Ob Internet of Things, maschinelles Lernen, Augmented Reality, künstliche Intelligenz oder die durchgängige Customer Journey, Schweizer KMU stehen angesichts der neuen digitalen Technologien und der sich verändernden Kundenbedürfnisse unter einem starken Wettbewerbsdruck. Wer hier noch denkt, nur ein einfaches Familienunternehmen zu führen, seine Kunden zu kennen und daher diese Technologien nicht zu brauchen, der überlässt in Zukunft die Wertschöpfung anderen.
Sich aus alten Strukturen lösen
Das Marketing kümmert sich um die Neukundenakquise, die Entwicklungsabteilung um neue Produkte und der Kundenservice um die Zufriedenheit der Bestandskunden – bildeten die einzelnen Unternehmensabteilungen bis zur Jahrtausendwende noch eigenständige Einheiten, so verschwimmen die Übergänge zwischen diesen einzelnen Kompetenzfeldern heute zwar zunehmend – jedoch zu langsam, wie die «Swiss Marketing Leadership-Studie 2019» hervorgebracht hat.
Darin gaben 90 Prozent der insgesamt 400 befragten Schweizer Unternehmen an, dass sie die digitale Transformation zwar als sehr wichtig erachten. Dennoch sind erst knapp 50 Prozent dieser Unternehmen dazu in der Lage, digitale Lösungen in der geforderten Geschwindigkeit auch umzusetzen. Generell stellt die Studie fest, dass in Schweizer Unternehmen das «Gärtlidenken» immer noch stark präsent ist. «Damit eine Customer Experience nahtlos ist, muss sie auch abteilungsübergreifend fliessen. Der Kunde denkt nicht in Silos, aber wir sind noch so organisiert. Wir müssen den Mitarbeitenden vorleben und sie befähigen, dass sie auch abteilungsübergreifend arbeiten. Am Ende des Tages ist das eine Führungsaufgabe», sagt Patrick A. Koller, Chief Marketing und Chief Digital Innovation Officer bei der Franke Kaffeemaschinen AG.
Die neue Kundenreise
Was früher der Einkaufszettel oder die Überweisung am Bankschalter waren, ist heute der Klick auf eine App. Weltweit nutzen inzwischen mehr als 3,2 Milliarden Menschen das mobile Internet, um ihren Alltag zu organisieren. Wo Smartphone und Tablets neue Kommunikationskanäle schaffen, da entstehen auch neue Möglichkeiten, wie Unternehmen mit potenziellen Kunden in Kontakt treten können.
Mit dem Begriff der Customer Journey wird diese neue Vielfalt an digitalen Kontaktpunkten (Touchpoints) zum Konsumenten nicht nur erfasst, sondern auch als «Kundenreise» beschrieben. Die Customer Journey wird folglich als ein Prozess verstanden, bei welchem aus einem Interessenten im Idealfall ein Kunde wird. Galten bis vor wenigen Jahren noch Radio, Fernseher, Werbetafeln oder Plakate als bevorzugte Marketingkanäle, so setzen heute immer mehr Unternehmen auf digitales Marketing. «Wir haben die digitalen Touchpoints in Konkurrenz zum persönlichen, physischen Service gesehen und als etwas, das eigentlich nicht gewünscht ist. Unsere Meinung dazu ändert sich gerade fundamental. Wir sehen, dass es Kundensegmente gibt, die sich wünschen, samstagnachts um 23.00 Uhr jeden Geschäftsvorgang an einem Smartphone ausführen zu können. Wenn wir das nicht anbieten, dann genügen wir nicht», sagt Dirk Wierzbitzki, Mitglied der Konzernleitung bei der Swisscom (Schweiz) AG.
Die abteilungsübergreifende und damit nahtlose Betreuung des Kunden bei seiner Reise zum Produkt rückt für viele Schweizer KMU daher zunehmend in den Vordergrund ihrer Unternehmensstrategie. Damit jedoch die digitale Begleitung der Customer Journey gelingt, müssen Unternehmen verstehen, an welchen Stellen der potenzielle Kunde welche Art von Informationen sucht und auf welchem Weg er dies tut. Für die erfolgreiche Digitalisierung der Customer Journey ist es daher von grundlegender Bedeutung, die Bedürfnisse der Kunden auf ihrer Reise zum Produkt zu identifizieren.
Veränderter Kundendialog
Vom ersten Interesse an einem Produkt über die Beratung und Information bis hin zum Kauf und der nachgelagerten Kundenbetreuung; an jedem Punkt seiner Customer Journey hat der potenzielle Kunde andere Bedürfnisse. Gleichzeitig nutzt aber auch jeder Interessent seine ganz eigenen digitalen Quellen und Kanäle. Für die Digitalisierung der Customer Journey bedeutet das also nicht nur, eine möglichst grosse Vielfalt an Berührungspunkten bereitzustellen, sondern Touchpoints auch so informativ und zielführend wie möglich zu gestalten.
Ob nun der potenzielle Kunde über die mobile App, den Social-Media-Kanal, den Onlineshop, das Callcenter, die Unternehmenswebsite oder im stationären Geschäft in Kontakt mit einem Unternehmen tritt: An jedem Touchpoint sollte er die exakt passenden Anreize finden, um seine Reise zum Produkt weiter fortzusetzen. Dabei müssem Touchpoints positive Erlebnisse bieten. Das überzeugt den potenziellen Kunden nicht nur vom Produkt/Unternehmen, sondern trägt auch massgeblich zu einer langfristigen Kundenbindung bei.
Bei der Ausgestaltung der Customer Journey muss daher das Augenmerk sowohl auf deren inhaltlicher Qualität als auch auf einer möglichst nahtlosen Verknüpfung der einzelnen Touchpoints untereinander liegen. Denn nur auf diese Weise kann jeder einzelne Interessent positive digitale Erfahrungen erleben und seinen individuellen Weg zum Produkt finden. Doch was bedeutet dies für die Unternehmen selbst?