Digitalisierung & Transformation

Künstliche Intelligenz

Roboter als Treiber der digitalen Transformation

Künstliche Intelligenz, abgekürzt KI, lässt sich für vieles einsetzen, von Produktion bis zu Finanzgeschäften. Auch in der Schweiz sind Unternehmen und Hochschulen in dem Bereich sehr aktiv; eine wichtige Rolle spielt die Quantencomputertechnik.
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Als erstes Finanzunternehmen setzt die Deutschland-Tochter des Schweizer Versicherers Baloise die neu entwickelte Robo-Technologie der Fondstochter der Deutschen Bank ein. Der neue Vertriebskanal läuft unter dem Titel Baloise Monviso. «Basierend auf Ihren Angaben, wird Ihnen ein Portfolio erstellt, das Sie ruhig schlafen lässt», heisst es auf der Webseite. Sämtliche Anmelde- und Verwaltungsprozesse sind digitalisiert, die Auswahl der passenden Anlageprodukte dagegen erfolgt durch die Experten: 620 Invest­mentspezialisten suchen an 36 Standorten weltweit nach geeigneten Anlagemöglichkeiten. Um da anzulegen, muss man nicht reich sein, auch kleinere Beträge werden akzeptiert.


Mensch und Maschine

Thorsten Michalik, der Vertriebschef der Deutschen AM, meint dazu: «Unser Produkt ist kein klassischer Robo Advisor, vielmehr setzen wir auf das erfolgreiche sowie weiterführende Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Die Prozesse zu vereinfachen sowie mithilfe von digitalen Werkzeugen zu verschlanken und dabei gleichzeitig die individuelle Anlageproduktauswahl durch einen Fachexperten mit lokaler und globaler Expertise zu ermöglichen, führt unseres Erachtens zum Erfolg von Baloise Monviso.»


Kunstfigur für Kundenberatung

Die Kunstfigur Amelia entstand aus der wegweisenden Entwicklung der Credit Suisse in Zusammenarbeit mit «IP soft», einem Anbieter für KI-Technologie. Amelia ist nicht nur klug, sondern hat auch einige menschliche Eigenschaften, wie emotionales Bewusstsein. Sie erkennt beispielsweise, wenn Menschen irritiert oder frustriert sind. Amelia automatisiert die IT-Unterstützung für Kunden.

Nach dem Erwerb des Zugangs zur Amelia-Plattform von «IP soft» beauftragte die Credit Suisse ein unternehmenseige­nes Team damit, diese auszubilden. Zuerst musste sie die Ausdrücke verstehen. Dann lernte sie, ein Problem zu diagnostizieren und zu entscheiden, ob sie es selber be­heben kann oder ob sie den Fall einem menschlichen Kollegen übergeben soll. Sie muss also mit den Prozessen und Systemen im Unternehmen vertraut sein. Sie darf die Menschen, die IT-Support brauchen, nicht verärgern – dafür gibt es einen Algorithmus. Dabei lernt Amelia ständig, neue Dinge zu tun, hauptsächlich, indem sie beobachtet, wie es die Menschen machen. Amelia erhält An­fragen per Text, auf Englisch. Sie spricht flies­send in einem menschlichen Stil. Sie kann nicht alles lösen, aber alltägliche kleinere Probleme, die fast die Hälfte aller Anfragen betreffen.

An Amelias Schulung waren verschiedene Fachleute beteiligt: Datenwissenschaftler, neuro-linguistische Programmierer, Applikationsentwickler, Neurowissenschaftler, Linguisten, Geschäftsprozess-Analysten sowie Mitarbeitende vom Kundenservice. Die Kollegen im IT-Support haben Amelia bereitwillig in ihr Team aufgenommen. Kunden, die von Amelia beraten wurden, haben bisher typisch menschlich reagiert: begeistert, unbeeindruckt oder verärgert. Einige loben ihre schnellen Lösungen. Andere scheinen gar nicht zu merken, dass sie kein Mensch ist. Einige sind irritiert, wenn sie bestimmte Vorgänge nicht durchführen kann, weil sie diese nicht gelernt hat.


Datenregelungen überprüfen

Webseiten und Apps sammeln persönliche Daten und verkaufen sie auch. Oft gibt man die Zustimmung zu dieser Daten­regelung automatisch, wenn man die Programme oder Daten hochlädt. Damit man als Kunde diese Datenregelungen beurteilen kann, haben Forscher der ETH Lausanne, der University of Wisconsin-Madison und der University of Michigan das Programm Polisis (Kurzform für Datenschutzanalyse) entwickelt. Dieses kann man kostenlos entweder als Browser-Erweiterung (für Chrome von Firefox) oder direkt auf der Website verwenden.

