Im Managementbereich hat sich nach dem Begriff Change ein neues Buzzword etabliert: Transformation. Noch vor wenigen Jahren wurde dieser Begriff eher selten in den Verlautbarungen der Unternehmen verwendet; heute hingegen findet man ihn im Zuge
- der digitalen Transformation der Wirtschaft und rasant fortschreitenden Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sowie
- der fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen, die sich im Umfeld der Unternehmen vollziehen,
in fast allen Statements der Unternehmen, die deren Zukunft betreffen.
Die Begrifflichkeiten
Im Gespräch mit den firmeninternen Transformationsexperten und ihren externen Beratern stellt man jedoch oft fest: Den meisten fällt es schwer, genau zu sagen,
- was einen Transformations- von einem Changeprozess und
- einen Transformations- von einem Change-Manager
unterscheidet. Häufig werden die beiden Begriffe Transformation und Change synonym verwendet. Dabei gibt es zwischen ihnen durchaus Unterschiede.
Das Wort Change bezeichnet schlicht eine Veränderung und kann sich auf sehr viele Objekte und Prozesse beziehen. So ist es zum Beispiel auch ein Change- oder Veränderungsprozess, wenn in einem Unternehmen die PCs ausgetauscht oder die Wände neu gestrichen werden. Ein Change ist es auch, wenn Abläufe optimiert, Teams neu formiert oder Mitarbeiter eingestellt beziehungsweise entlassen werden. Ein Change kann sich also, er muss sich aber nicht auf alle drei Ebenen beziehen, die zum Beispiel dem Beratungsdreieck von Dr. Kraus & Partner (K & P) zugrunde liegen, nämlich die Unternehmensstrategie, -kultur und -struktur (unter anderen Prozesse, Abläufe).
Ein Change muss zudem nicht, er kann aber auch eine Einstellungs- und Verhaltensänderung der Mitarbeiter erfordern, denn bei ihm wird nicht notwendigerweise ein sogenannter «Musterwechsel» vollzogen. So ist es zum Beispiel auch ein Change, jedoch kein «Musterwechsel», wenn in einem Werk eines Autoherstellers die Mitarbeiter fortan Limousinen statt Geländewagen produzieren. Denn dann müssen sie zwar vermutlich einige Handgriffe neu lernen, sie müssen aber nicht ihre Einstellung und ihr Verhalten grundsätzlich ändern.
Anders sieht dies hingegen schon aus, wenn ein Autohersteller beschliesst: «Wir produzieren künftig statt Autos mit Verbrennungsmotoren nur noch E-Autos.» Oder gar: «Wir entwickeln uns zu einem Mobilitätsanbieter.» Denn dann ändern sich nicht nur die Produktions- und Leistungserbringungsprozesse, sondern das gesamte Unternehmen muss ein neues Selbstverständnis beziehungsweise eine neue Identität entwickeln, was auch neue Kompetenzen sowie Denk- und Handlungsmuster bei den Prozessbeteiligten erfordert.
Der fundamentale Wandel
Generell versteht man unter einer Transformation den Prozess der gezielten Umgestaltung der «genetischen» Grundstruktur eines Systems – unabhängig davon, ob es sich hierbei zum Beispiel um eine Gesellschaft, ein Unternehmen oder einen Unternehmensbereich handelt. Im Verlauf dieses Prozesses
- definiert zum Beispiel ein Unternehmen sich selbst und einen grossen Teil seiner Beziehungen zu seiner Umwelt neu und
- hinterfragt neben seiner Strategie und seinem Geschäftsmodell auch seine Geschäftsprozesse und gestaltet diese bei Bedarf radikal um.
Das Unternehmen (oder der Unternehmensbereich) erfindet sich sozusagen neu, um mittel- und langfristig seinen Erfolg zu sichern.
Vor dieser Herausforderung stehen zurzeit viele Unternehmen, denn unter anderem aufgrund solcher Ereignisse beziehungsweise Phänomene wie
- dem Ukraine-Krieg und Gaza-Konflikt,
- dem Entstehen einer multipolaren Weltordnung,
- den immer stärker spürbar werdenden Folgen des demografischen Wandels und Klimawandels sowie
- der rasant fortschreitenden technologischen Entwicklung nicht nur im Bereich der Künstlichen Intelligenz
ändern sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen beziehungsweise unternehmerischen Handelns aktuell fundamental und sie werden sich weiter verändern. Oder anders formuliert: Nicht nur unsere Gesellschaft befindet sich aktuell in einer Zeitenwende, auch viele Unternehmen sehen sich mit einer solchen konfrontiert.
Ein solch fundamentaler Wandel tangiert alle drei der vorgenannten Ebenen von Unternehmen: ihre Strategie, ihre Kultur und ihre Struktur. Und ihre Mitarbeiter? Sie müssen sich und ihr Verhalten neu definieren und eine neue Identität zumindest bezogen auf ihre Funktion in
der Organisation entwickeln.
Die Transformation eines Unternehmens lässt sich am ehesten mit der Metamorphose vergleichen, die viele Insekten im Laufe ihres Lebenszyklus durchlaufen. So gibt es zum Beispiel bei einem Schmetterling die Entwicklungsphasen Ei, Raupe, Puppe und Falter. Und beim Übergang von einem Entwicklungsstadium ins nächste wandelt sich das genetische Material vollständig um. Doch nicht nur dies. Eine Schmetterlingsraupe hat auch andere Fähigkeiten als der Falter am Ende des Entwicklungszyklus: Eine Raupe kann zum Beispiel nicht fliegen.