Digitalisierung & Transformation

Vertriebskultur

Vertriebsleiter auf dem Weg zum «Digital Leader»

Durch die Digitalisierung und den Onlinehandel stehen den Unternehmen revolutionäre Umbrüche bevor. Darum genügt es nicht, an ein paar Stellschrauben zu drehen – und alles wird digital. Vielmehr muss in einem ganzheitlichen Ansatz die gesamte Vertriebskultur auf die digitalen Herausforderungen ausgerichtet werden.
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Top-down ist es erforderlich, die digitale Vertriebskultur in den Unternehmensgrundsätzen festzuschreiben und zu verankern. Zudem müssen die Mitarbeiter bereit sein, die digitalen Instrumente und Methoden einzusetzen. Allerdings: Viele Unternehmen befinden sich zwar im digitalen Innovationsfieber. So manche Mitarbeiter teilen diese Begeisterung jedoch noch nicht.

Die Revolution akzeptieren

Die Etventure-Studie «Digitale Transformation 2017» besagt, dass in 37 Prozent der Firmen die Mitarbeiter auf Prozesse zur digitalen Transformation verunsichert reagieren. In 45 Prozent der Unternehmen führt die Digitalisierung sogar zu einer Spaltung in Befürworter und Verweigerer. Die digitale Transformation scheitert häufig an den internen Widerständen der Mitarbeiter.

Hinzukommt, dass jene Unternehmen, deren Umsatz- und Gewinnentwicklung nach oben zeigt, sich mit den Folgen der digitalen Revolution nicht immer angemessen auseinander setzen. Die Einstellung «Warum etwas ändern, es geht uns doch gut!» hindert sie daran, die Auswirkungen einzuschätzen. Die Unternehmen wissen zwar um die Gefahren, Risiken, Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung und des Onlinehandels, die entsprechenden Veränderungsschlüsse aber werden nicht gezogen.

Touchpoints ausloten

Die digitalen Entwicklungen auf Kundenseite sind unübersehbar. Denken wir nur an den internetaffinen Kunden, der sich über ein Produkt oder eine Dienstleistung im Detail informiert und Vergleichsportale checkt. So weiss er über das Objekt seiner Kaufbegierde besser Bescheid als der Verkäufer, dem das notwendige Detailwissen in der Tiefe fehlt. Selbst Unternehmen, die noch weitgehend von der direkten Kundenansprache leben, benötigen den digitalen Zugang zu den Kunden. Die Verkäufer müssen dort sein, wo sich die Kunden aufhalten, und das ist zunehmend die digitale Welt.

Existenzentscheidend ist daher die Beantwortung folgender Fragen: Wo ist es sinnvoll, dem Kunden offline zu begegnen, wo eher online, etwa mithilfe von Social Media? Auf welchen digitalen Kanälen sollten die Interessenten angesprochen werden, um Neukontakte zu generieren? Welche Geräte (Smartphone, Tablet, PC) nutzt der Kunde wann und wie?

Damit jeder Mitarbeiter jederzeit mit jedem Kunden auf demselben Informationsstand kommunizieren kann, ist es notwendig, dass die Verkäufer alle Informationen zu den Kunden in einer Datenbank eintragen. Jeder muss wissen, wann der Kunde mit wem im Unternehmen Kontakt hatte, und zwar bezüglich aller Kundenkontaktpunkte, online und offline. Dann lassen sich Produktmarketing, Kundenansprache und Verkaufsprozess entsprechend gestalten. Das wiederum erfordert, die digitalen Kompetenzen der Verkäufer und Mitarbeiter mit Kundenkontakt zu erweitern.

Analyse durchführen

Notwendig ist mithin ein ganzheitliches digitales Vertriebskonzept, welches auf E-Commerce ausgerichtet ist, aber darüber nicht die Bedürfnisse des «analogen» Kunden vergisst. Neben den klassischen Wegen zum Kunden gilt es, Onlineshops und -plattformen zu etablieren und die sozialen Netzwerke zu nutzen, um Kunden anzusprechen, zu beraten und zu betreuen. Die Online-Beratung von Bildschirm zu Bildschirm, bei der der Kunde und der Berater vor ihren mobilen Endgeräten sitzen, sollte endlich zum Standard gehören. Und Leadmanagement meint in digitalen Zeiten primär die Generierung und Qualifizierung von Interessenten durch E-Mail-Marketing, Landing Pages, Suchmaschinenmarketing und Social-Media-Marketing.

Leitsätze digital ausrichten

Unternehmen, die noch nicht über eine dezidierte digital orientierte Vertriebskultur verfügen, sollten zunächst einmal den Ist-Zustand analysieren: Eine digitale Vertriebspotenzial-Analyse zeigt auf, wo Veränderungsbedarf besteht, welche Akquisitionswege digital(er) gestaltet werden sollten und wo die Kundenkontaktpunkte (Touchpoints) einer digitalen Ausrichtung bedürfen.

