence Act der EU, kurz AI Act, ist ein Anfang. Ob der allerdings ohne überbordende Bürokratie und Kosten anwendbar ist, muss sich noch erweisen.
P.S.: Mehr zum Thema künstliche Intelligenz in der Ausgabe Nr. 06/2024.