Digitalisierung & Transformation

Industrie 4.0

Methoden zur Auswahl geeigneter Technolo­gien für 4.0-Initiativen

Technologien bilden die Grundlage für Industrie-4.0-Initiativen. Neben der Auswahl der geeigneten Initiativen stellt die Identifizierung notwendiger Technologien eine Herausfor­derung dar. Die Definition der Technologien und das Erkennen der Voraussetzungen zur Beschaffung oder Entwicklung können mittels geeigneter Methoden beherrscht werden.
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Die «vierte industrielle Revolution» bietet grosse Potenziale zur Erschliessung neuer Geschäftsmöglichkeiten sowie zur Schaf­fung neuer Wertangebote für Kunden und Mitarbeitende, aber auch zur Verbesserung interner und externer Prozesse. Grundlage für die Veränderungen ist die Verfügbarkeit relevanter Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen sowie die Fähigkeit, aus den Daten Mehrwerte abzuleiten. Grundlage der Industrie-4.0-Initiativen sind somit Tech­no­logien, Daten und die Vernetzung, um die Daten zu sammeln, zu speichern und zu analysieren. 

Unsicherheit durch Vielfalt

Die Möglichkeiten Industrie 4.0 umzu­setzen, sind vielfältig. Diese Vielfalt führt oftmals zu einer grossen Unsicherheit bezüglich Auswahl und Priorisierung möglicher Industrie-4.0-Initiativen. Erste Hilfestellungen bilden sogenannte Reifegradmodelle, welche aufzeigen, welche Technologien, Prozesse und Funktionen von Industrie 4.0 betroffen sind. Allerdings sind für erfolgreiche Industrie- 4.0-Initiativen nicht nur neue Technologien, sondern auch angepasste Geschäftsmodelle notwendig. Die Geschäftsmodell-Logik impliziert, dass in einem ersten Schritt das Ziel der Initiativen festgelegt werden muss, um darauf aufbauend die Veränderungen innerhalb der Geschäftsmodell-Dimensionen abzuleiten. Es findet infolgedessen eine Verschmelzung der Geschäftslogik und der Möglichkeiten der Vernetzung statt. 

Industrie-4.0-Enabler

Die Vernetzung ist die entscheidende Grundlage für die Maschinen-Maschinen- und Mensch-Maschinen-Inter­aktion. Die Vernetzung beruht auf drei Kernelementen (Porter, 2014): der physischen, der intelligenten und der Vernetzungskom­ponente. Unter den physischen Komponenten sind die bereits bekannten elektro­nischen und mechanischen Bauteile zu verstehen. Unter den intelligenten Kom­ponenten werden Sensoren, Mikropro­zessoren, Datenspeicher, Steuerungselemente, Software und Betriebssysteme sub­sumiert. Ver­netzungskomponenten um­fassen Schnitt­stellen, Antennen und Protokolle, welche kabelgebundene oder kabellose Verbindungen mit der Maschine oder dem Produkt ermöglichen. 

Die Vernetzung umfasst verschiedene Facetten eines Unternehmens und widerspiegelt sich im Prozess und im Produkt wie auch bei den Unternehmenseinheiten (Unternehmen, Werk bis Arbeitsstation) (Adolphs et al., 2015) (siehe Abbildung 1, physische Ebene). Die Vernetzung und die entsprechenden Technologien ermöglichen das Sammeln, Speichern und Analysieren von Daten (Datenebene). 

Eine gezielte Dateninterpretation wiederum bildet die Grundlage für das Anbieten neuer Dienstleistungen. Bei diesen Dienstleistungen handelt es sich oftmals um die Erweiterung, Vernetzung und Neukombination vorhandener Leistungen. Infolgedessen ist zu überprüfen, welche Veränderungen das Anbieten solcher Dienstleistungen im Geschäftsmodell bedingt und welche Investitionen daraus resultieren. 

Zudem ist aufzuzeigen, welche internen oder externen Mehrwerte generiert werden können. Zentral dabei ist, dass die Geschäftslogik mit den Möglichkeiten der Vernetzung kombiniert wird und die notwendigen Technologien identifiziert werden. Die Abbildung 1 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Geschäftslogik und Vernetzung, und sie zeigt die Schnittstellen zwischen Nutzer, Geschäft und Technologien. 

Für viele Industrieunternehmen stellen sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen:

  • Welche Industrie-4.0-Initiativen sind erfolgversprechend?
  • Welche Mehrwerte (intern und extern) können erzielt werden? 
  • Welche Dimensionen des Geschäftsmodells sind anzupassen?
  • Welche Technologien sind für die Erzielung des Mehrwerts notwendig? 

Vorgehen in drei Schritten

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden im Rahmen des KTI-Projektes «Vernetzung und Digitalisierung der Wertschöpfungskette: eine strategische Roadmap» Industrie-4.0-Initiativen analysiert und verglichen (Analyse von insgesamt 13 Industrie-4.0 Initiativen). 

Die Resultate zeigen, dass für die Definition und Integration geeigneter Indus­trie-4.0-Technologien drei Schritte zu durchlaufen sind. 