Dieses Programm beruht auf künstlicher Intelligenz und greift dabei auf über 130 000 Online-Dokumente zurück. Sobald der Text einer Richtlinie in das Programm eingegeben wurde, durchforstet die Software diesen in wenigen Sekunden und zeigt die Ergebnisse in einer leicht lesbaren Grafik an. So sehen die Nutzer auf einen Blick, welche Daten eine Website zu welchem Zweck erfassen darf. Diese Informationen sind nützlich bei der Entscheidung, ob man eine Website verwenden oder im Fall einer App herunterladen will. Das Programm zeigt auch an, welche Möglichkeiten die Nutzer haben, bestimmte Daten nicht zu teilen, und listet die möglichen Nachteile auf.

Polisis ist in ein anderes Programm namens Pribot eingebunden, einem Online-Chatbot, in dem man Fragen über die Datenschutzrichtlinien einer Website eingeben kann, zum Beispiel ob diese über Kreditkarteninformationen verfügt. Man erhält darauf eine rasche Antwort. Die Ergebnisse bieten keine rechtliche Garantie, sind aber in 82 Prozent der Fälle richtig. Geplant ist, dass das Programm später auch mit anderen Anwendungen wie dem Internet der Dinge genutzt werden kann.


Energie durch Berührung

An der ETH Zürich wurde ein Gerät entwickelt, das keine eigene Batterie hat, aber Signale über eine Elektrode empfängt, wenn diese von einem menschlichen Körper berührt wird. Damit der Empfänger aufgeweckt wird, schickt der Sender dem eigentlichen Signal – das aus einer modulierten elektromagnetischen Welle mit einer Frequenz von einigen Megahertz besteht – eine nur wenige Millisekunden dauernde «Präambel» voraus, die keine Informationen enthält. Die Energie, die der Empfänger in dieser Zeitspanne aufnimmt, wird in einem Kondensator gespeichert, der dann als Energiequelle für das Empfangen und Dekodieren des Kontrollsignals fungiert. Andere energiehungrige Geräte im Schlafmodus können dann vom Empfänger ihrerseits geweckt werden, vorausgesetzt, die richtige Identifikation wurde empfangen.

Die Idee stammt von Michele Magno, der seit vielen Jahren an Energiegewinnungs-Technologien (energy harvesting) arbeitet. Inspiriert wurde er durch eine Zufallsbegegnung mit Forschern am Disney-Forschungslabor in Zürich, die an einem berührungsaktivierten Schalter interessiert waren, den sie in ihre Spielzeuge einbauen konnten. Inzwischen hat Magno seine Idee zum Patent beim Euro­päischen Patentbüro angemeldet. Der Empfänger könnte für viele Vorgänge eingesetzt werden, ist Magno überzeugt, zum Beispiel in Berührungssensoren im Auto, die einen Menschen erkennen und die Türen öffnen. Dies könnte viel sicherer sein als die derzeit benutzten Radiowellen-Technologien wie RFID, die ihre Signale über grössere Entfernungen übermitteln und deshalb anfällig für Angriffe von Dieben sind, die aus grösserer Distanz in aller Ruhe den richtigen Tür-Code herausfinden können.

Ein weiteres interessantes Anwendungsfeld ist die Intra-Körper-Kommunikation, bei der zum Beispiel zwei am Körper getragene Geräte miteinander kommunizieren, oder Übertragungen beim Händedruck zwischen zwei Benutzern. Magno und seine Kollegen haben gezeigt, dass der Prototyp ihres Empfängers eine Reichweite am Körper von mehr als 1,7 Metern hat, wodurch Kommunikation zwischen dem Handgelenk und einem beliebigen anderen Körperteil eines Trägers möglich ist.


Initiativen im Ausland

Das EU-Projekt Factory-in-a-Day zielt darauf ab, die Installationszeit eines neuen Hybrid-Roboters von Wochen oder Monaten auf einen Tag zu verkürzen. Wenn Produktionslinien, in denen Roboter neben Menschen arbeiten, schnell installiert und rekonfiguriert werden, wird das die Betriebskosten drastisch senken.

Damit hätten besonders KMU neue Möglichkeiten, Robotersysteme zu implementieren, die Produktivität, Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit stark zu verbessern.

Die Ingenieure der Technischen Universität Delft haben eine revolutionäre Software für einen Roboterarm entwickelt, der unvorsichtige Mitarbeiter, die in seine Nähe kommen, nicht verletzen kann. Er ist mit einer Haut aus unterschiedlichen Sensoren bestückt, die ihn in seiner Bewegung stoppen, wenn er einem lebendigen oder sonstigen Hindernis zu nahe kommt.

