Digitalisierung & Transformation

Neue Technologien

Mit Virtual Reality Kundenbeziehungen neu gestalten

Wer die Chancen der Digitalisierung nutzen will, muss für neue Technologien aufgeschlossen sein. Das gilt gerade bei Virtual Reality. Immerhin ermöglicht es der Trend, völlig neue Welten zu erschaffen, die Marken in ein neues Licht rücken und den User begeistern.
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Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die Virtual Reality (VR) Unternehmen bietet, zögern Entscheider, diese zu nutzen. Vielleicht auch, weil es noch zu wenig Orientierung gibt. Was es braucht, sind mehr Einblicke in die neue Technologie. Daher stehen in dem Beitrag auch die folgenden Fragen im Fokus: Doch welche Vorteile bietet Virtual Reality, wie hat sich der Trend in der Schweiz unterdessen entwickelt und wer ist hier der Vorreiter? Von welchen anderen Beispielen kann man lernen und welche Rolle spielt eigentlich noch die Realität?

Warum VR wichtig ist

Neue und bestehende Kunden nur zu informieren, reicht schon lange nicht mehr aus. Reine Informationen werden kaum nicht mehr wahrgenommen. Die Kunden wollen begeistert und aktiviert werden. Das Schlagwort heisst Customer Experience. Und die ist gerade im E-Commerce essenziell. Insbesondere die stationären Shops kämpfen mit dem Vorwurf, nicht emotional genug zu sein. Das kann sich nun durch den Einsatz von virtueller Realität ändern. Die neue Technologie erlaubt eine interaktivere und intensivere Gestaltung der Kundenbeziehung. VR kann also Unternehmen dabei helfen, den Dialog mit dem Kunden auf eine neue Ebene zu heben.

Zudem lassen sich damit Produkte platzieren, werbende Informationen transportieren und höhere Umsätze im digitalen Absatzkanal erzielen. Aus dem Grund ist VR besonders für hochpreisige Produkte beziehungsweise Investitionsgüter wie Autos oder Fertighäuser geeignet.

Ebenfalls prädestiniert ist VR für erklärungsbedürftige Produkte, die sich selbst über Text, Bild und Video nur schwer erleben lassen. Durch die Integration dieser Technologien können Hersteller künftig Kunden in die Lage versetzen, Produkte und deren Anwendung virtuell erlebbar zu machen. Daher sollten auch Firmen aus dem B2B-Bereich dem Trend offen gegenüberstehen.

Die Schweizer Entwicklung

Auch viele Schweizer Unternehmen haben diese Vorzüge für sich erkannt. Darunter Comella, Migros und Zurich Insur­ance. Allerdings blieb der VR-Boom in den letzten drei Jahren aus. Vielmehr bahnt sich der Trend eher gemächlich seinen Weg. Kein Wunder, stehen doch viele Entscheider vor der Frage, wie sich die Technologie effizient in die Digitalstrategie einbauen und sich echte Mehrwerte für den Kunden kreieren lassen.

Treiber war – wie in vielen Ländern – die Kartonbrille von Google, die Anfang 2015 auf den Markt kam. Kombiniert mit dem eigenen Smartphone, macht sie VR zum ersten Mal massentauglich. Zu den ersten sehr erfolgreichen Schweizer Anwendungen zählt «Blick VR», das heute bereits fester Bestandteil des «Blick»-Digitalangebots ist. Weitere Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind unter anderem «Migrosmania»-Promotion, die eine interaktive Erlebniswelt für Kinder bietet, und das Multiplayer-Spiel von Comella, das die Marke bei Live-Events neu inszeniert.

Da Profi-Hardware, die vor allem in der Gaming-Industrie genutzt wird, für viele Nutzer zu teuer ist, gewinnt Mobile-VR immer mehr an Bedeutung. Also Systeme, welche mit einem Smartphone bestückt werden und keine weitere Elektronik benötigen. Zwei Beispiele hierfür sind das Google Cardboard oder die Samsung Gear VR. Solche Systeme werden auch dazu beitragen, dass immer mehr Firmen in der Schweiz VR-Content erstellen, die der User ohne viel Aufwand und Kosten erleben kann.

B2C- und B2B-Beispiele

Die Chancen von VR sind vielfältig. Doch wo lässt es sich einsetzen? Weitere Einblicke gewähren die nachstehenden Beispiele aus den Branchen Mode, Tourismus, Produktion und Bauindustrie.

B2C – Mode
VR-Brille aufgesetzt, und schon steht der Kunde in einer virtuellen Umkleidekabine. Dort kann er die vorher ausgewählten Produkte anziehen. Im Idealfall kann er sogar Bilder davon machen und über seine Social-Media-Kanäle den Rat seiner Freunde einholen. Ein weiterer Vorteil: Während Kunden in lokalen Geschäften oft nur drei Kleidungsstücke mit in die Umkleidekabine nehmen dürfen, stehen ihnen im virtuellen Shop alle Möglichkeiten offen.

