Wirtschaftsprüfer beurteilen in ihrer Arbeit komplexe wirtschaftliche Sachverhalte. Unternehmen und andere Stakeholder fordern von den Revisoren zu Recht eine hohe Qualität der Prüfung und erwarten, dass Fehler in einer Jahresrechnung gesehen werden. Die Erwartungen der Beteiligten gehen oftmals über die rein gesetzliche Abschlussprüfung hinaus, was im sogenannten Expectation Gap enden kann. Diese hohe Erwartungshaltung, zusammen mit zunehmenden Prüfungsvorschriften und gleichzeitigem Kostendruck, stellt die Branche vor grosse Herausforderungen.
Auf der anderen Seite ist festzustellen, dass ein Teil der alljährlichen Revisionen nach festen Mustern und Schemen abläuft. Das Vorgehen einer Prüfung richtet sich nach Standards und ist wie ein Projekt anzusehen – mit klar definiertem Anfang, Ablauf und Ende. Prüfer verwenden vielfach ihre Zeit darauf, Fragen zu stellen, Antworten zu erhalten und weiterzubearbeiten, Ergänzungsfragen zu stellen, schriftliche Nachweise einzuholen, um diese weiter prüfen und dokumentieren zu können. Ein Teil dieser Arbeit lässt sich gut automatisieren.
Vorbereitung auf die Zukunft
Unsere ökonomische und soziale Umwelt ist durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt. Sie ist mit anderen Worten dynamisch. Veränderungen in einem dynamischen Umfeld sind nur schwer vorauszusagen. Will sich die Prüfungsgesellschaft auf die Zukunft vorbereiten und am richtigen Ort investieren, so läuft sie Gefahr, auf den falschen Trend zu setzen und Fehlinvestitionen zu tätigen. Wer hingegen in diesem Umfeld zu lange abwartet, reagiert unter Umständen zu spät und verpasst wichtige Entwicklungen. Prüfungsgesellschaften sind gezwungen, proaktiv zu werden, zu tüfteln und dabei finanzielle Risiken einzugehen. Rückschläge sind bei komplexen Projekten in Kauf zu nehmen und müssen in einem begrenzten Masse als Lernaufwand hingenommen werden.
Ein möglicher Ansatz zur Begrenzung von Fehlinvestitionen ist es, digitale Transformation in den Bereichen anzugehen, welche auf klaren Ablaufprozessen basieren und bereits heute Nutzen stiften; die aber gleichzeitig auch das Potenzial für zukünftige Entwicklungen haben, zum Beispiel in Richtung künstliche Intelligenz (KI). Damit können erweiterte Anwendungsmöglichkeiten kurzfristig erzielt und erste Resultate relativ rasch aufgezeigt werden. Dies erhöht die Akzeptanz unter den Mitarbeitenden. Werden doch solche Projekte gerade in der Anfangsphase durch die Belegschaft oftmals skeptisch beurteilt.
Mit diesem Vorgehen sichert sich das Unternehmen das langfristige Potenzial für den Einsatz von KI. Anwendungsmöglichkeiten unter Einsatz von modernen Hilfsmitteln sind zum Beispiel Data Analytics in Zusammenhang mit automatischer Erkennung von Anomalien und /oder Machine Learning, Robotergestützte Prozess-Automatisierung (RPA) oder intelligente Chatbots. Diese Tools werden, wie bei vielen Technologien, welche in gewissem Masse in Zusammenhang mit der Entwicklung von KI stehen, oft entweder als komplette Spielerei abgetan oder als der heilige Gral hochgelobt, der in Kürze den Menschen ersetzen wird. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt und beide Aussagen in dieser Absolutheit falsch sind.
Automatisierung von Abläufen
Die Wirtschaftsprüfung verfügt über verschiedene zukunftsgerichtete Werkzeuge mit KI-Potenzial, welche die Zusammenarbeit zwischen Prüfungsteams und Kunden automatisieren und optimieren können. Eines dieser Tools ist der Chatbot. Ein Chatbot (oder Bot) ist ein textbasiertes Dialogsystem. Bots können Benutzer durch umfangreiche Prozesse führen, welche immer ähnlich ablaufen. Gerade die Wirtschaftsprüfung bietet ein ideales Umfeld, solche Technologien sinnvoll und effizient einzusetzen, da Abläufe jedes Jahr in gleicher Weise erfolgen und Prüfungshandlungen jeweils nach klaren Vorgaben der Prüfungsstandards durchgeführt werden. Bots haben den Vorteil, dass sie den Gesamtablauf in einfache einzelne Schritte zerlegen und dass am Schluss nichts vergessen geht.
So führt beispielsweise «Lisa», die digitale Prüfassistentin von BDO, den Kunden auf dem elektronischen Kundenportal durch die Anfangsphase einer Revision. Die Finanzchefin oder der Buchhalter der geprüften Gesellschaft kann «Lisa» orts- und zeitunabhängig Informationen und Dokumente übergeben; und dies auf einer gesicherten Plattform und nicht via E-Mail – in der heutigen Zeit ein unverzichtbares Erfordernis. «Lisa» kann heute schon in beschränktem Ausmass Fragen beantworten. Der Kunde kann «Lisa» jederzeit eine Kurznachricht senden und bekommt augenblicklich eine Nachricht zurück. «Lisa» kann auch einen elektronischen Workflow auslösen, so zum Beispiel eine Saldenbilanz beim Kunden einverlangen, diese am richtigen Ort für das Prüfungsteam abspeichern und das Prüfungsteam per E-Mail über den Eingang des Dokuments informieren. «Lisa» ist intelligent genug, um Mitteilungen zu verstehen, damit sie diese entweder direkt beantworten oder einen elektronischen Prozess auslösen kann.