«Out Systems», ein international führender Anbieter in der Entwicklung von Low-Code-Plattformen, hat im Februar 2018 ein Center of Excellence für Künstliche Intelligenz und Machine Learning beziehungsweise ein Projekt Turing ins Leben gerufen. Dies hat das Ziel, zu untersuchen, wie KI und Machine Learning die IT und Softwareentwicklung bis 2030 verändern. Branchenexperten, Technologievorreiter und Universitäten arbeiten für innovative Forschung und Neuentwicklungen zusammen. Die ersten Projekte befassen sich konkret mit KI-Assistenten, die durch die Bereitstellung von Best-Practice-Pattern und anderen Komponenten die Arbeit der Entwickler effizienter machen sollen. Zudem sollen KI-basierte Analysatoren Probleme vorhersagen und Nutzungsmuster in Echtzeit überwachen können, um so Empfehlungen zur Verbesserung und Refaktorierung von Anwendungen zu geben.


Quantencomputer

Traditionelle Computer verarbeiten Daten in binären Zahlen (Bits), die jeweils einen von zwei Zuständen einnehmen können (null oder eins). Quantencomputer hingegen nutzen «Quantum Bits» (kurz Qubits), die gleichzeitig mehrere Zustände einnehmen können. Dadurch wird die gleichzeitige Ausführung mehrerer Rechenoperationen auf einem Chip ermöglicht.

Quantencomputer ersetzen nicht den Bedarf an konventionellen Computern oder weiteren neuen Techniken. Jedoch sind Quantencomputer klassischen Computersystemen in der Bearbeitung bestimmter Fragestellungen deutlich überlegen, sie haben eine höhere Effizienz und Leistung bei der Bewältigung spezifischer Probleme. Zum Beispiel können sie mithilfe von präzisen Simulationen der Umwelt die Forschung in Chemie, Materialwissenschaft oder molekularer Modellierung beschleunigen. So könnten etwa Katalysatoren entwickelt werden, die Kohlenstoffdioxid subtrahieren. Auch die Herstellung supraleitender Materialien bei Raumtemperatur oder die Herstellung von neuen Medikamenten soll auf Basis von Quantencomputing ver­einfacht werden.

Laut IBM gibt es folgende mögliche Anwendungen für Quantensysteme:

  • Medikamenten- und Materialforschung
  • Optimierung von globalen Lieferketten und Logistikabläufen
  • Analyse von Finanzinformationen und Risikobewertungen
  • Künstliche Intelligenz wie beispielsweise Machine Learning
  • Sicherheit von Daten in Cloud-Umgebungen durch die gezielte Ausnutzung quantenmechanischer Effekte

Das IBM «Q Network» ist ein weltweites Netzwerk von Industrie-, Forschungs- und Wissenschaftsinstitutionen, das das Ziel verfolgt, Quantentechnologie zu fördern und erste kommerzielle Anwendungen zu entwickeln. Diesem gehören führende Unternehmen und Institutionen an. Das Netzwerk bietet Unternehmen und wissenschaftlichen Institutionen mit entsprechendem Hintergrundwissen und Ressourcen einen cloudbasierten Zugang zu dem momentan modernsten und skalierbarsten universellen Quantenrechner, einem 20 Qubit IBM Q-System sowie entsprechenden Technologien. Unternehmer, die sich über den momentanen Stand der Quantentechnologie informieren oder eine Strategie entwickeln möchten, haben die Möglichkeit, IBM Services, IBM Q Consulting-Workshops zu besuchen.

Intel erzielt weitere Fortschritte im Bereich Quantencomputing: Das Unternehmen stellt seinem niederländischen Partner, dem Forschungszentrum «Qu-Tech», einen supraleitenden 17-Qubit-Testchip zur Verfügung. Die beiden Partner arbeiten seit 2015 gemeinsam an der Erforschung von Quantencomputern. Der von Intel gefertigte Chip zeichnet sich durch ein spezielles Design aus, wodurch die Produktion einer höheren Stückzahl bei gleichzeitiger Leistungssteigerung ermöglicht wird. Intel und Qu-Tech entwickeln Quantencomputersysteme, woran die Halbleiterfertigung und die Materialwissenschaft einen wichtigen Anteil haben.

