Editorial

Das schwarze Marketingloch

Schwarze Löcher gehören zu den unglaublichsten Objekten der Galaxien. Sterne, Staub und Gase – alles, was sich ihnen nähert, verschwindet in ihnen. Die dichte Masse mit extrem starker Schwerkraft lässt nicht einmal Licht entweichen. Deshalb erscheinen sie schwarz und sind schwer zu beobachten.

Im ­vergangenen Jahr ist es Forschern jedoch gelungen, das erdnächste schwarze Loch zu finden; es ist weniger als 1600 Lichtjahre von uns entfernt. 

Deutlich näher beheimatet ist die Entdeckung, die der US-amerikanische Journalist Alexis Madrigal vor gut zehn Jahren machte. Das Phänomen lebt ebenso im Dunkeln, im Verborgenen, schluckt jedoch weder Staub noch Sterne und bewohnt auch keine fernen Galaxien. Streng genommen existiert das schwarze Loch eigentlich auch nur in Marketingabteilungen. Dort treibt es den Blutdruck hoch, denn es frisst Informationen, für die Werbungtreibende einiges geben würden. Madrigal prägte dafür den Begriff «Dark Social». «Dark Social» beschreibt den Internetverkehr, der keiner bekannten Quelle wie einem Social-Media-Netzwerk oder einer Google-­Suche zugeordnet werden kann. Beispiele dafür sind Links, die in E-Mails oder ­Instant Messages kopiert oder über eine Textnachricht geteilt werden. 

Ein Grossteil der Zugriffsquellen von gängigen Analyse-Plattformen kann somit nicht exakt bestimmt und damit nicht angemessen analysiert und verfolgt werden. Ein Effekt, der vor allem die Kampagnenauswertung behindert. Denn woher die ­Besucher tatsächlich kommen, lässt sich nicht richtig zuordnen. Der Mobile-Boom und die damit einhergehende Verbreitung von Messengern heizen den «Dark Social»-Traffic weiter an. Umso wichtiger wird es sein, sich eingehender damit zu beschäftigen, die Datensätze sauber zu trennen und sich über die bisher wenigen Gegenmassnahmen zu informieren. Denn gleichzeitig bietet «Dark Social» natürlich ein enormes Vermarktungspotenzial. Und wie uns Astrophysiker Stephen Hawking lehrte, kann ein schwarzes Loch auch einfach verschwinden – mit einem Auswurf von Masse und Energie.


P.S.: Mehr zum Thema «Dark Social» in der Ausgabe Nr. 09/2023 (Seite 38).