Unternehmen mussten sich immer schon Veränderungen anpassen. Doch während diese Umstellung sich früher über Jahrzehnte hinziehen durfte, schrumpft im digitalen Zeitalter die Zeitspanne für diesen Prozess auf wenige Jahre und macht immer schneller und öfter Anpassungen erforderlich. In zahlreichen Branchen herrscht nach wie vor eine starke Produktorientierung vor. Allerdings ist es immer schwieriger, sich über Produkte alleine zu differenzieren. Oftmals dominiert ein ruinöser Preiskampf, der die Margen sinken lässt und Unternehmen dazu zwingt ihre angestammten Geschäftsmodelle zu überdenken.
Ein möglicher Ausweg aus dieser Situation ist die Differenzierung über Dienstleistungen. Entsprechend bemühen sich Unternehmen, ihre Angebotspalette um Dienstleistungen zu erweitern. Dies gestaltet sich jedoch häufig nicht einfach.
Die Value Proposition
Die Herausforderungen für Unternehmen bei der «Servitization» – der Änderung des bisherigen Angebotsportfolios weg von einer reinen Produktorientierung zu einer Kombination aus Produkten und Dienstleistungen – sind hoch, denn viele Unternehmen verfolgen produktorientierte Geschäftsmodelle. Geschäftsmodelle stellen nüchtern betrachtet die ökonomische Logik eines Unternehmens dar und zeichnen sich durch die Value Proposition (das «Wertversprechen») aus. Die Value Proposition legt dar, wie das Unternehmen Wert für seine Kunden generiert. Produktorientierte Value Propositions definieren die Produkte der Unternehmen als Hauptwertbringer. Sie vernachlässigen, dass standardisierte Produkte oft nicht die individuellen Kundenbedürfnisse erfüllen können. Weiterhin sind Kunden nicht am Produkt per se interessiert, sondern an dessen Nutzen. Bei einer dienstleistungsorientierten Sicht werden hingegen die Produktauswahl (zum Beispiel ein technisches Gerät und eine entsprechende Beratung) oder die Produktnutzung (beispielsweise Miete statt Besitz) ins Zentrum der Wertgenerierung gestellt.
Auch wenn viele Unternehmen produktbegleitende Dienstleistungen anbieten, verstehen sie Dienstleistungen nicht als Wertbringer für den Kunden, sprich, sie bieten keine serviceorientierten Value Propositions. Die Wertversprechen der angebotenen Dienstleistungen sind entweder nicht klar definiert oder nicht konsequent umgesetzt. Gelegentlich sind sie dem Vertrieb oder dem Kunden nicht klar kommuniziert, nicht in ein entsprechendes Pricing überführt oder es gibt keinen Verantwortlichen im Unternehmen, der sie systematisch steuert.
Praxisorientierte Gestaltungsempfehlungen für die Realisierung serviceorientierter Value Propositions zu erarbeiten, war das Ziel des von der Innosuisse (vormals KTI – Kommission für Technologie und Innovation) geförderten Forschungsprojekts der Hochschule Luzern mit vier Schweizer Unternehmen.
Entwicklung und Umsetzung
Basierend auf konkreten Business Cases der am Projekt beteiligten Unternehmen wurden sechs Schritte zum praktischen Vorgehen erarbeitet, die im Folgenden skizziert werden.
1. Business Case und Ecosystem bestimmen
Die Definition des Business Case dient zur Eingrenzung des Geschäftsfalls, für den eine neue Value Proposition ausgearbeitet werden soll. Das Ecosystem beschreibt das dynamische Umfeld, in dem ein Unternehmen mit anderen Akteuren Austauschbeziehungen eingeht und mit ihnen Wert generiert. Mit der Beschreibung des Business Case und des Ecosystems werden relevante interne Faktoren (zum Beispiel: Wie viel Umsatz wird mit dem Business Case generiert?) sowie externe Faktoren (zum Beispiel: Inwiefern beeinflussen neue Technologien die Bedürfnisse unserer Kunden?) identifiziert.
Ziel ist es, ein Grundverständnis zu erlangen, das allen Beteiligten einen Überblick über die Ausgangslage liefert. Oftmals ergeben sich während dieses Prozesses schon neue strategische Alternativen, wie etwa die Übernahme einer Plattformfunktion oder das Angebot von nutzungsbasierten Geschäftsmodellen («pay per use»).
2. Service-Bedürfnisse analysieren
Kunden sind nicht primär an Produkten oder Dienstleistungen interessiert (das viel zitierte Beispiel vom Nagel in der Wand, um ein Bild aufzuhängen oder Erinnerungen festzuhalten), sondern an der Lösung ihrer Probleme und der Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Daher ist die Auseinandersetzung mit den Servicebedürfnissen aus Kundensicht zentral bei der Entwicklung einer neuen Value Proposition. Jedoch liegen Lösungen selten auf der Hand und für Kunden ist es nicht immer leicht, ihre Bedürfnisse entsprechend zu artikulieren.