Im ersten und zweiten Teil der Beitragsserie wurde gezeigt, wie schnell und umfassend digitale Veränderungen individuelles Verhalten, die unternehmerische Wertschöpfung und das bestehende Wettbewerbsgefüge in Frage stellen können. Die digitale Transformation wird daher auch als «vierte industrielle Revolution» bezeichnet. Unternehmen müssen also heute schon die Weichen stellen, um sich in einem zunehmend digitalen Wettbewerb zu behaupten. Doch wo stehen Schweizer KMU zum aktuellen Zeitpunkt? Es lassen sich einige allgemeine Erkenntnisse und Muster zum aktuellen Stand der Digitalisierung von Unternehmen zusammenfassen.
Situation von KMU
Es erstaunt nicht, dass KMU im Vergleich zu Grossunternehmen eher noch zögerlich sind, digitale Lösungen umzusetzen. Ihre Ressourcen sind vergleichsweise begrenzt und Investitionen stets ein grosses Risiko. Oft fehlt es an den erforderlichen Kompetenzen oder an Spezialisten, zum Beispiel im Bereich der Software oder Datenauswertung. Wir beobachten zudem, dass sich KMU und familiengeführte Unternehmen mit ihren Mitarbeitern und der Region, in der sie agieren, stark verbunden fühlen. Oft wird aus Verantwortungsbewusstsein heraus eher zögerlich gehandelt, um nicht das Falsche zu tun (Kugler und Tietz, 2015). Junge Technologieunternehmen nutzen die so entstehende zeitliche Lücke und agieren dann oft schneller. So wird im globalen Kontext die fehlende empfundene Dringlichkeit im Unternehmen (39 %) auch als grösste organisationale Hürde für die digitale Transformation genannt, noch vor fehlenden finanziellen Mitteln (33 %) oder unklaren Rollen und Verantwortungen im Unternehmen mit 28 Prozent (Fitzgerald et al., 2013). Doch frühes Handeln kann auch zu Vorteilen im Wettbewerb führen, denn der Erstanbieter (oder «First Mover») wird als innovativ wahrgenommen. Es sind Kosten- oder Differenzierungsvorteile möglich, welche die Wettbewerber (noch) nicht erreichen können. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit neuen Technologien (Lieberman und Montgomery, 1988).
Effizienz als primäres Ziel
Insbesondere im produzierenden Gewerbe fokussieren sich KMU darauf, die digitale Transformation zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Dies ist vor dem Hintergrund der international vergleichsweise hohen Standortkosten in der Schweiz nicht überraschend. So verwundert es auch nicht, dass die mit der Digitalisierung verbundenen hohen Kosten für viele Unternehmen eine zentrale Hürde darstellen, um digitaler zu werden. Für viele Unternehmen besteht ein erster Schritt auf dem Weg zum digitalen Unternehmen dann darin, die eigenen Kosten auf ein tieferes Niveau zu senken und so überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. Automatisierte Prozesse nehmen dabei eine zentrale Stellung ein. Es kann davon ausgegangen werden, dass solche kostensenkenden Massnahmen von einer Vielzahl Unternehmen ergriffen werden und sich in der Folge ein neuer Kostenstandard in den jeweiligen Branchen einpendeln wird.
Diese Massnahme wird dann zu einer Notwendigkeit, um sich im Wettbewerb zu behaupten, aber der Aufbau von Vorteilen im Wettbewerb ist nur mit kostensenkenden Massnahmen längerfristig kaum mehr möglich. Vielmehr gilt es, die Digitalisierung als einen Paradigmenwechsel zu begreifen und grundlegend im Unternehmen umzusetzen, zum Beispiel durch digitale Geschäftsmodelle. Nur dann können Wettbewerbsvorteile erhalten oder neu aufgebaut werden.
Branchenunterschiede
Unternehmen verschiedener Branchen sind zum aktuellen Zeitpunkt im Durchschnitt in unterschiedlichem Ausmass mit der Digitalisierung konfrontiert. So spüren insbesondere die Medien-, Versicherungs- oder auch Finanzbranche schon seit einigen Jahren grundlegende Veränderungen ihres traditionellen Wettbewerbsumfeldes. In der Medienbran-che werden Tageszeitungen zunehmend durch online verfügbare Alternativen abgelöst, das klassische Geschäftsmodell der Retailbanken wird von Fintech-Unternehmen herausgefordert.
Andere Industrien stehen noch weiter am Beginn der Digitalisierung wie zum Beispiel Unternehmen des produzierenden Gewerbes, Pharmaunternehmen oder der Detailhandel (Bughin et al., 2016). Es kann davon ausgegangen werden, dass massgebliche digitale Veränderungen in den kommenden Jahren dort noch bevorstehen. Dementsprechend nehmen gemäss einer aktuellen Umfrage aus dem Jahr 2018 der FHS St. Gallen Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche die Digitalisierung aktuell als grösste Herausforderung wahr (circa 88 %). Das verarbeitende Gewerbe (40 %) und das Baugewerbe (27 %) sind hingegen zum heute noch weniger betroffen.
Mehr Chancen als Risiken
KMU in der Schweiz verbinden mit der Digitalisierung generell eher Chancen als Risiken. So sind mehr als 80 Prozent der Schweizer Unternehmen der Ansicht, dass die digitale Transformation die Schweizer Wettbewerbsfähigkeit antreiben kann (Deloitte, 2015). Es gibt jedoch deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung einzelner Branchen. Im Handel und im Gastgewerbe werden Chancen vor allem bei der Erschliessung neuer Vertriebswege und Kundengruppen wahrgenommen.
Hinsichtlich der Risiken sehen produzierende Unternehmen vor allem die Kompetenz der Mitarbeitenden als Herausforderung, während IKT-Unternehmen den Eintritt neuer Wettbewerber befürchten. Im Handel und in der Gastronomie werden die zunehmende Markttransparenz und Wettbewerbsintensität als Risiko gesehen, während sowohl bei Dienstleistern als auch bei Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich das Thema Datensicherheit ganz oben auf der Agenda steht.