Digitalisierung & Transformation

Verkauf

Social Selling statt Massenkommunikation

Telefon- und E-Mail-Marketing haben ihren Zenit überschritten. Online-Werbung wird zunehmend geblockt. Social Selling, die Verbindung von Social Media, Content und Beziehungspflege, ist eine zeitgemässe Alternative. Der Beitrag zeigt, was genau dahintersteckt.
PDF Kaufen

Wir kennen es selbst: Immer mehr Käufe werden online getätigt. Freundschaften, Beziehungen und Geschäftspartner werden online gefunden, gestartet, gepflegt. Marken werden online vorgestellt und wachsen online durch gezieltes Branding zu Wahrzeichen unserer Kultur heran. Wieso sollten also Vertriebsmitarbeiter nicht online tätig werden, um diese Verkäufe und dieses Branding zu begleiten und zu steuern?

Die neue Welt im Verkauf

Verkauf passiert nicht mehr am Telefon, und auch die Zeit der Marketing-E-Mails ist lange vorbei. Fast 700 Millionen Nutzer haben Ad-Blocker installiert und sehen somit Online-Werbung gar nicht erst. Wer heute Kunden erreichen will, muss sozial denken und langfristig handeln: Social Selling ist das neue Stichwort. Aber was steckt dahinter? Die Verbindung von Social Media, Content sowie Beziehungspflege – alles komplett online, über Gemeinsamkeiten direkt miteinander verbunden. Darum sollte man vielleicht eher von Social Networking als von Social Media sprechen.

Direkter (social) Kontakt mit Personen hat den Vorteil, dass Werbung nicht mehr wahllos in die Massen gesendet werden muss, sondern direkt an potenzielle Käufer gerichtet werden kann, ohne dabei Kosten aufwenden zu müssen. Social Selling wird von Online Marketeers bereits seit Jahren erfolgreich betrieben und kommt nun immer stärker auch im B2B zum Tragen. Dabei wird bewusst auf die Massenkommunikation verzichtet und man beschäftigt sich viel stärker mit der (Ziel-)Person, als wenn es um den klassischen Verkauf geht. Was also wird benötigt, um Social Media auch im Verkauf erfolgreich einsetzen zu können?

Das Social-Networking-Profil

Das Internet erleichtert es Kunden, eine intensive Recherche zu betreiben, bevor Kaufentscheidungen getroffen werden, und drei Viertel aller Kunden betreiben diese intensive Recherche online und auf Social-Networking-Profilen. Der Kunde kauft nicht mehr nur das Produkt. Der Kunde (selbst der Geschäftskunde) kauft das Gefühl, die Menschlichkeit, den Kundenservice, den Humor – kurz: Der Kunde kauft das Rundumpaket, welches das Produkt oder der Service für einen leistet. Dazu gehört auch, dass Sie erreichbar sind auf allen Kanälen.

Sie haben vermutlich Ihr Social-Networking-Profil, namentlich auf Linkedin, Xing und Twitter (oder auch Facebook), bisher eher stiefmütterlich bearbeitet. Wie sieht es aus bei Ihren Mitarbeitenden? Vorgesetzten? Alles im Social Selling startet mit den Informationen über die eigene Firma, die Firmenkultur und die Kontaktmöglichkeiten, denn diese sind heute nicht mehr nur auf der Webseite zu Hause. Wenn Sie später in einen Dialog treten möchten, müssen Sie jetzt schon Frühlingsputz betreiben. Besonders die Firmenkultur muss hervorgehoben werden und im besten Licht dargestellt werden, Bilder, Fotos, ein einheitliches, aber nicht zu poliertes Auftreten. Es soll authentisch sein, echt also.

Wieso sollte ein Kunde sich für eine bestimmte Firma entscheiden, wenn es im Markt sicherlich andere (und eventuell sogar bessere) Optionen gibt? Eine Frage hierbei ist, welche Plattformen zu nutzen sind. Es gibt viele Möglichkeiten, um Social Networking erfolgreich zu nutzen. Twitter, Instagram und Facebook haben einen grossen Einfluss und sind einfach für Verkäufer oder Personen im Aussendienst, aber auch Personen im HR und Recruiting zu handhaben, da viele diese Plattformen bereits aus dem Privatgebrauch kennen. Etwas komplexer sieht es bei Linkedin und Xing aus. Noch immer wird hier eher ein Adressbuch als eine Social-Networking-Plattform betrieben. Aber die gute Nachricht ist: Solange alle Profile gepflegt werden und auch von den Funktionalitäten wie posten, Artikel teilen, Empfehlungen aussprechen Gebrauch gemacht wird, haben Sie bereits einen gewissen Vorsprung.