 

Vernichten Roboter die Arbeitsplätze

Dass mit fortschreitendem Einsatz von Robotern der Abbau von Arbeitsplätzen einhergeht, ist unumstritten. Mittlerweile gilt das nicht nur mehr für die Industrie-, sondern auch für Schwellenländer. Eine Studie von Avenir Suisse von 2017 sagt Folgendes: Das Schweizer Produktivitätswachstum lag in den letzten Jahren bei einem Prozent pro Jahr. Das starke Wachstum der Beschäftigung im digitalen Sektor wurde zwar von einer Zunahme der Wertschöpfung begleitet, allerdings stieg die Arbeitsproduktivität insgesamt um nur zirka zehn Prozent. Im physischen Sektor nahm die Arbeitsproduktivität über 33 Prozent zu. Makroökonomisch betrachtet, ist von einer disruptiven Digitalisierung wenig zu spüren.

Welche digitalen Technologien sich künftig durchsetzen werden und mit welchen dauerhaften Konsequenzen die Schweizer Volkswirtschaft zu rechnen hat, ist laut Avenir Suisse schwer abzuschätzen. Der Wandel könne in bestimmten Branchen disruptiv werden, die Angst vor der «gros­sen Substitution» sei jedoch in der näheren Zukunft unbegründet. Mensch und Maschine werden sich weiterhin ergänzen, man braucht aber Arbeitskräfte mit genügend Kenntnissen, um die Maschinen zu bedienen. Mit der Pensionierungswelle der Angestellten aus der Babyboomer-Generation sei eher mit einer Verknappung des Arbeitsangebots zu rechnen.

Um den zukünftigen Effekt der Automatisierung auf die Arbeitsplätze genauer abschätzen zu können, haben Ökonomen der University of Oxford berechnet, wie viele Jobs in den USA einem hohen Automatisierungsrisiko ausgesetzt sind. Basierend darauf, hat Deloitte Schweiz 2015 eine Analyse für die Schweiz durchgeführt. Tätigkeiten, die kaum durch Automatisierung ersetzt werden können, haben in den letzten 25 Jahren stark zugenommen, hingegen Arbeit mit hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit kaum, diese wurden sogar reduziert. Aber in den nächsten Jahren und Jahrzehnten könnten fast 50 Prozent der Beschäftigten durch Automatisierung ersetzt werden. Für Unternehmen bietet die fortschreitende Automatisierung eine Chance, wenn sie ihre Geschäftsprozesse frühzeitig anpassen. Durch Automatisierung sinken die Grenzkosten der Produktion und es entsteht mehr Spielraum bei der Preisgestaltung.

Den höchsten Anteil an Beschäftigten mit einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit weist die Land- und Forstwirtschaft auf (76 %). Am geringsten ist dieser Anteil in den Bereichen öffentliche Verwaltung, Gesundheits- und Sozialwesen (17 %) sowie Information und Kommunikation (19 %). Zukunftschancen gibt es trotzdem für alle Qualifikationsstufen, besonders bei Stellen, bei denen es auf Kreativität, soziale Interaktion und hochwertigen Kundenservice ankommt. Ob sich eine Tätigkeit automatisieren lässt, hängt nicht immer vom Ausbildungsniveau ab. So lassen sich Arbeiten wie Rettungsdienst und Krankenpflege wenig automatisieren, obwohl sie nicht immer eine grosse Vorbildung erfordern. Buchhaltung, Steuer- und Finanzberatung kann man leicht automatisieren. Die Unternehmen können Preise und Margen durch Betonung des Kundenerlebnisses verbessern und zusätzlich durch einfachere und schlankere Strukturen.

Eine Dialoggruppe der «Integralen Politik» schlägt den Umbau der AHV in ein «bedingtes Grundeinkommen» vor. Sie soll auf 3500 Franken erhöht werden, damit das Existenzminimum gedeckt ist. Die neue AHV sollte aber nur die Einkommenslücke bis Franken 3500 auffüllen. Finanziert werden soll eine derart revidierte AHV durch eine Robotersteuer oder andere in dieser Richtung gehende Steuereinnahmen. Im Kanton Genf diskutiert man eine Strafsteuer – man kann diese als eine Art Robotersteuer betrachten – die gemäss Handelszeitung 10 000 Franken pro Selbstbedienungs-Kasse betragen sollte. Allein Coop betreibt in Genf zurzeit 181 solcher Kassen, die Migros 17. Man käme also auf einen Betrag von 19,8 Millionen Franken.

Das Europäische Parlament hat zwar ein ethisches Rahmenwerk und andere Regularien für Roboter gefordert, aber eine Robotersteuer abgelehnt. Grund für die Ablehnung der «robot tax» waren Einwände der Industrievertreter. Auch die International Federation of Robotics (www.ifr.org) sieht in einer solchen Besteuerung ein potentielles Innovationshemmnis.

Porträt