Digitalisierung & Transformation

Kommunikation

Wie schwierige Gespräche in einer agilen Arbeitswelt gelingen

Die agile Arbeitswelt, dazu noch die Coronakrise stellen Führungskräfte immer häufiger vor die Herausforderung, schwierige Gespräche zu führen. Damit diese sich möglichst kons­truktiv entwickeln, muss die Kommunikation entsprechend angepasst werden. Was es dazu braucht, zeigt dieser Beitrag.
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Schöne, agile Arbeitswelt? Von wegen: Oft «knallt» es erst mal, wenn die neuen Arbeitsweisen ausprobiert werden. Manche Mitarbeitende tun sich schwer mit Veränderungen und halten an ihren alten Rollen und Bereichen fest. Andere werden ungeduldig; ihnen kann es gar nicht schnell genug gehen mit der neuen Offenheit. Zudem hat durch die Coronakrise die Arbeit in virtuellen oder räumlich getrennten Teams noch weiter zugenommen, die zusätzlich für Spannungsfelder und kom­munikative Missverständnisse sorgt. 

Führungskräfte stehen daher immer häufiger vor der Herausforderung, schwierige Gespräche zu führen – und das möglichst konstruktiv. Dafür braucht es eine neue Kommunikation. Eine, die sich agil und flexibel an die Situation und den Gesprächspartner anpasst. Die etwas bewegt und ein gutes Gefühl beim Gegenüber hinterlässt. Die Komplexität reduziert und Klarheit fördert. Die letztlich die Herzen bewegt und dadurch Wirkkraft entfaltet. Die gute Nachricht ist: Selbst in einer digitalisierten Welt bleibt das Wesen von Kommunikation immer gleich, egal wie viel Technik wir nutzen. Energie, Herz und Authentizität sind immer noch die Erfolgsgaranten. Dabei muss Kommunikation immer vom Ziel her gedacht werden.

Die Erfolgsgaranten

Entscheidend ist auch die Frage des richtigen Kanals: Digitale Technologien machen es uns heute (zu) leicht, sich nicht mit den Argumenten und Emotionen des Gegenübers zu konfrontieren. Eine Abmahnung per Mail zu schicken, ist na­türlich deutlich entspannter, als sich mit dem Betreffenden persönlich auseinanderzusetzen. Doch auf diese Weise werden wir unsere Kommunikation kaum auf ein höheres Level heben.

Gerade bei (emotional) komplexen Themen gilt es daher, diese immer persön­-lich zu besprechen. Eine Orientierung bei  der Wahl des richtigen Kanals bietet die «Komplex-Persönlich-Relation». Je mehr Elemente ein Gesprächspartner von Stimme und Körpersprache seines Gegenübers zur Verfügung hat, umso besser kann er die Nachricht deuten. Das heisst nach absteigender Komplexität: persönliches Gespräch, Video-Call, normales Telefonat, Sprachnachricht, Textnachricht (E-Mail, Whatsapp).

Weicht ein Gesprächspartner trotzdem auf einen weniger persönlichen Kanal aus, ist es durchaus angebracht, nach einem persönlichen Treffen oder zumindest einem Video-Call zu fragen. Falls das nicht geht, sollte notfalls auf demselben Kanal geantwortet werden. Oder man geht eine Stufe auf der «Komplex-Per­sönlich-Relation» nach oben und schickt statt einer Textnachricht beispielsweise eine Sprachnachricht. So kann das Gegenüber zumindest den Klang der Stimme wahrnehmen und hat dennoch die Freiheit, sich eine Antwort zu überlegen.

Auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle. Für wichtige Gespräche sollte man sich Zeit nehmen. Wenn man sie gut investiert, um den anderen wirklich zu verstehen, wird man wesentlich schneller zu einer für beide Seiten bereichernden Lösung kommen. Vorab sollte man bedenken, dass schwierige Gespräche meist dreimal so lange dauern wie angenommen. Daher gilt es entsprechend zu planen, denn es gibt nichts Schlimmeres, als den Austausch kurz vor dem kommunikativen Durchbruch beenden zu müssen, weil man noch einen anderen Termin hat. Sich Zeit zu nehmen, signalisiert dem Gegenüber ausserdem: «Das bist du mir wert.»  

Vor der Kommunikation

Ohnehin entscheidet sich schon vor dem eigentlichen Beginn, wie eine schwierige Verhandlung verläuft. Deshalb ist es wichtig, sich im Vorfeld klar zu machen, welche Ziele man mit dem Gespräch verfolgt. Je klarer das eigene Denken, Fühlen und Handeln, desto eindeutiger, verständlicher und präziser ist auch die eigene Kommunikation. 

In unserer heutigen Zeit mit Dauerbeschallung, Multioptionalität und High-speed-Entscheidungen ist es jedoch schwieriger geworden, diese innere Klarheit zu erlangen. Gleichzeitig ist es wichtiger denn je: Je weniger Zeit wir für Kommunikation zur Verfügung haben und missverständliche Medien dafür nutzen, umso klarer müssen wir sein. Etwa indem wir uns fragen: Wie sollte ich denken, damit ich wieder eine Verbindung zum Gegenüber herstellen kann? Denn das ist es, worum es beim Kommunizieren geht: um echte Verbindung zwischen Menschen.