Guter Content ist aller Anfang

Um die Firma ordentlich vorstellen zu können, braucht es Inhalte. Das können Inhalte zur Firmen-Kultur, der Firmen-Philosophie und auch «banalere» Dinge wie Trend Updates oder Wissenswertes sein. Content – also Inhalt – ist die wahre Geheimwaffe einer guten Social-Selling-Strategie. Hierbei kann es sich um Blogs handeln oder Posts oder sogar Videos. Der Kreativität der Vertriebsmitarbeiter sollten hier wenige bis gar keine Grenzen gesetzt werden. Wichtig ist nur: Verkaufen Sie nicht, machen Sie keine Werbung – lassen Sie erzählen und sorgen Sie dafür, dass der Inhalt immer hilfreich ist. Das darf auch etwas Unterhaltsames sein.

Der Inhalt der Profile ist im Grunde genommen das Herz und die Seele der Online-Präsenz der Firma. Fragen Sie sich: Was macht unsere Firma aus? Haben wir besondere Fähigkeiten oder einen Zugang zu Wissen, das andere nicht haben? Kunden müssen sich mit diesem Bild identifizieren können, denn Käufer in Firmen sind auch nur Menschen und sind daher eher bereit, sich mit einem Unternehmen einzulassen, das «sympathisch» wirkt. Der Anfang ist hier leicht gemacht und existiert oft bereits: So könnten Sie den Inhalt Ihrer Webseite leicht anpassen und diese auf Linkedin übertragen. Hier können Bereiche wie «Über uns» oder Blogs über die Entstehung der Firma und die Hintergründe der Gründung dargelegt und präsentiert gemacht werden. Zu beachten ist hierbei, dass es hier nicht um Inhalte, die strikt nach einem «Verkaufsmuster» aufgebaut sind, geht, sondern um informative Texte wie Beschreibungen von Team-Werdegängen, Auszeichnungen oder Fragen der Grundsätze der Geschäftsführung.

Produkte und Dienstleistungen können Sie umschreiben, sofern diese in einen Artikel eingebettet sind – machen Sie keine Katalog-Verkäufe. Es sollten Beschreibungen sein, die Sinn machen und weiterhelfen – aber diese Art von Postings sollte nicht die Überhand gewinnen. Social Selling ist mehr «social» als «selling». Der Kunde sollte das Gefühl behalten, sich nur umsehen zu dürfen, ohne mit Produkten und Werbung bombardiert zu werden. Eine Parallele hierfür wäre im echten Leben ein Kunde, der in einen Geschäftsladen kommt und sofort von mehreren Verkäufern angesprochen würde. Dies hat nur eine Reaktion zur Folge: Der Kunde kehrt sofort um. Wenn aber derselbe Kunde sich umsehen und entdecken darf, die Atmosphäre ruhig und freundlich ist, informative Texte, Bilder und Infowände zu sehen sind und ihn schliesslich ein erkäufer in ein natürliches, lockeres Gespräch verwickelt, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass der Kunde einen Kauf tätigt und vermutlich auch ein zweites Mal kommt. Dieses Gefühl sollte auch online vermittelt werden.

Ständige Dialogbereitschaft

Um beim vorhergehenden Bild zu bleiben: Der Kunde kommt ins Geschäft hinein und wird in ein Gespräch verwickelt. Eine 1:1-Kommunikation findet statt. Diese Kommunikation muss nicht unbedingt ein Verkaufsgespräch sein. Vielmehr ist es ein natürlicher und einfacher Weg herauszufinden, welche Art von Produkt dieser Kunde benötigt und sogar um was für eine Art Kunden es sich hier handelt. Andere Kunden, die sich im Laden befinden, hören und spüren das positive Klima und fühlen sich angesprochen. Das ist das Ziel eines offenen und vielschichtigen Dialogs in der Branche.

