Digitalisierung & Transformation

Unternehmensentwicklung

Mit Digitalisierung einen Mehrwert schaffen

Die Digitalisierung und damit verbundene unbeantwortete Fragestellungen führen zu grosser Unsicherheit. Gleichzeitig können Unternehmen den Wandel nicht aussitzen. Aber wo sollen sie beginnen? Wichtige Faktoren der Unternehmensentwicklung sind, einerseits die Produkt- und Dienstleistungsattraktivität zu steigern, andererseits auch eine Fehlerkultur zuzulassen.
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Selbstfahrende Autos, Industrie 4.0, digitale Disruption überall: Unternehmen müssen digitaler werden. Aber wie genau? Gerade kleinere mittelständische Unternehmen blicken oft sorgenvoll in die Zukunft und scheuen sich, das Thema anzugehen. Verständlich, Digitalisierung, das klingt nach Silicon Valley, Apple und Uber. Dabei ist der gedankliche Sprung über den Atlantik gar nicht nötig. Auch im eigenen Land gibt es Unternehmen, die sich perfekt als Vorbilder eignen. Die sind zwar als «Hidden Champions» weniger bekannt, aber nicht minder erfolgreich. Zum Beispiel Fritschi, Universo und Herrenknecht – jeweils Weltmarktführer für Skibindungen, Uhrenzeiger und Tunnelbohrmaschinen.

Die gute Nachricht: Um jetzt die Weichen für eine erfolgreiche Unternehmenszukunft zu stellen, muss man weder in den USA angesiedelt noch Weltmarktführer sein. Entscheidend ist, in die richtige Richtung zu denken und neue wirtschaftliche Werte zu schaffen.

Digitalisierung geht alle an

Beim Thema Digitalisierung heisst es in vielen Unternehmen gerne: «Lass das die IT machen, die ist doch fit in solchen Dingen!» Das ist leider zu kurz gegriffen. Denn die digitale Transformation ist kein reines IT-Projekt, sondern betrifft alle Bereiche. Und es handelt sich auch nicht um ein «Projekt». Wer glaubt, damit in ein paar Monaten durch zu sein, wird sich noch umschauen. Digitalisierung ist ein Prozess, der das ganze Unternehmen in den kommenden Jahren nachhaltig verändern wird. Unser Privatleben hat sich schon massiv verändert – Wirtschaft, Unternehmensabläufe und Kundenverhalten werden folgen.

Wer versucht, die Sache auszusitzen, kann schon bald seinen Hut nehmen. Betroffen ist davon nicht nur die Führungsebene, sondern unterm Strich alle Mitarbeiter, vom Service bis zur Buchhaltung. Pikantes Detail: In vielen Fällen ist es gerade die IT-Abteilung, die sich gegen die nötige Veränderung sträubt. Denn ihr Job ist es, alle Systeme am Laufen zu halten. Sobald etwas schiefgeht oder Kunden sich beschweren, ist der Ärger gross. «Never change a running system» ist allerdings kein Motto, mit welchem sich in Sachen Digitalisierung ein Blumentopf gewinnen lässt. Niemand, der seine Kunden wirklich liebt, würde auf sie mit einem System losgehen, das sich ausschliesslich Programmierer ausgedacht haben. Denn die Resultate sind meist weder benutzerfreundlich noch ohne IT-Studium nachvollziehbar.

Innovationen spielen für Schweizer KMU eine wichtige Rolle. Der Haken: Im Vergleich zu grossen Wettbewerbern fehlen oftmals die nötigen finanziellen Mittel. Das ist jedoch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern eine wertvolle Chance. Denn nur, weil ein Grosskonzern viel Geld in teure Produktentwicklung stecken kann, bedeutet das noch lange keinen Erfolg.

Der Mehrwert entscheidet

Moderne Geschäftsmodelle leben davon, dass Unternehmen alle Touchpoints verbessern, an denen ihr Kunde mit ihnen in Kontakt kommt. Ein schönes Produkt ist ein guter Anfang, doch es bringt nichts, wenn die Kunden bei der Installation alleingelassen werden, die Abrechnung ihre Tücken hat und der Service direkt aus der Hölle zu kommen scheint.

