Moderne Führungslehren sind allesamt Humbug. Der Duden sagt dazu: Humbug ist etwas, was sich bedeutsam gibt, aber nur Schwindel ist. Bei vielen der modernen Führungslehren, welche im Zuge der digitalen Transformation das Licht der Führungswelt erblicken, überstrahlt der Schein das Sein. Es ist Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Führungs-Humbug 1: Die Digitalisierung erfordert eine neue Führungskultur
Wir leben in disruptiven Vuca-Zeiten. Die Vuca-Welt ist volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Ein Hauptverursacher: die Digitalisierung. Für Führungsgurus ist klar: Das erfordert ein neues Führungs-Paradigma. Die Führung muss umdenken. Wir brauchen dringend neue Führungsgrundsätze, wenn nicht gar neue Führungskräfte. Führung muss durch Leadership ersetzt werden. Nur Führung 4.0 kann uns noch retten. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: Gibt es eigentlich schon Führung 5.0?
Im obigen Abschnitt ist es gelungen, gleich mehrere der neuzeitlichen Unsinns-Schlagwörter zu versammeln. Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich haben sich die Zeiten verändert, das tun sie schon seit Jahrtausenden. Und natürlich werden sie sich auch weiterhin verändern.
Allerdings hat es Changeprozesse schon immer gegeben. In «neuerer» Zeit haben Tom Peters und Robert H. Waterman 1982 in ihrem Buch «In Search of Excellence» bereits eine «neue» Vuca-Welt beschrieben – sie ist also gar nicht so neu. Und 1992 hat Tom Peters unter dem Titel «Liberation Management» nachgelegt. Damals – vor Kurzem also – sprach man noch nicht von Digitalisierung. 1990 wurde das Internet kommerziellen Zwecken zugänglich gemacht. Die Schlussfolgerung neuer Führungsgurus ist also falsch. Die Digitalisierung – mit all ihren Begleiterscheinungen – erfordert keine neue Führungskultur. Die Digitalisierung ermöglicht vielmehr eine neue Art der Führung!
Führungs-Chance 1: Die digitale Transformation ermöglicht neue Führung
Die Führungskräfte dürfen sich glücklich schätzen. Die neuen technologischen Möglichkeiten und die digitalen Optionen erlauben es ihnen, den situativen Führungsstil zu verfeinern und immer individueller auf den einzelnen Mitarbeiter einzugehen. Nun ist es (noch mehr) möglich, der Einzigartigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters gerecht zu werden. Die Führungskraft hat es im Team mit Digital Natives zu tun? Dann wird mit diesen Mitarbeitern eben per Skype kommuniziert, die Videokonferenz durchgeführt, zudem werden weitere Möglichkeiten der digitalen Führungs- und Arbeitsweisen genutzt, sogar mit Whatsapp und via Smartphone oder Tablet. Während mit den «traditionellen» Mitarbeitern dann doch noch ganz klassisch telefoniert oder gar von Angesicht zu Angesicht gesprochen wird.
Ein anderes Beispiel: Während die Führungskraft dem Digital Native Infos, Materialien und Tipps per Social Media oder Twitter schickt und digital mit ihm kommuniziert, tauscht sie sich mit den Mitarbeitern klassischer Prägung im guten alten Meeting aus. Allerdings: Ganz so einfach ist es in der Realität nicht: Auch die sogenannten Digital Natives brauchen und wollen reale Meetings und Einzelgespräche in Unternehmen. Die übergrosse Mehrheit auch der jüngeren Mitarbeiter sind keine digitalen Nomaden, und nur wenige wollen ausschliesslich im Homeoffice arbeiten.
Führungskräfte sollten die Selbstsicherheit haben oder aufbauen, dass sie auch in digitalen Zeiten ihre Führungsarbeit nicht vollkommen umkrempeln müssen. «Old School» heisst nicht automatisch, dass diese Art der Führung obsolet und überflüssig ist. Sie sollten vielmehr die digitale Transformation als Chance nutzen, neue Zugänge zu den Mitarbeitern und ihrer Individualität zu finden. Die digitale Transformation erweitert die Möglichkeiten des situativen Führens und des situations- und personenangemessenen Umgangs mit Individuen.