Ein hilfreiches Tool in diesem Kontext sind die «vier Clarity What’s». Damit erreichen wir auch in kurzer Zeit innere Klarheit in Bezug auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Diese drei Zeithorizonte werden in jedem schwierigen Gespräch verhandelt. Dabei gilt es, sich vor Augen zu führen, was in der Vergangenheit passiert ist. Welche Emotionen wir jetzt gerade spüren. Was aus der aktuellen Situation gelernt werden kann. Und mit Blick auf die Zukunft: Was zu tun ist, was wir erreichen wollen und wo wir flexibel in unseren Zielen sind.

Konflikte im Hintergrund

Da es in einem schwierigen Gespräch auch immer darum geht, was passiert oder nicht passiert ist, sollten wir uns die Frage danach zuerst stellen. Das ist deshalb wichtig, weil wir anderen Menschen oft Ansichten, Einstellungen oder Intentionen unterstellen, die derjenige in Wirklichkeit gar nicht hat. Dabei kann es auch um zentrale Konflikte gehen. Gibt es einen Beziehungskonflikt, ist das zwischenmenschliche Miteinander wirklich gestört, oder handelt es sich eher um einen Sachkonflikt? Haben die Gesprächspartner unterschiedliche Sichtweisen auf einen Sachverhalt, unterschiedliche Vorstellungen über Ressourcen, Kapazitäten oder Vorgehensweisen oder müssen sie in verschiedenen Rollen unterschiedliche Ziele verfolgen? Klarheit in diesen Fragen ist entscheidend, damit im Gespräch oder in digitalen Botschaften nicht falsche Themen gesetzt oder unnötige Nebenkriegsschauplätze aufgemacht werden.

Die Frage nach dem «So What» bezieht sich auf die vorherrschenden Emotionen. Da sich Gefühle aus der Vergangenheit speisen, aber bis in die Gegenwart hineinwirken, umfasst es beide Zeitdimensionen. Welche Emotionen herrschen vor? Und was würden diese sagen, wenn sie sprechen könnten? Sich seiner Gefühle im Vorhinein eines komplexen Gespräches bewusst zu werden, ist essenziell. 

Nicht nur, weil man diese dann konstruktiv in das Gespräch einbringen kann, sondern weil sie so auch ihre Macht über den Absender verlieren. Indem wir uns bewusst werden, welche Emotionen wir verspüren und warum, wird es unwahrscheinlicher, dass diese sich im Gespräch unkontrolliert Bahn brechen. Die emotionale Klärung hilft auch, wieder in eine grössere Gelassenheit zu kommen, und legt den ersten Stein zum Aufbau einer wohlwollenden Haltung.

Es geht immer um Ziele

Mit der Gegenwart und Zukunft beschäftigt sich das «What if?». Wenn wir aus der Situation etwas lernen sollten, was wäre das? Was lässt sich aus der Situation in Bezug auf einen selbst lernen, was über den Umgang mit anderen Menschen oder vielleicht auch über die äusseren Umstände, die einen umgeben? Lerneffekte können auf all diesen Ebenen entstehen. Ein Vorteil: Wenn man die «Lernperspektive» einnimmt, dann sind schwierige Gespräche keine Probleme oder Strafen, sondern Entwicklungschancen. 

Die nächste Frage gilt dem eigenen Erfahrungsschatz. Da es sicher nicht das erste heikle Gespräch ist: Auf welche Erfahrungen lässt sich zurückgreifen? Was lief bisher gut und könnte auch bei dem bevorstehenden Gespräch klappen? Und was ging in der Vergangenheit eher schief und könnte auch in dieser Konversation zu einem Stolperstein werden? Welche Erfahrungen bestehen in Bezug auf den Gesprächspartner? Was ist ihm oder ihr wichtig? Worauf legt er oder sie Wert? All das sind Hinweise, die in der Gesprächsführung oder Schreibweise berücksichtigt werden sollten. 

In der Kommunikation geht es immer um Ziele. Ein Beispiel: Ein Unternehmer steht kurz vor der Insolvenz. Er weiss, dass er eine bestimmte Ausschreibung gewinnen muss, sonst war es das. Er geht vielleicht über seine Schmerzgrenze, sodass er gerade noch profitabel ist, denn er hofft, in den kommenden vier Jahren, die durch die Ausschreibung finanziell abgesichert sind, neue Kunden zu gewinnen und bessere Deals zu verhandeln. Natürlich ist es besser, so zu verhandeln, dass beide Seiten mit dem Ergebnis maximal zu­frieden sind – das sogenannte Win-win. Aber war das verhandelte Ergebnis nun schlecht oder falsch? Nein, es war in dem Moment zielführend. Und darum geht es bei guter Kommunikation.

Damit wir allerdings entscheiden können, ob etwas zielführend ist oder nicht, müssen wir überhaupt erst mal ein Ziel fest­legen. Und dabei hilft das «Now what?». Es fragt ganz schlicht: Was ist jetzt zu tun? Was ist das Maximal- und Minimalziel? Leider machen sich die wenigsten Menschen vor einem Gespräch Gedanken, wann ein Ergebnis gerade noch akzeptabel ist. Nur wer beides für sich definiert, ist überhaupt verhandlungsfähig. Und kann auch die Frage für sich beantworten, wo er oder sie noch flexibel ist, welche Zugeständnisse noch drin sind. 

Gerade bei schwierigen Gesprächen hilft es, sich immer wieder bewusst zu machen: Auch auf der anderen Seite des Kommunikationskanals sitzt ein Mensch mit Gefühlen, Sorgen und Ängsten. Wer wohlwollend zu seinem Gegenüber ist, kann auch sehr klar in der Sache sein.

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