Schritt 1: Geschäftsmodell-Analyse von Industrie 4.0-Initiativen

Ideen zu Industrie-4.0 können sowohl gezielt durch Kreativitätstechniken gefördert werden als auch durch den Besuch von Industrie-4.0-Veranstaltungen. Sind erste Industrie-4.0-Ideen formuliert, gilt es zu verstehen, welche Mehrwerte damit erzielt werden können und welche Veränderung in der Wertschöpfungskette, der Ertragsmechanik, bei den Technologien und Fähigkeiten und der Vernetzung notwendig sind. 

Die Analyse von Industrie-4.0-Initiativen anhand der Geschäftsmodell-Dimensionen hilft zu verstehen, wie sich der Geschäftserfolg von Industrie-4.0-Initiativen zusammensetzt, das heisst, welche Mehrwerte welchen Investitionen gegenüberstehen. Abbildung 2 fasst die zentralen Fragen zusammen, welche bei der Analyse und Implementierung von Industrie-4.0-Initiativen zu beantworten sind. Mit der Beantwortung der Fragen wird deutlich, welche Veränderungen im Unternehmen anzustossen sind, um die Initiative erfolgreich umzusetzen. 

Das Nutzenversprechen einer Industrie-­4.0-Initiative hängt sehr stark von den Möglichkeiten der Technologien und Fähigkeiten ab. Diese wiederum verursachen Investitionskosten und bedingen infolgedessen eine gezielte Analyse. 

Schritt 2: Analyse der Wirkungszusammenhänge – notwendige Technologien und Fähigkeiten

Die Geschäftsmodellanalyse beinhaltet eine erste Aufnahme notwendiger Technologien und Fähigkeiten. Diese benötigen jedoch oftmals eine genauere Analyse. So sind auf der einen Seite die Abhäng­ig­keiten der Technologien zu bestimmen, auf der anderen Seite muss aufgezeigt werden, welche korrespondierenden Fähigkeiten notwendig sind. Anhand der analysierten Wirkungszusammenhänge werden die zeitlichen Abhängigkeiten ersichtlich sowie der kri­tische Pfad bestimmt, welcher aufzeigt, wann welche Technologien entwickelt werden müssen. Dabei sind die in Ab­bildung 1 dargestellten Ebenen der Ver­netzung zu berücksichtigen. 

Weiter kann unter Zuhilfenahme einer Beeinflussungs-/Einflussnahme-Matrix aufgezeigt werden, welche Technologien und Fähigkeiten kritisch sind. Als kritisch für die Implementierung zu betrachten sind Technologien und Fähigkeiten, welche eine hohe Einflussnahme auf andere Technologien und Fähigkeiten ausüben und gleichzeitig eine hohe Beeinflussung durch andere Techno­logien oder Fähigkeiten wahrnehmen. Ebenfalls wichtige Technologien und Fähigkeiten sind sogenannte Hebeleinflussgrössen. Diese üben eine hohe Einflussnahme auf andere Technologien und Fähigkeiten aus, ohne selber eine hohe Abhängigkeit aufzuweisen. Technologien und Fähigkeiten, welche als Hebeleinflussgrössen gelten, sind tendenziell geeignet, um frühzeitig implementiert zu werden.

Die dritte Abbildung visualisiert beispielhaft die Zusammenhänge zwischen den Technologien und Fähigkeiten, welche zur Implementierung einer Maschinen-Verfügbarkeitsgarantie notwendig sind. Anhand der Entscheidungen von Make or Buy sowie der Fristigkeiten (kurz-, mittel- oder langfristig) kann eine erste Abschätzung der Implementierungsdauer erfolgen. 

Schritt 3: Detaillierung notwendiger Technologien

Basierend auf der Übersicht der Wirkungszusammenhänge sind einzelne Techno­logien weiter zu konkretisieren, um das gemeinsame Verständnis aufzubauen und die interne Entwicklung voranzutreiben oder durch Partnerschaften mit Liefer­anten die Spezifizierung voranzutreiben. 

Eine Möglichkeit zur Detaillierung der notwendigen Technologien pro Initiative bietet das Ishikawa-Diagramm (vergleiche Abbildung 4), das einerseits darstellt, welche Wirkung die Technologien er­zielen sollen, und andererseits, was die Ur­sachen sind. 

Sind beispielsweise Sensoren zu bestimmen, ist zu analysieren, was diese messen sollen. Anhand der Dimensionen Mensch, Material, Milieu/Werk, Maschine, Prozess und Steuerung wird eine Auslegeordnung erreicht. Ebenfalls ist ersichtlich, ob geeignete Messkombinationen durch die gezielte Wahl an Sensoren abgedeckt werden können.

Die Anwendung dieser Methode über verschiedene Industrie-4.0-Initiativen hinweg ermöglicht es zu erkennen, ob einzelne Technologiekomponenten mehrfach genutzt werden können (Skalierbarkeit) oder in Kombination mit anderen Komponenten einzelne Technologien ersetzen können (Substitution).

Nachdem die passenden Technologien spezifiziert wurden, können potenzielle Lieferanten bestimmt werden. Die Detaillierung ermöglicht dabei, die Anforderungen zu definieren. Eine erfolgreiche Umsetzung von Industrie-4.0-Ini­tiativen bedingt eine Abgleichung der Anforderungen aus der Geschäftslogik mit den Anforderungen der Vernetzung. Können beispielsweise die Anforderungen an die Vernetzung aufgrund von Nicht-Beherrschung der notwendigen Technologien (noch) nicht erfüllt werden, bedingt dies oftmals Einbussen bei den Mehrwerten.

Porträt