Und so funktioniert das auch auf Social Media. Sie können Personen über einen Post, den Sie selbst oder die Person gepostet oder kommentiert hat, interagieren. Also die Person direkt ansprechen oder erwähnen oder teilen – wichtig ist: Suchen Sie den Kontakt. Dies kann wie folgt systematisch passieren. Vertriebsmitarbeiter können mithilfe eigener Recherchen über den Kunden dessen Online-Profil direkt herausfinden und -lesen, welche Themen diese Person interessiert. Über was schreibt sie, postet sie etwas? Wo könnte man anknüpfen? Wenn die Zielperson nichts postet – welche Themen könnten spannend sein? Gibt es Verbindungen zu gemeinsamen Personen, welche etwas Spannendes geteilt haben? Mitarbeitern muss hier die Möglichkeit gegeben werden, frei und locker mit potenziellen Kunden zu kommunizieren und dies auch öffentlich auf Social-Networking-Plattformen.

Dabei soll der positive Eindruck nicht nur direkt beim angesprochenen Kunden landen, sondern vielmehr in weiterer Folge bei der Recherche des nächsten Kunden über die Firma ins Auge stechen. Potenziellen weiteren Kunden soll so gezeigt werden, dass die Mitarbeiter dieser Firma offen sind, freundlich und hilfsbereit und jederzeit für Fragen und Probleme zur Hand stehen. Dieser teilweise öffentliche Dialog ist ein Weg, um Inhalte zu schaffen, die ein positives Licht auf die gesamte Firma werfen – und nicht nur ein einzelnes Produkt beschreiben. Wichtig ist hier abschliessend nur anzumerken, dass der Bezug von Firma und Person immer wieder hergestellt werden muss. Dafür dienen Firmen-Profile auf Linkedin oder Facebooks Unternehmensseiten. Wechseln Sie ab, lassen Sie Verbindungen zu, die von Personen und Firmen gleichermas­sen genutzt werden können.

Der direkte Draht zum Kunden

Nehmen wir nun an, Sie haben die Profile gut optimiert und posten regelmässig spannende Inhalte, führen Gespräche im Dialog auf den Plattformen, welche Sie ausgewählt haben, und bauen eine Beziehung über Wochen zu Ihren potenziellen Kunden auf. Wenn Sie nun einen Verkauf vorbereiten möchten oder wie oben beschrieben eine direkte Kommunikation mit dem potenziellen Kunden benötigt wird, ist es wichtig, dass Sie einen direkten Draht haben. Das kann über eine Verknüpfung, sprich Vernetzung untereinander (Kontaktanfrage), passieren oder indem Sie allenfalls zwecks direkter Terminvereinbarung eine E-Mail benötigen würden.

Sie haben nun zum Beispiel die Möglichkeiten, entweder direkte Nachrichten auf Social-Networking-Plattformen wie Linkedin (genannt In Mail), Facebook (Messenger) und Twitter (Direct Messages) zu nutzen. Die Vorarbeit, also Ihr Content, der Dialog und die Erwähnungen, welche Sie bisher geleistet haben, sollen für diesen Moment vorbereitend sein. Und das heisst: Sie nehmen nun Bezug auf den Dialog und den Inhalt. Versuchen Sie das Ganze in drei Schritten aufzugleisen.

Schritt Nr. 1: Mehrwert durch Hilfsbereitschaft. Was könnte Ihrem Kontakt helfen? Haben Sie etwas im Content entdeckt? Können Sie den Faden aufnehmen von einem Dialog, den Sie selbst geführt oder gelesen haben? Versuchen Sie persönlich, aber trotzdem professionell zu sein. Das Ziel von Schritt eins ist ein Dankeschön oder ein Feedback. Das heisst, fragen Sie auch direkt in der Nachricht (Direktnachricht oder E-Mail), ob das der Person geholfen hat. Damit geben Sie der Zielperson die Möglichkeit, den Ball zurückzuspielen.

Schritt Nr. 2: Fragen Sie nach einem persönlichen Austausch, bei einem Treffen oder über das Telefon. Fragen Sie hierzu, was dem potenziellen Kunden helfen könnte, wenn Sie etwas mitbringen oder vorbereiten würden. Seien Sie auch hier vor allem eins: hilfreich und hilfsbereit.