Ein besonders spannendes VR-Beispiel aus dem Modehandel liefert Alibaba mit «Buy+». Hier können Kunden mithilfe einer VR-Brille und zwei Controllern in die virtuelle Shopping-Welt eintauchen. Dabei wird ihnen ein 360-Grad-Blick auf alle Produkte und Verkaufsregale geboten. Ausgewählte Kleidungsstücke können zudem von Models vorgeführt werden. Auch wenn sich das Projekt noch in der Beta-Phase befindet, ist es wegweisend für das Shopping-Erlebnis für morgen. Auch andere Anbieter wie Cisco entwickeln mit «The Future of Shopping» neue Ansätze für den Modehandel.

B2C – Tourismus
Gerade im Hinblick auf das B2C-Segment der Hotelvermittlung ist VR eine mehrwertige Ergänzung zu den bestehenden Massnahmen. Die Reise wird damit intensiv «erlebbar», und zwar noch bevor sie beginnt. Mittlerweile verbringt der Privatreisende im Schnitt mehr als neun Stunden im Netz, um für den anstehenden Urlaub zu recherchieren und die Planung durchzuführen. Damit auch wirklich die richtige Entscheidung bei der Fülle an Angeboten getroffen wird, kann VR eine hilfreiche Stütze sein.

Mittlerweile nutzen viele Reisebüros die Technologie, um Kunden schneller in Urlaubsstimmung zu bringen. Ein Beispiel ist Thomas Cook. Der Anbieter hat insgesamt 880 Büros mit VR-Brillen ausgerüstet. Ziel ist es, durch die 360-Grad-Ansicht viel umfassendere Einblicke in die Urlaubsdestination zu geben. Darüber kann man zum Beispiel bequem vom Stuhl aus durch ein Kreuzfahrtschiff laufen, einen Rundflug über die gewünschte Region machen oder sich ein Hotel anschauen. Das kann sehr hilfreich sein – immerhin kann der Besucher sehen, welche Räume den besten Blick bieten, und die entsprechend buchen.

B2B – Bauindustrie
Die Entwicklungsphase von Ingenieuren, Architekten und Maschinenbauern ist geprägt von Skizzen und Modellen. Doch aufgrund ihrer Eindimensionalität vermitteln sie primär eine Idee. Wesentlich detaillierter sind hier 3D-Visualisierung. Gerade bei komplexeren Projekten lassen sich so potenzielle Herausforderungen schneller identifizieren und aus unterschiedlichen Perspektiven beurteilen.

Aber auch bei der Steuerung von Bauprozessen hilft Virtual Reality. Das zeigt Züblin, ein Unternehmen für Hoch- und Ingenieurbau. Im BIM.5D Lab nutzen sie hier die Möglichkeiten der Technologie, um Abläufe zu optimieren. Die Lösung transformiert die klassische Architektenzeichnung in ein dreidimensionales digitales Modell, in dem alle Informationen des Teams zur gemeinsamen Nutzung zentral zusammengeführt werden – von den Zeitzielen bis hin zu benötigten Materialien, Bestellmengen und Betreiberdaten.

B2B – Produktion
Produktflyer waren gestern. Heute lassen sich über VR auch hochkomplexe Produkte wie Lokomotiven in 360-Grad-Ansichten präsentieren. Ein Vorreiter ist hier General Electric. Das Unternehmen zeigt sein Produkt auf einer Teststrecke aus unterschiedlichen Perspektiven, die der Nutzer selbstständig steuern kann (GE 360). Eingebettet in einem Video, liefert GE nicht nur alle relevanten Informationen, sondern erweitert auch das Seh-Erlebnis. Zudem knüpft das Unternehmen so an die Digital-Wünsche der Zielgruppe an. Denn die Entscheider im B2B-Umfeld sind auch Endkonsumenten, die bei der Auswahl von Produkten auf die Aufbereitung setzen, die sie kennen und in der B2C-Welt erwarten.

Neben den Anwendungsbeispielen für Kunden oder Teammitglieder bieten sich auch für das Unternehmen selbst Einsatzszenarien. Zum Beispiel für die Forschung und Entwicklung. Gerade in den Disziplinen wie Produktdesign, Engineering oder Fertigung kann VR den Herstellungsprozess optimieren.

Wo es Realität noch braucht

Trotz der vielen Beispiele und Inspirationen sollten Entscheider nie eine Technologie aus Selbstzweck einführen. Sie muss genau auf den Geschäftssinn und Usernutzen untersucht werden. Sonst verlieren Firmen nur Zeit und erzeugen unnötig Kosten. Auch ist VR aufgrund der immer noch nicht flächendeckenden Reichweite ein Nischenmarkt. Deshalb kann der Trend heute nur als Erweiterung des digitalen Kundenerlebnisses gesehen werden. Im Idealfall sogar mit der Verknüpfung zur realen Welt. Nur wenn beides überzeugt und Unternehmen ein konsistentes Kundenerlebnis bieten – in beiden Welten – lässt sich der Verbraucher begeistern.

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