Um auch zukünftig erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen vor allem zwei zentrale Fragen stellen: Wie ändern sich die Bedürfnisse der Kunden, mit welchen Problemen schlagen sie sich in ihrem Alltag herum? Und was können wir als Anbieter tun, um genau diese Herausforderungen mit unseren Produkten oder Dienstleistungen zu lösen? Mit anderen Worten: Im Fokus aller Bemühungen muss stets das Kundenerlebnis stehen. Denn es gewinnt nicht der Anbieter mit der tollsten Idee oder dem schönsten Werbespot. Sondern das Unternehmen, das in hundert kleine Verbesserungen investiert. Und damit seinen Kunden nicht nur ein Produkt oder eine Dienstleistung liefert, sondern echten Mehrwert.

Und genau hier liegt die Stärke von KMU. Sie können gerade aufgrund ihrer Grösse in kurzer Zeit Ideen aufgreifen, entwickeln und umsetzen. Direkte, kurze Entscheidungswege sowie ein deutlich engerer Kontakt zum Kunden werden so im Vergleich zu Global Playern zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Wofür zahlt der Kunde eigentlich? Natürlich für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Oberflächlich betrachtet stimmt das. Das, was der Kunde tatsächlich zahlt, ist der Preis. Und wenn der Preis stimmt, schlägt er zu? So einfach funktioniert das Ganze leider nicht. Denn die Zahl auf dem Preisschild ist nur einer von mehreren Faktoren, die die Kaufentscheidung des Kunden beeinflussen. Viel entscheidender ist der individuelle Wert, den das Angebot hat. Nur, wenn der Kunde das Gefühl hat, dass ihm das Produkt oder die Dienstleistung wirklich etwas bringt, nimmt er den Preis in Kauf – und zahlt. Um es mit den Worten von Investorenlegende Warren Buffett zu sagen: «Price is what you pay. Value is what you get.»

Das klingt gut. Zumindest in der Theorie. In der Praxis aber bestimmt der Kunde, was ihm etwas wert ist. Auch, wenn Unternehmen sehr viel Geld in die Produktion gesteckt haben und aufwendigste Werbekampagnen fahren – das bringt alles nichts, wenn es den Kunden kaltlässt. Wem es nicht gelingt, für den Kunden erkennbaren Mehrwert zu schaffen,  der kommt unter die Räder. Denn ohne erkennbaren Wert kein Geschäft. Ausserdem bestimmt der Wert den Preis. Der Wert muss für den Kunden immer höher sein, als sein Schmerz, sein Geld dafür herzugeben. Sonst findet er ein Produkt zwar wunderbar, kauft es aber nicht.

Zusätzlich muss man den Wettbewerb und die allgemeine Marktentwicklung im Auge behalten. Denn eine kleine Veränderung kann bereits ein Erdbeben auslösen. Ein Beispiel dafür ist der Siegeszug von Whatsapp. Ein kleines Unternehmen mit einer Handvoll Mitarbeiter hat dafür gesorgt, dass Kunden weltweit auf einmal keine teuren SMS- und MMS-Pakete bei ihren Vertragspartnern mehr buchten. Heute benutzen über eine Milliarde Menschen in mehr als 180 Ländern Whatsapp, von SMS spricht niemand mehr. Also Augen auf, denn es sind nicht nur Konkurrenten, die uns gefährlich werden. Sondern auch Alternativen, die das eigene Angebot ersetzen.