Schritt Nr. 3: Halten Sie Kontakt. Auch wenn vielleicht nach dem ersten Gespräch noch kein Vertrag unterschrieben wurde, so halten Sie den Dialog und den «Mechanismus» des Social Sellings unbedingt aufrecht. Das Endergebnis wird der abgeschlossene Verkauf oder der Start einer langen Partnerschaft sein.

Ausbauen und skalieren

Sie fragen sich nun bestimmt: Bei so viel Aufwand, wie kann ich die obigen Schritte vereinheitlichen und automatisieren, sodass ich mich oder meine Mitarbeitenden sich voll und ganz auf den tatsächlichen Verkauf konzentrieren können? Nun gibt es für die Komplettierung Ihrer Social- Networking-Präsenzen nur Vorlagen und Inspirationen, wie Sie diese optimieren können, komplettieren müssen Sie diese leider selbst. Allerdings könnten Sie beim Inhalt etwas profitieren. Für die meisten Plattformen gibt es zentrale Verwaltungs-Anwendungen (wie beispielsweise Buffer, Tweetdeck oder Hootsuite) sowie RSS, also Newsfeed-Dienste wie Feedly. Diese Dienste können miteinander verbunden und so genutzt werden, dass Sie eine Art Grundrauschen produzieren an Inhalten, welche herausgespielt werden. Sie kommen aber nicht darum herum, eine bis zwei Stunden pro Woche fix einzuplanen, um persönlichen, dedizierten Content aufzuspielen und gleichzeitig Themenbereiche und Diskussionen zu verfolgen und nach Stichworten Ausschau zu halten, die in die eigene Branche passen könnten.

Der Vorteil solcher Tools ist ausserdem, dass Sie entscheiden können, wo welcher Inhalt verbreitet werden soll, und Sie zum Beispiel Dienste verbinden können; das ermöglicht allerdings Linkedin bereits mit Twitter, Facebook ebenso. Der Nachteil dabei: Wenn Sie etwas aus diesen Netzwerken posten und den Dienst verbinden, führt der Link wieder auf die Plattform zurück, was Sie nicht unbedingt möchten. Somit könnten Tools (wie Hootsuite oder Buffer) auf mehreren Social-Media- Plattformen gleichzeitig posten und so ein dediziertes und ein über alle Plattformen hinweg einheitliches Bild schaffen. Gleichzeitig können Sie somit messen, welche Inhalte wo gut ankommen.

Automatisierungsoptionen

Mittelfristig werden Sie herauslesen können, welche Inhalte auf welchen Plattformen funktionieren und welche nicht. Ein weiterer Vorteil: Sie können diese Posts über mehrere Wochen im Voraus planen und bereits formulieren, sodass am Ende das Tool automatisch zum gewünschten Zeitpunkt den Beitrag postet. Aber Achtung: Das funktioniert nur mit Inhalten, welche keine zeitliche Relevanz haben. So müssen sich Ihre Mitarbeiter aber zumindest nicht täglich um das allgemeine Posten kümmern und können sich auf die direkte Kommunikation konzentrieren.

Wenn es dann darum geht, Anfragen oder Follow-ups zu automatisieren, hilft ein Dienst wie IFTTT. Mit diesem Dienst, er steht für «If This Then That» können Sie zum Beispiel Kontaktanfragen in ein Google-Spreadsheet eintragen lassen, Sie können aber auch Follow-ups in so genannten «Trello Cards» anlegen und damit Ihren Prozess vereinheitlichen und nachvollziehen. Vergessen Sie dabei aber nie, dass Social Selling vor allem dies sein sollte: sozial. Es sollte natürlich und konfliktfrei betrieben werden und Vertriebsmitarbeitern erlauben, sich wie «echte Menschen» zu benehmen. So können Käufer sich nicht nur mit den Mitarbeitern anfreunden, sondern mit der gesamten Unternehmung, deren Philosophie und am Ende mit deren Produkten. Fokussieren Sie sich lieber auf Klasse statt auf Masse, eine gute Vor-Recherche und Persona-Definition helfen hier sicher. Sie bevorzugen ausgewählte Kontakte statt Massenanfragen, die Qualität wird steigen, nicht nur im Inhalt, sondern auch in den Abschlussquoten.

Porträt