Umfragen zeigen, dass Schweizer Unternehmen die aktuell voranschreitende digitale Transformation zugleich als Segen und als Fluch sehen (zum Beispiel Bühler et al., 2019; Institut für Unternehmensführung, 2017). Einerseits bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, Chancen zu realisieren, welche ohne die neuen Technologien bislang kaum möglich waren. Dazu gehören ausser Effizienzvorteilen auch Netzwerkvorteile oder die systematische Nutzung von Plattformen in innovativen Geschäftsmodellen. KMU können so schneller agieren, sich neu positionieren und dabei neue und grössere Gruppen von Stakeholdern erreichen. Diese Möglichkeiten helfen Unternehmen dabei, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.
Neue Spielregeln
Andererseits wird die Digitalisierung zunehmend als «Disruption» betrachtet, welche zu grundlegenden Verschiebungen und zu neuen Spielregeln im etablierten Wettbewerbsgefüge führt. Der Grund dafür sind sich verändernde Erfolgslogiken, mit denen viele etablierte KMU nicht vertraut sind. Der Wettbewerb in einer digitalen Welt funktioniert anders als der Wettbewerb in einer analogen Welt.
Ein erster Schritt besteht also darin, ein Verständnis für die sich herausbildenden Muster zu entwickeln. In einem zweiten Schritt können diese dann systematisch aufgegriffen und zum Beispiel in innovative Geschäftsmodelle transferiert werden, welche auf den digitalen Möglichkeiten und auf den neuen Spielregeln aufbauen. Doch womit müssen Unternehmen genau rechnen und welche strategischen Fragen sollten sich KMU regelmässig stellen? Der Beitrag fasst wichtige Hintergrundinformationen zusammen.
Veränderungen und Strategie
Zu den grundlegendsten Fragen in der Strategie gehört «Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher als andere?» oder «Welchen Vorteil haben manche Unternehmen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern?». Wir suchen also nach Vorteilen im Wettbewerb, welche den Erfolg von Unternehmen begründen.
Selten lässt sich auf diese Fragen eine eindeutig «richtige» oder «falsche» Antwort finden. Vielmehr hängt der Erfolg von Unternehmen von einer Vielzahl Faktoren ab, einige davon befinden sich im eigenen Unternehmen, andere sind in der Unternehmensumwelt zu finden. Unternehmen und Umwelt sind dann untrennbar miteinander verknüpft. Sinnvolle Handlungen eines Unternehmens hängen nicht nur von der eigenen Situation, sondern auch davon ab, was die anderen tun, ähnlich wie in einem Spiel. Auch wenn Unternehmen eine oder mehrere Antworten auf die oben genannten Fragen gefunden haben, so gelten diese nicht für alle Zeiten, denn das Gefüge aus Unternehmen und Umwelt verändert sich stetig. Sofern die voranschreitenden Veränderungen «greifbar» sind, können Unternehmen diese frühzeitig in Aktivitäten und Ressourcen übersetzen, also in das, was Unternehmen «tun» und «haben».
Wachsende Relevanz
Herausfordernd wird es, wenn sich die Strukturen verändern, sich also neue Spieler oder neue Spielregeln etablieren, die wir nicht richtig einschätzen können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn unklar ist, was sich verändert, wie und wann es sich verändert oder wie ein zukünftiger Zustand überhaupt aussehen kann. In einer solchen Situation ist es fraglich, was Unternehmen tun sollen oder müssen, um kurz- und längerfristig im Wettbewerbsspiel überhaupt noch mitspielen zu können. Sicher ist in dieser Situation nur, dass es unternehmerische Veränderungen zwingend braucht. So zeigen Studien, dass «Nicht-Handeln» in sich rasch verändernden Umwelten nur selten (circa fünf bis zehn Prozent der Fälle) zu Erfolg von Unternehmen führt (Zook, 2007).
Grundlegende Veränderungen in der Unternehmensumwelt, sogenannte «Megatrends», die Gesellschaften und Unternehmen nachhaltig beeinflussen, sind daher für Strategen von besonders grossem Interesse. Oft werden diese durch technologische Neuerungen und Innovationen angestossen. Strategie und Technologie sind zwingend miteinander verknüpft, denn neue Technologien ermöglichen es Unternehmen, die Dinge anders zu tun oder andere Dinge anzupacken. Neue Technologien haben das Potenzial, etablierte Strukturen, Vorgehensweisen und Vorteile im Wettbewerb infrage zu stel-len und diese grundlegend zu verändern. Wir sprechen dann von «Disruptionen» (vergleiche hierzu Teil 5 und 6 der Beitragsserie). Je umfassender und schneller die technologische Veränderung stattfindet, umso grösser ist die strategische Relevanz für Unternehmen.