Was dem Kunden wichtig ist

An erster Stelle muss immer die Frage stehen: Was wollen die Kunden, worauf legen sie besonderen Wert? Und es geht sogar noch einen Schritt weiter: Mit welchen Problemen und Herausforderungen schlagen sie sich in ihrem Alltag herum? Die Zukunft gehört Unternehmen, denen es gelingt, dafür eine Lösung zu finden, und zwar bevor die Kunden überhaupt wissen, dass sie sie brauchen. Neben dem Produkt oder der Dienstleistung als solcher gibt es vier wichtige Punkte, die die Attraktivität deutlich steigern, beziehungsweise das Angebot wertvoll machen:

Verfügbarkeit

Ein Produkt ist nur dann attraktiv, wenn es verfügbar ist. Eigentlich trivial – doch Kunden können nun mal nur kaufen, was auch da ist. Wenn sich der Kunde für ein Angebot entscheidet, dann will er es auch sofort und nicht erst in einer Woche. Bei Privatkunden ist der kommende Standard Same-Day-Delivery, manche Anbieter experimentieren bereits in den Ballungsgebieten mit Drohnenlieferung innerhalb von zwei Stunden nach Bestellung.

Verlässlichkeit

Absprachen müssen eingehalten werden. Egal, ob es sich um mündliche Zusagen oder die Service-Versprechen auf der Unternehmenswebsite handelt. Garantierter Rückruf noch am gleichen Tag – und das Telefon klingelt nach zwei Tagen immer noch nicht? Schnelle Hilfe, der eine unerwartet hohe Rechnung folgt? Das macht niemandem Spass. Kunden erwarten heute einen Partner, der zuverlässig die richtige Lösung parat hat und ihnen weiterhilft. Ganz ohne böse Überraschungen.

Schnelligkeit

Zeit ist Geld, und zwar in allen Belangen. Ein gutes Produkt und eine gute Dienstleistung gehen sorgsam mit den Ressourcen des Kunden um. Oberstes Gebot: so wenig Aufwand wie möglich. Etwa durch vereinfachte Menüführung, Online-Bestellung in wenigen Klicks, automatische Abholung oder Wunschterminvereinbarung via App.

Leistung

Leistung kann alles Mögliche sein. Von den PS beim Auto über die Kühlleistung der Klimaanlage bis zur Bandbreite des Internetanschlusses. Entscheidend ist, dass der Kunde genau die Leistung bekommt, die er benötigt und die ihm hilft, seine Herausforderungen besser zu bewältigen. Das kann gesparte Zeit bei der Internetrecherche sein, weil sich die Seiten schneller aufbauen, mehr produzierte Stückzahlen aufgrund der leistungsfähigeren Maschine etc.

Zwischen Alltag und Vuca

Disruptiv, innovativ, komplex: Die Digitalisierung kann ganz schön Angst machen. Wir kommen aber nicht darum herum, uns mit ihr zu beschäftigen. «Die einzige Konstante ist die Veränderung», das hat schon der griechische Philosoph Heraklit vor 2500 Jahren treffend auf den Punkt gebracht. Augen zu und durch? Ignorieren kann auch eine Strategie sein. Wenn sie schiefgeht, sieht es jedoch meist ganz düster aus.

Höchste Zeit also, ins Handeln zu kommen und mit dieser Unsicherheit offen umzugehen. Dazu gehört auch, bestehende Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und Prozesse zu entschlacken, um schneller zu werden.

Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist das Zugeständnis, dass Fehler passieren können. Die Chance, dass etwas sofort klappt, ist verschwindend gering. Entscheidend ist, wie Unternehmen damit umgehen und was sie aus Fehlschlägen für die Zukunft lernen. Und das alles klappt nur, wenn die Führungsebene mit gutem Beispiel vorangeht. Veränderung ist unbequem. Mitarbeiter brauchen daher klare Ansagen – und vor allem ein «Warum». Nur, wenn klar ist, wieso die Umbrüche absolut notwendig sind, werden auch die internen Kritiker überzeugt, ihren Beitrag zu leisten.

Was neue Entwicklungen bringen, ob es einen Markt dafür gibt, wo er sein wird und wie gross, das weiss kein Unternehmen vorher. Konkurrenz und Kunden ebenso wenig. Insofern starten alle ins Blaue. Das Wichtigste dabei ist, loszulegen. Richtung, Geschwindigkeit und sogar das Ziel können unterwegs noch agil verändert werden.

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