Die digitale Transformation vollzieht sich in jeder Branche anders. Darum muss jedes Unternehmen seinen individuellen Digitalisierungsgrad feststellen und die gesamte Customer Journey «vom Lead bis zum Auftrag» unter die digitale Analyselupe legen. Bezüglich der gesamten Wertschöpfungskette ist zu prüfen, an welchen Touchpoints Veränderungen durchzuführen sind. Danach werden die digitalen Lücken geschlossen und die dazu notwendigen Verbesserungsmassnahmen in ein Strategiepapier gegossen, mit dem sich die digitale Vertriebskultur etablieren lässt.

Ein digitaler Motivationsschub gelingt, wenn der Wille zum Aufbau der digitalen Vertriebskultur in den Unternehmensleitsätzen festgeschrieben wird. Die Bedeutung des Projekts wird so betont: Alle Führungskräfte und Mitarbeiter – nicht nur im Vertrieb – wissen um die Wichtigkeit und des Vorhabens und räumen ihm höchste Priorität ein.

Die Emotionalisierung

Die digitale Vertriebskultur lebt von den Menschen, die sie mit Herzblut und Leidenschaft realisieren wollen. Darum: Für jeden einzelnen Mitarbeiter wird die Arbeitsplatzbeschreibung «digital» ergänzt: Wenn der Verkäufer beim Kunden sitzt, präsentiert er nicht per Flip-Chart oder Whiteboard, sondern mit Tablet oder Smartphone. Dort verfügt er über alle relevanten Kundendaten und lässt der digitalen Präsentation die digital organisierte Angebotsphase folgen. Auch danach gehts digital weiter: Eine App auf seinem Smartphone erlaubt ihm die rasche Planung und Organisation des nächsten Besuchstages.

Wiederum darf – es sei an die Etventure-Studie erinnert – der motivatorische Aspekt nicht vergessen werden. Es gehört zu den Aufgaben des Vertriebsleiters, für digitale Akzeptanz zu sorgen und den Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der digitalen Veränderungen zu erläutern: mit sachlichen und mit emotionalisierenden Argumenten.

Ein Beispiel: Durch die digitale Transformation lassen sich Routinetätigkeiten wie das Berichtswesen vereinfachen. So werden Zeit und Ressourcen für die Betreuung des Kunden von Mensch zu Mensch frei – das ist ein Argument, das insbesondere Verkäufer überzeugt, die Kunden weniger virtuell, sondern eher im direkten Gespräch begeistern möchten.

Einkaufserlebnisse gestalten

Die Emotionalisierung in Zeiten der Digitalisierung umfasst einen weiteren Aspekt: Wenn der Verkauf immer öfter über die sozialen Medien und etwa von Smartphone zu Smartphone erfolgt, wenn die Online-Beratung von Bildschirm zu Bildschirm noch wichtiger wird, stellt sich die Frage, wie sich für die Kundschaft auch online emotionalisierende Einkaufsprozesse, also Einkaufserlebnisse, gestalten lassen. Dass es in der realen Begegnung von Kunde zu Verkäufer unerlässlich ist, erlebnisorientierte Shoppingevents zu kreieren, ist unstrittig.

Die Emotionen sind jedoch auch in der virtuellen Welt von Bedeutung. Wenn der Verkäufer in München und der Kunde in Berlin vor dem Bildschirm sitzt und die Beratung und der Verkauf über Hunderte von Kilometern stattfinden, muss es dem Verkäufer trotzdem gelingen, den Kunden auch virtuell an seinen emotionalen Wurzeln zu packen. Darum sollten seine digitalen Kompetenzen entsprechend erweitert werden.

Der Digital Leader

Auch der Grad des «Digitalisierungswillens» der Führungskräfte gehört auf den Prüfstand. Ein Kompetenz- und Motivations-Check zeigt, wie es um deren digitale Offenheit bestellt ist. Eine digitale Vertriebskultur ohne digital überzeugte Führungskräfte ist kaum möglich. Vom Vertriebsleiter darf daher erwartet werden, dass dieser als Digital Leader vorausgeht und seiner Vorbildfunktion gerecht wird.

Dabei gerät die Generationenfrage in den Fokus: Auf der einen Seite gibt es die – meistens jüngeren – internetaffinen Mitarbeiter, die oft von den neuen digitalen Medien sozialisiert worden sind. Ihnen fällt es leicht, die Vorteile der Digitalisierung für die Vertriebsprozesse und Kundenkontakte zu nutzen. Ab und zu müssen sie darauf hingewiesen werden, dass der Face-to-Face-Kontakt zum real lebenden Kunden nicht vernachlässigt werden darf. Auf der anderen Seite müssen einige – zumeist die eher älteren – Verkäufer ihre Vorbehalte gegen die neuen Medien und deren Einsatz im Kundenkontakt aufgeben. Zielführend ist es, wenn sich die Generationen gegenseitig unterstützen und jeder von den Stärken der anderen Gruppe profitiert. Indem der Vertriebsleiter als Digital Leader analog-digitale Teams bildet, ist dies möglich.

Fazit

Die Erfahrung zeigt, dass es hilfreich ist, sich in Fragen der digitalen Ausrichtung der Vertriebsabteilung und des gesamten Unternehmens extern beraten zu lassen. Beobachter von aussen sind eher in der Lage, die Notwendigkeit von Veränderungsprozessen zu erkennen und diese Prozesse anzustossen.

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