Digitalisierung & Transformation

Digitale Trends

Warum das Internet of Things für Schweizer KMU relevant wird

Die Consumer Electronics Show in Las Vegas ist die bedeutendste Messe für Unterhaltungselektronik. Oberflächlich dreht sich hier alles um Konsumgüter und Gadgets, vom selbstfahrenden Auto über faltbare Bildschirme bis zur Mini-Drohne. Wer aber tiefer blickt, der entdeckt eine Reihe von Entwicklungen, die auch vor dem KMU-Marketing nicht haltmachen.
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Selbstfahrende Autos gehörten an der Consumer Electronics Show (CES) auch dieses Jahr wieder zu den unbestrittenen Messe-Stars. Kein Wunder: Kaum eine andere Innovation verkörpert in ähnlicher Weise die Zukunft wie das Auto ohne Lenkrad und Gaspedal. Allerdings geht ob der verrückten Vorstellung von füh­rerlosen Fahrzeugen ein unscheinbares, aber umso entscheidenderes Detail unter: die Vernetzung des Autos mit dem Internet. Sie ist für das autonome Fahren mindestens gleich bedeutend wie Sensoren und Kameras und ist nicht nur eine Voraussetzung für eine sichere Navigation, sondern ermöglicht auch eine breite Palette neuer Dienstleistungen. So weiss das vernetzte Auto vom Vordermann, wo die Strasse nass ist und wo gerade Wildtiere die Fahrbahn überqueren. Muss die Batterie geladen werden, kennt das Auto den optimalen Stromtankstopp, reserviert zur erwarteten Ankunftszeit die Ladesäule und bestellt für den Hunger gleich noch die Wunschpizza ans Fahrzeug.

Vernetzungs-Wettlauf 

Der Trend hin zu Internet of Things beschränkt sich aber nicht auf die Mobilität. An der CES im Januar war ein Vernetzungs-Wettlauf wahrzunehmen, der immer mehr auf andere Anwendungen übergreift. Diese rasante Entwicklung ist auch für Schweizer KMU relevant, denn sie macht vor unserer Wirtschaft nicht halt und stellt ganz neue Anforderungen an die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen.

Besonders aufgefallen sind dem Autor in Las Vegas Vernetzungsanwendungen bei den Haushaltsgeräten. Ob Backofen, Geschirrspülmaschine, Kühlschrank, Licht oder Heizung: Alles ist miteinander vernetzt und kann über Sprache gesteuert werden. Ein Beispiel: Will der Konsument wissen, ob noch genügend Milch im Kühlschrank ist, fragt er einfach sein Handy, Amazon Echo oder gleich den Kühlschrank selbst. Er wird in Sekundenschnelle eine Antwort erhalten. Ist er auf dem Heimweg und möchte es zu Hause warm haben, dann gibt er den entsprechenden Sprachbefehl. 

Der Kühlschrank als Zielgruppe

Weil die Endgeräte mit dem Internet verbunden sind, können Konsumenten zukünftig immer mehr Aufgaben von unterwegs direkt erledigen. Dabei sind sie nicht mal mehr auf einen Bildschirm angewiesen. Es reicht ein sprachfähiges Handy oder ein Sprachassistent. Was bedeutet das nun konkret? Bleiben wir einfachheitshalber beim Beispiel des Kühlschranks und der Milch. 

Teilt der Kühlschrank also mit, die Milchflasche sei nur noch zu einem Drittel voll, befiehlt man ihm, eine neue zu bestellen. Von welchem Versorger das Produkt geliefert wird, spielt für den Konsumenten eine untergeordnete Rolle. Er möchte einfach frische Milch. Geliefert wird stan­dard­mässig von dem mit seinem Gerät verbundenen Online-Shop. 

Für den kleinen Milchladen, welcher Spezialitätenmilch von regionalen Bio-Bauern anbietet, heisst das, der Zugang zum Konsumenten wird erschwert. Jetzt gilt es, den Kühlschrank als neue Zielgruppe zu erkennen und ihn über die Existenz der Spezialitätenmilch zu informieren. Ist das erfolgreich vollbracht, muss der Shop aber auch noch die technischen Voraussetzungen mitbringen, um eine Bestellung des Kühlschranks ausführen zu können. Erst wenn alle diese Anforderungen erfüllt sind, hat der kleine Milchladen mit seiner Spezialitätenmilch überhaupt eine Chance, bei der Bestellung in die engere Auswahl zu gelangen. 

Von Beginn an dabei sein

Auch wenn sich das Internet of Things in immer mehr Anwendungsbereichen durchsetzt, so sind wir in der Schweiz heute noch ein ganzes Stück von diesem futuristischen Szenario entfernt. Früher oder später wird es aber Realität sein und ganz besonders kleinere KMU vor grosse Herausforderungen stellen. KMU müssen sich nämlich fragen, ob es sich überhaupt lohnt, den Kühlschrank zu beliefern, und falls ja, wie man die Zielgruppe Kühlschrank am effizientesten bearbeiten kann. Keine einfache Aufgabe für ein KMU, aber lösbar.

Eine entscheidende Hürde bleibt allerdings auch in diesem Fall bestehen: Der Kühlschrank ist bequem. Er wird nicht bei jeder Bestellung einen neuen Lieferanten in Betracht ziehen, sondern wählt entweder aus zwei bis vielleicht drei bekannten Online-Shops aus, oder aber er entscheidet sich gleich für den vom Gerät voreingestellten Marktplatz. Wer da nicht von Anfang an mit dabei ist, der hat nachträglich kaum mehr eine Chance, es mit seiner Spezialitätenmilch in den schwer­fälligen Kühlschrank des Konsumenten hinein zu schaffen. 

Auf Marktplätzen vernetzt

Darin zeigt sich ein Dilemma für KMU. Sie müssen sich einerseits der Digitalisierung anpassen, in Technologie und Marketing investieren und sicherstellen, dass sie von vernetzten Geräten gefunden werden. Gleichzeitig wird es für sie dennoch immer schwieriger, sich in einer durch und durch digitalisierten Welt die nötige Präsenz zu verschaffen. Die grossen Marktplätze mit ihren integrierten Gesamt­lösungen und breiten Sortimenten, die jeden Konsumentenwunsch erfüllen können, sind die natürlichen Verbündeten der vernetzten Geräte. 

Diese offensichtliche Dominanz kann für den kleinen Spezialitätenmilch-Händler unter Umständen aber auch eine Chance darstellen. Dann nämlich, wenn er sich mit einem Shop-in-Shop-Konzept an einen der führenden Marktplätze andocken kann und es so auf direktem Weg in den Kühlschrank des Konsumenten schafft. Mit diesen Themen werden sich KMU in naher Zukunft intensiv auseinander­setzen müssen, um die für sie richtigen Schlüsse ziehen zu können.

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